Kirchheim

Stiche in den Hals waren kein Mordversuch

Landgericht verurteilt 20-jährigen Kirchheimer wegen Körperverletzung zu zweidreiviertel Jahren Haft

Weil er seinen besten Freund mit zwei Messerstichen in den Hals schwer verletzt hatte, muss ein 20-jähriger Kirchheimer zweidreiviertel Jahre in Haft.

BERND WINCKLER

Kirchheim. „Eine Tötungsabsicht ist nicht feststellbar.“ Mit dieser Begründung ließ das Stuttgarter Landgericht gestern den Vorwurf des versuchten Totschlags gegen den 20-Jährigen fallen und verurteilte ihn wegen Körperverletzung zu der Jugendstrafe von zweidreiviertel Jahren.

Nur zwei Tage Beweisaufnahme benötigte die Jugendstrafkammer des Landgerichts Stuttgart für diesen Fall, in dem zwei junge Männer sich stritten und einer dabei durch zwei Messerstiche in den Hals fast zu Tode gekommen wäre. In der Nacht zum 23. April dieses Jahres war es im Bereich Allenstraße/ Max-Eyth-Straße in Richtung Kirchheimer Bahnhof zu einer Aussprache zwischen dem 20-jährigen Angeklagten und seinem ein Jahr jüngeren Freund gekommen. Die Freundschaft war geprägt von der Dominanz des Angeklagten, heißt es in dem Urteil. Er bestimmte, wann man sich jeweils traf und an welchen Wochenenden man zusammen Unternehmungen plante. Einen Widerspruch habe er nicht geduldet.

Als aber der 19-Jährige eine Freundin kennenlernte, gab es einen Knack in der Freundschaft zum Angeklagten. Der nämlich war jetzt eifersüchtig und pochte auf sein Recht der Gemeinsamkeit. Dies jedoch wies der 19-Jährige erstmals in der Freundschaft zurück. Auch als man sich in der Tatnacht gute vier Stunden lang auf dem Weg in Richtung Kirchheimer Bahnhof über das Thema unterhielt. Dabei habe der Angeklagte auch über Homosexualität gesprochen, wobei der 19-Jährige sich davon entrüstet distanzierte. Schließlich habe der 19-Jährige sich dann auch durchgesetzt und den Angeklagten mit der Bemerkung, er werde dieses Wochenende nichts mehr mit ihm unternehmen, weggeschickt.

Minuten später stach dann der 20-Jährige dem Freund von hinten zweimal in den Hals. Das Gericht wertete dies aber nur noch als eine einzige Aktion, bei der das Opfer einen Schnitt erlitt und mehrere Tage im Krankenhaus behandelt wurde. Da aber der Angeklagte laut einem Gutachten in der Tatnacht an einer Art Persönlichkeitsstörung litt und seine Einsichtsfähigkeit dadurch eingeschränkt war, setzte das Gericht Strafmilderung an. Zudem stellte die Jugendstrafkammer fest, dass eine direkte Tötungsabsicht nicht vorliege, somit der Vorwurf des versuchten Mordes – wie angeklagt – wegfällt. Hingegen sah aber die Anklägerin den Tatbestand des Mordversuchs aus Heimtücke erfüllt und beantragte fünf Jahre Jugendstrafe.

Dem folgte das Gericht nicht. Die Schnittverletzungen wurden als eine Tat der gefährlichen Körperverletzung gewertet, die allerdings mit zwei Jahren und neun Monaten sanktioniert wurden. Dem Antrag des Verteidigers, den 20-Jährigen zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren zu verurteilen, und ihm dann eine therapeutische Behandlung zu ermöglichen, wies das Gericht ab. Dazu hatte ein jugendpsychiatrischer Sachverständiger geraten. Neben den zweidreiviertel Jahren Jugendhaft muss der 19-Jährige allerdings noch an das Opfer Schmerzensgeld in Höhe von 12 500 Euro zahlen.