Lokales

Stadt sammelt ökologische Pluspunkte

Weilheim bessert mit verschiedenen Projekten sein Ökokonto auf – Lindach-Renaturierung mit der Bahn

Ob Baugebiet oder ICE-Trasse – immer wenn auf Äckern oder Wiesen neu gebaut wird, muss ein Stück Natur weichen. In Weilheim sind eine ganze Reihe von Projekten geplant, die der Natur etwas zurückgeben sollen. Unter anderem nimmt sich die Stadt der Lindach an – ­zusammen mit der Bahn.

Ein neuralgischer Punkt der Lindach ist die Staustufe bei Hepsisau. Für Fische und andere Lebewesen gibt es hier kein Durchkomme
Ein neuralgischer Punkt der Lindach ist die Staustufe bei Hepsisau. Für Fische und andere Lebewesen gibt es hier kein Durchkommen. Wird die Klippe entschärft, gibt es eine Gutschrift auf dem Ökokonto. Foto: Jean-Luc Jacques

Weilheim. Nach dem Prinzip des Nehmens und Gebens führen viele Kommunen sogenannte Ökokonten. Dort verbuchen sie den Verbrauch von Flächen und Umwelt, aber auch „Rückzahlungen“. Ganz einfach ist das nicht: Nach einem komplizierten, mittlerweile aber weitgehend vereinheitlichen Punktesystem werden Pflanzen, Tiere und Boden erfasst, aber auch abstraktere Faktoren wie Erholung, Klima und Wasser.

Das System des Ökokontos stellte Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle im Gemeinderat vor – und zwar aus aktuellem Anlass. „Alle Baugebiete, die wir ausweisen, sind mit Eingriffen in die Natur verbunden“, sagte Züfle. Zwar gelte es, solche Eingriffe so weit wie möglich zu vermeiden oder zu minimieren. Aber wenn dies nicht möglich sei, müsse ein Ausgleich her. „Das geht nicht nur hinterher, sondern auch schon vorbeugend“, erläuterte Züfle und fügte hinzu: „Genau das ist unser Ziel.“

Im Visier hat die Stadt Weilheim schon jetzt das neue Baugebiet „Gänsweide II“ am Fuße der Limburg. „Um Ausgleichsflächen dafür müssen wir uns früh kümmern“, mahnte der Rathauschef und nannte drei Gebiete, die die Stadt dafür ökologisch aufwerten möchte: Flächen bei der Reitanlage, im Erlenbad und am Hepsisauer Hungerbad.

Darüber hinaus hat die Bahn bei der Stadt Weilheim angeklopft. Auf der Suche nach ökologischen Wiedergutmachungen für die ICE-Neubaustrecke Wendlingen-Ulm kam die Renaturierung der Lindach ins Spiel. Gemeinsam wollen Stadt und Bahn nun dafür sorgen, dass die Lindach wieder „ökologisch durchgängig“ wird. Das heißt, sie soll von Staustufen, Hindernissen und Betonsohlen befreit werden, um die Bedingungen für Fische und andere Lebewesen zu verbessern. „Dann würden wir auch die Europäische Wasserrichtlinie erfüllen“, betonte der Verwaltungschef. Ein Ingenieurbüro hat bereits ein Konzept erstellt. An 41 Stellen des Bachlaufs auf Weilheimer Gemarkung gibt es Handlungsbedarf. Mit der Bahn hat sich die Kommune darauf geeinigt, die Vorhaben aufzuteilen. „Die Bahn soll alles zwischen Jesingen und dem Wehr Stiefelmayer umsetzen und für sich anrechnen lassen, alles weitere bachaufwärts wäre für uns“, erläuterte Johannes Züfle. Die Lindach würde damit zum künftigen Schwerpunkt des Ökokontos.

Zunächst jedoch kümmert sich die Stadt in diesem Jahr um die drei anderen Gebiete. Agrarbiologe Heiner Landau, der das Weilheimer Ökokonto betreut, stellte sie genauer vor. „Im Graben nördlich der Weilheimer Reithalle wollen wir Verbauungen und Steinschüttungen entfernen“, beschrieb er. Außerdem werden Hochstauden ausgesät. Vorgesehen ist auch, die Wiese nördlich des Grabens weniger intensiv zu nutzen. „Sie wird jetzt an den städtischen Schäfer verpachtet“, gab Johannes Züfle bekannt. Fürs Mähen sorgen also künftig die Schafe. Übrigens hat die Stadt auch beim Projekt Reithalle Mitstreiter. Angrenzend an die städtischen Flächen legt der Reitverein – ebenfalls als Ausgleichsmaßnahme – einen kleinen Teich an.

Im Bereich Erlenbad liegen viele der sehr feuchten, von Bachläufen durchzogenen Flächen brach. Dort will die Stadt das Artenreichtum auf den Wiesen fördern, ein Erlenwäldchen anlegen und die Schilfzonen ausdehnen.

Am Hepsisauer Hungerberg geht es schließlich um eine bessere Entwässerung des Hangs. „Damit wollen wir erreichen, dass der Weg nicht mehr so verdreckt“, spielte Heiner Landau auf die Erde an, die regelmäßig auf den Feldweg gespült wird. Gerda Schrägle (SBV) lobte das Vorhaben: „Das hilft Naturschutz und Landwirtschaft.“ Bernd Bauer (FWV) freute sich darüber, das die Wiese beim Reitverein künftig extensiv bewirtschaftet wird. Es sei gut darauf zu achten, dass der künftige Pflegeaufwand sich bei den Maßnahmen in Grenzen halte.

Auf eine weitere Option, die das Ökokonto bietet, gingen Bürgermeister Johannes Züfle und Planer Heiner Landau ein: Laut Baugesetzbuch dürften Ausgleichsmaßnahmen gegen eine finanzielle Entschädigung für ein Weilheimer Baugebiet auch in einer anderen Kommune innerhalb des Verwaltungsraums Weilheim umgesetzt werden. Bernd Kautter (UWV) sprach sich dafür aus, diese Möglichkeit in Zukunft zu nutzen: „Es ist doch sinnvoll, sich gegenseitig auszuhelfen“, sagte er und zog einen Vergleich zum Emissionshandel.

Einstimmig gab der Gemeinderat grünes Licht für die drei Ausgleichsmaßnahmen und die Pläne, die Lindach zum künftigen Schwerpunkt des Ökokontos zu erklären.