Lokale Kultur

Leises und Lyrisches zu lautstarker Rockmusik

Benefiz-Veranstaltung für das Leihoma- und Leihopa-Projekt des Bürgerbüros mit Timo Brunke und Werner Dannemann

Kirchheim. Mit Musik geht alles besser, das ist hinlänglich bekannt und wohl auch konsensfähig. Ob man sie mag, auch wenn sie laut ist, kann da schon eher unterschiedlich

bewertet werden. Gelegenheit, sich ihr eigenes Urteil zu bilden, hatten am Freitagabend die vielen Besucher der Feier des 20. Geburtstags des Kirchheimer Bürgerbüros.

Den offiziellen Festakt mit Rückblick auf die verschiedensten Aktivitäten der vergangenen zwei Jahrzehnte hatten die sich ehrenamtlich engagierenden „Unruheständler“ im Kornhaus schon würdig begangen. Jetzt standen gute Laune, virtuos gedrechselte Sprachkunstwerke, fingerfertige Gitarrenriffs und laute Töne auf dem Programm.

Die vielfältig engagierten Aktivisten sorgten bei der Benefiz-Veranstaltung zugunsten des Leihoma-/Leih­opa-Angebots für ein mutig zusammengestelltes Kontrastangebot, das die Besucher nicht nur in Scharen ins Steingau-Zentrum lockte, sondern tatsächlich auch sicherstellen konnte, dass engagierte Bürger und inte­ressierte Besucher gleichermaßen auf ihre Kosten kommen.

Nach eher dezenten Akkordeonklängen und ausgeklügelt-poetischer Sprachakrobatik mit Timo Brunke setzte Werner Dannemann auf verstärkte, aber handgemachte Musik, die bis in die hintersten Winkel des Konzertgebäudes gut zu hören war.

Bevor die in den Stuttgarter Süden beziehungsweise nach Bartenbach emigrierten Kirchheimer Aushängeschilder den gewohnten Altersdurchschnitt ihrer Auftritte etwas nach oben korrigieren und ihre Fangemeinde im Senioren-Segment erweitern konnten, stimmte zunächst ein schwungvoller Video-Einspieler die Zielgruppe auf den Zweck der hochkarätigen Benefiz-Veranstaltung ein. Christiane Hanke erklärte, dass in Afrika die Überzeugung herrsche, dass es ein ganzes Dorf brauche, um ein Kind zu erziehen. In Kirchheim besteht für das engagiert betriebene Leihoma-/Leihopa-Projekt aber vor allem Bedarf an zuverlässigen und verantwortungsbewussten Seniorinnen und Senioren, die Freude am Umgang mit Kindern haben. 28 Anfragen stehen in diesem Jahr aktuell 17 Leih-Omas gegenüber, die von nur einem einzigen Quoten-Alibi-Opa unterstützt werden. Das soll möglichst anders werden, aber weiterhin finanzierbar bleiben.

Ganz allein auf der Bühne stand zunächst Timo Brunke, der sich dank unterschiedlichster Kopfbedeckungen schnell in unterschiedlichste Persönlichkeiten verwandeln konnte. Nachdem der unter anderem auch als „Bruder Grimm“ vor sich hinreimende Poet mit seinem einschmeichelnden Hohelied auf das „tolle Publikum“ sofort alle für sich eingenommen hatte, sorgte er mit einer wasserdichten und reimsicheren Hymne auf den Abwasch dafür, dass keine Tassen mehr im Schrank blieben, sondern alle auf das gewaltig sich auftürmende Geschirrgebirge wanderten.

Der Poetry-Slam-erprobte einstige Schloss-Gymnasiast, der mit einem einstündigen gereimten Abi-Scherz in der Stadthalle erstmals seine Lust auf und heimliche Liebe zur Lyrik öffentlich gemacht hatte, um sich anschließend „mit Inbrunst, aber ohne Abschluss“ dem Studium der Theologie zu widmen, präsentierte sich im Steingau-Stift als versierter Vertreter der eigentlich ja nur von ihm beherrschten hochliterarischen Kunstform des Knittelvers-Rappens.

Vom „Kille-Killesberg“ singsangte er sich „Step by Step“ über die berühmten Stuttgarter Treppen-“Stäffela“ bis hin zum zunächst letzten Hopser am Bopser, von dem aus man bei gutem Wetter von den Höhen des Stuttgarter Kessels aus locker bis Grönland sehen kann.

Nachdem Timo Brunke einen Keltenfürsten ausgegraben, ein Au-pair-Mädchen angebaggert und sich im Reich von Feng Shui auf Ottomanen mit Gepardenpelz-Bezug gerekelt hatte, verließ er schnell wieder den mit einer hollywoodreifen Einleitung und „einem Film aus Worten“ inszenierten Traum vom „Schöner Wohnen“.

Als „Martha Schlesinger“ schlug sich der poetische Wortakrobat schnell noch voller Zorn und Leidenschaft mit offenem Mieder mit Nepomuk in die Büsche, um dann lautmalerisch über die schöne Schwäbische Alb zu lustwandeln und mit einem wie Gesang klingenden „Vokabel-Lied“ zum konzertanten Teil des Abends mit „Werner Dannemann and friends“ überzuleiten.

Nachdem Sybille Köber, als Erste Vorsitzende des Kirchheimer Bürgerbüros und Gastgeberin auf ihrer Übersetzung „Werner Dannemann und seine Freunde“ bestanden hatte, stellte der Ausnahme-Gitarrist, gefeierte Sänger und mit Kompositionen von Rock und Blues bis hin zu Klassik und Kirchenmusik begeisternde Komponist zunächst seine Stamm-Band vor. Mit Bernd Berroth am Bass und Peter Knapp an den Drums setzt der von der Teck zum Hohenstaufen übersiedelte Musiker, der mit seiner „Fete de la Musique“ die längst zur Legende gewordene Tradition der Kirchheimer Musiknacht einst begründet hatte, vor allem auf musikalischen Rückhalt aus Esslingen.

Ebenfalls aus Bartenbach stammt der Keyboarder Wolfgang Schiller, der sich nach dem vielversprechenden Auftakt-Titel „Little Red Rooster“ bei John Mayalls „Room to Move“ auch gleich als Sänger und Blues-Harp-Spieler entsprechend in Szene setzen konnte. Etwas Sorge bereitete dem gut aufgelegten Werner Dannemann freilich ein etwas verwaist auf der Bühne stehendes Saxofon. Anja Maier, die bei Werner Dannemanns 60. Geburtstag erstmals mit ihrem Saxofon öffentlich aufgetreten war, fügte sich aber auch an diesem Abend wieder harmonisch in die Kategorie „and friends“ ein, hatte zuvor aber noch einen Auftritt beim Welcome-Abend für Flüchtlinge im großen Sitzungssaal des Kirchheimer Rathauses.

Noch bevor die Quotenfrau das hochkarätige Quartett zum Quintett erhöhen konnte, wagte sich Gitarren-Gigant Werner Dannemann an ein Experiment, das er vor noch „jugendlicherem“ Publikum eher selten anstimmt... Um das Crossover-Experiment mit nahtlosem Übergang von Beethovens bekanntester Symphonie zu Chuck Berrys 1956 komponiertem „Roll over Beethoven“ richtig goutieren zu können, ist es schließlich gut, diese Zeit schon bewusst miterlebt zu haben.

Werner Dannemann betonte voller Stolz, dass sich außer ihm niemand auf der Gitarre an Beethoven-Symphonien wage, kokettierte damit, dass das nie klappt und hätte natürlich keinen besseren Übergang und verdienteren Applaus zur kurzen Pause provozieren können.

Im sich immer weiter steigernden und immer ausgelassener werdenden zweiten Programmteil präsentierte der unprätentiöse Star selbstbewusst auch Beispiele seiner in 45 Bühnenjahren auf insgesamt 27 CDs versammelten Eigenkompositionen, um dann überraschend auch noch den als „bester Rock‘n‘Roll-Sänger der Stadt“ angekündigten Gunter Ne­thing auf die Bühne zu holen.

Wahre Begeisterungsstürme fuhr Drummer Peter Knapp ein, als er über mehrere Minuten hinweg eindrucksvoll demonstrierte, was er aus seiner Schießbude alles herausholen kann. Bassist Bernd Berroth leitete dann mit einem langsam sich entwickelnden Dialog und eigenen Solopassagen spielerisch das noch einmal alle Bandmitglieder mit einbindende Finale ein, das garantiert noch lange in den Ohren der Konzertbesucher nachklingen wird . . .