Lokales

Der Ansturm bleibt aus

Nur wenige Osteuropäer suchen seit dem 1. Mai in Kirchheim und Umgebung nach Arbeit

Seit dem 1. Mai können Arbeitnehmer aus acht osteuropäischen Ländern in Deutschland ohne Genehmigung arbeiten. In Kirchheim und Umgebung ist der große Ansturm, den viele erhofft und andere befürchtet hatten, bisher ausgeblieben.

Auf vielen Baustellen fehlen die Fachkräfte. Doch die Arbeitnehmer aus Osteuropa bleiben vorerst aus. Archivfoto: Jean-Luc Jacqu
Auf vielen Baustellen fehlen die Fachkräfte. Doch die Arbeitnehmer aus Osteuropa bleiben vorerst aus. Archivfoto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Harald Bosse ist ernüchtert. „Ich habe erwartet, dass die Leute gleich reihenweise kommen“, sagt der Geschäftsführer der Kirchheimer Zeitarbeitsfirma Benz, die Personal an Unternehmen in Kirchheim und Umgebung ausleiht. Rund drei Monate nach der Öffnung der deutschen Grenze für Arbeitskräfte aus acht europäischen Staaten ist jedoch klar: Diese Erwartung war falsch. „Es bewirbt sich fast niemand“, sagt Harald Bosse, der aktuell dringend nach Fachkräften, aber auch nach Hilfsarbeitern sucht. Seit dem 1. Mai hat er einen Mitarbeiter aus Lettland und einen aus Polen eingestellt. Ein Ansturm sieht anders aus.

Ähnlich ist es bei der Firma Effenberger & Klaus, die Personal an Industrie und Handwerk vermittelt. Dort hat man bisher ein paar Arbeiter aus Polen eingestellt. Von einem Ansturm will Geschäftsführer Helmuth Effenberger ebenfalls nicht sprechen. „Ich nehme an, dass die Wirtschaft in Polen auch ganz ordentlich läuft“, sagt Effenberger. Wenn die Wirtschaftslage schlechter sei, kämen vermutlich mehr. Das glaubt auch Harald Bosse. „Warum sollte jemand, der zu Hause einen guten Job hat, hierher kommen?“, fragt der Benz-Geschäftsführer. Außerdem sei die Region Stuttgart einfach zu weit vom Grenzgebiet entfernt. In Bayern, so Bosse, sehe es vermutlich anders aus.

Bettina Münz, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Göppingen, glaubt, dass die wenigsten Arbeitskräfte auf gut Glück in die Region kommen. „Die meisten haben eine konkrete Jobzusage“, sagt sie. Zahlen, die diese Vermutung belegen, gibt es nicht, da sich die Arbeitskräfte seit dem Inkrafttreten der Freizügigkeitsregelung nicht mehr bei der Arbeitsagentur melden müssen. Ein Indiz ist jedoch, dass beispielsweise bei der Kirchheimer Arbeitsagentur nur wenige Menschen aus den betreffenden Ländern als arbeitssuchend gemeldet sind. Und von ihnen seien die meis­ten auch schon vor dem 1. Mai in Deutschland gewesen.

„Wir brauchen Personal, zum Beispiel im Metall verarbeitenden Bereich“, sagt Bettina Münz. Wenn in diesem Bereich qualifizierte Arbeitskräfte kämen, sei man darüber gar nicht böse. Bisher suche die Agentur für Arbeit aber nicht gezielt nach Fachkräften. „Es gibt in Polen eine Dependance der Bundesagentur, aber klassische Anwerbestellen gibt es noch nicht“, so Münz. Im Hinblick auf den Fachkräftemangel überlege man jedoch, ob das nötig sein könnte. „Aber da stecken wir operativ noch in den Kinderschuhen.“ Münz weiß, dass die Bundesrepublik für viele Arbeitsmigranten längst nicht mehr das gelobte Land ist: „Deutschland konkurriert inzwischen mit vielen anderen Ländern.“