Lokalsport

Flowers-Aktie im Steigflug

Basketball Er ist die personifizierte Lebensversicherung der Knights in dieser Zweitliga-Saison. Der 25-jährige Kirchheimer Kapitän gilt als Musterprofi, wie ihn sich jeder Trainer wünscht. Von Bernd Köble

Den Ball gut abgeschirmt, den Blick beim Mitspieler, so kennt man Michael Flowers in der Rolle des Spielgestalters. Foto: Nina Sander

Zahlen lügen nicht. Zumindest im Basketball. Wo jede Aktion statistisch durchleuchtet wird, ist Leistung für jeden sichtbar. Der Barcode, der Michael Flowers seit dieser Zweitligasaison auf der Stirn klebt, ist Qualitätssigel und Preisschild zugleich. Keiner trifft verlässlicher, keiner trifft hochprozentiger und keiner ist auf dem Spielfeld effektiver als der 25-jährige Amerikaner aus Southfield, Michigan, nordwestlich der Industriemetropole Detroit. Auch wenn der Kirchheimer Erfolg in diesem Jahr viele Gesichter hat, ohne ihren Kapitän, ohne ihren unermüdlichen Antreiber und Taktgeber stünden die Ritter nicht dort, wo sie augenblicklich in der Tabelle stehen: uneinholbar auf Platz sechs und damit sicher in den Playoffs.

Wer ist der Mann mit den wilden Rasta-Zöpfen, den auf dem Parket scheinbar nichts und niemand aus der Ruhe bringen kann? Zunächst mal einer mit einem klugen Karriereplan und umsichtigen Beratern. Nach seiner erfolgreichen Übersee-Premiere im Kirchheimer Trikot hätten ihm vor einem Jahr bereits die Türen zu finanzstärkeren Klubs in Deutschland und wohl auch in Europa offen gestanden. Doch Flowers hörte auf den Rat seiner Trainer in der Heimat und 
 

Ich fühle mich wohl hier. Das ist es, was zählt.
Michael Flowers
Der Kapitän der Knights über den Schlüssel zu seinem Erfolg.
 

kehrte – für viele überraschend – unter die Teck zurück. Zurück zu seinem Mentor Igor Perovic, zurück in ein Umfeld, das ihm, wie er sagt, die Ruhe und Vertrautheit schenkt, die er braucht, um erfolgreich zu sein. Allerdings auch in eine Rolle, die mancher hinterfragte. Als Kronprinz eines so erfahrenen Taktgebers wie Richie Williams – soviel stand fest – würde Flowers weniger Freiheiten genießen als zuvor. Würde er dieser wachsenden Verantwortung gerecht werden und falls ja, wie würde sich das auf sein Scoring auswirken? Inzwischen kennt man alle Antworten. Flowers ist die personifizierte Lebensversicherung der Knights in dieser Saison. Er bestimmt den Takt, er führt, er hat die Kraft und die Nerven in der Crunchtime. Und er hat in dieser Saison noch kein einziges Spiel verpasst, obwohl keiner in der Liga in jedem Spiel länger auf dem Feld steht, obwohl kaum einer mehr investiert als er. Auf seiner Position gibt es physisch Stärkere, Schnellere, Sprunggewaltigere in der Pro A – aber es gibt kein besseres Komplettpaket. „Wenn du Defizite hast, musst du einfach cleverer sein“, sagt er. „Ich vertraue meinen Moves und ich achte auf meinen Körper.“

Mike Flowers ruht in sich, das merkt rasch jeder, der sich länger mit ihm unterhält. Auf den Körper achten bedeutet vor allem, abseits des Spielfelds Eigenverantwortung tragen. Kein Trainingstag ohne freiwillige Extraschicht, kaum ein Abend, an dem er nicht selbst am Herd steht und kocht, um sich nicht wie viele seiner Landsleute von Fastfood ernähren zu müssen. Manchmal spielt er den Gastgeber und lädt Mannschaftskollegen zu sich ein. Teamplay, das ist nichts, was man nach dem Training oder Spiel in der Kabine lässt. „Wir sind eine Einheit“, sagt Flowers. „Das ist es, was uns stark macht“. 

Eine Einheit, die so homogen wie selten wirkt. Sieht man von Routinier Demetrius Ward einmal ab, gibt es in der Mannschaft kaum ein Gefälle, was Alter und Karrierestand betrifft. „Wir sind fast alle in der gleichen Situation“, sagt der Kapitän, der mit Michael Miller einen kongenialen Partner an seiner Seite hat. „Wir beide ergänzen uns perfekt. Was er nicht macht, mache ich und umgekehrt“, beschreibt Flowers das Zusammenspiel mit seinem Landsmann. „Einen Großteil meines Erfolgs habe ich ihm zu verdanken.“

Bescheidenheit und innere Ruhe, die richtige Balance aus Spannung und Entspannung – musikalisch spannt sich dieses Band bei ihm zwischen meditativen Klängen in seiner Freizeit und harten Beats aus dem Kopfhörer, wenn es gilt, sich direkt vor dem Spiel auf Betriebstemperatur zu bringen. Das richtige Timing in diesem Spannungsfeld macht auch seine Spielweise aus. Flowers kann eine Halbzeit lang abtauchen, um im entscheidenden Moment regelrecht zu explodieren und das Spiel zu entscheiden.  

Am Ende der Saison wird er ein neues Kapitel aufschlagen. Seine Aktie ist im Steilflug. Entsprechende Angebote werden nicht lange auf sich warten lassen. „Ich bin offen für alles, und ich weiß, dass ich mir vertrauen kann“, sagt er. Er, der vor nicht allzu langer Zeit alles verloren hat, ist ein Gewinner. Mit 19 Jahren raubte der Krebs ihm in kürzester Zeit beide Eltern. In einer Phase, als er gerade aufs College gewechselt war. „Ihnen habe ich alles zu verdanken“, meint Michael Flowers und wird still. „Dass sie stolz auf mich sind, ist das, was mich jeden Tag antreibt.“