Lossprechung

Unterwegs auf den Dächern Ghanas

Die junge Schreinerin Lea John verwirklichte in der Ausbildung ihren Wunsch, Erfahrungen im Ausland zu sammeln. In Afrika lernte sie eine fremde Kultur und andere Arbeitsweisen kennen. Von Monika Zielonka

Foto: Privat

„Das waren definitiv die besten vier Wochen meines Lebens“, berichtet die 22-jährige Schreinerin Lea John aus Neidlingen rückblickend über ihre Zeit in Ghana. Mit dem Ziel, während ihrer Schreinerausbildung neue Erfahrungen und Arbeitstechniken zu sammeln und die Welt auszukundschaften, arbeitete die junge Handwerkerin vier Wochen in einer kleinen Schreinerei am Fluss Ankobra in Ghana.

Die Liebe zum Holz

Schon als Kind kam Lea John mit dem Handwerk in Kontakt und fing direkt an, es zu lieben. „Mein Vater ist selbstständig im Fensterbau tätig. Dadurch konnte ich ihm oft über die Schulter blicken und war von klein auf mit dabei.“ Besucht habe sie zuerst eine Realschule, bei der sie sich in der siebten Klasse für den Schwerpunkt „Technik“ entschied. Dabei lernte sie mehrere Bereiche kennen – ihr klarer Favorit: die Arbeit mit Holz. Beim Girls Day nutzte sie die Gelegenheit und besuchte die familiengeführte Schreinerei Hepperle in Neidlingen und fand somit ihren späteren Ausbildungsbetrieb. Besonders am Schreinerhandwerk gefalle ihr die Vielfältigkeit. „Ob Massivholz oder verschiedenste Plattenwerkstoffe – die Auswahl ist groß! Jeder Kunde ist individuell und hat andere Bedürfnisse, das macht die Arbeit umso spannender.“

Ein langjähriger Wunsch der Handwerkerin: nach dem Abitur neue Länder auszukundschaften. Die Corona-Pandemie machte ihr dabei einen Strich durch die Rechnung. „Ich wollte zudem auch nicht allein reisen. Das hätte ich mir zu dem Zeitpunkt noch nicht zugetraut.“ Das erste Lehrjahr ihrer Schreinerausbildung war geprägt von der Corona-Pandemie – der Wunsch nach Veränderung und Neuem wurde größer. Sie recherchierte nach Möglichkeiten, diesem Wunsch nachzugehen. Mit Erfolg! „Bei meiner Suche stieß ich auf die Organisation „Rainbow Garden Village“, die Freiwilligendienste und Auslandpraktika anbietet. Der vierwöchige Freiwilligendienst in der ghanaischen Schreinerei fiel mir da direkt ins Auge“, erklärt die Schreinerin.

Schreinern wie in Deutschland – nur eben anders

In Ghana beinhaltet das Schreinerhandwerk ebenfalls Aufgaben des Zimmererhandwerks. Zusätzlich gibt es Schreinereien, die ausschließlich mit Bambus arbeiten. „Neben den klassischen Schreinertätigkeiten durfte ich auch mit Bambus arbeiten“, erzählt Lea John. Mit der Arbeit gestartet habe man um 8 Uhr – eigentlich. In Ghana seien die Menschen bei diesem Thema lockerer. Gearbeitet wird jedoch jeden Tag in der Woche – einschließlich samstags und sonntags.

Die Arbeit mit Bambus hat der jungen Schreinerin auf Anhieb Spaß gemacht. „Mir wurde zunächst beigebracht, wie man die Cane schält, um Seile daraus zu fertigen. Dabei finde ich die Flechtarbeit richtig interessant! Aus den Flechtwerken habe ich dann Sitzflächen für Stühle, Lampenschirme oder Körbe gebaut. Cane habe ich dann auch in mein Gesellenstück mit eingebaut und dafür extra Material aus Ghana mit nach Deutschland gebracht“, erinnert sich John. Bei Cane handelt es sich um Lianen, die geschält und anschließend aufgetrennt werden, sodass man Seile und Bänder daraus flechten kann. Geschockt habe sie die ghanaische Arbeitssicherheit, die sich stark von der deutschen unterscheide. So tragen die Schreiner keine Arbeitskleidung, sondern verrichteten ihren Job meistens oberkörperfrei und barfuß. „Wie alles gemacht wird, ist schon sehr anders. Dacharbeiten werden ohne Sicherungen vollbracht. Den Einsatz von Maschinen gibt es nicht. Das ist alles echte Handarbeit in Ghana“, berichtet sie begeistert. Auch bei Hobel- und Stemmarbeiten werde das Holz nicht festgespannt.

Männerdominiertes Schreinerhandwerk

In Ghana arbeiten hauptsächlich Männer im Schreinerberuf. „Anfangs wird man als Frau belächelt. Am ersten Tag durfte ich nur zusehen. Erst nachdem ich ausführlich erklärt habe, dass das mein Beruf ist, wurde mir der Hammer gereicht. Auch bei Dacharbeiten durfte ich anfangs nicht mit“, erläutert die Handwerkerin. Als Frau auf der Leiter sei man komisch angesehen worden. Nach und nach trauten ihr die Schreiner mehr zu, sodass sie auch auf dem Dach arbeiten konnte. An Zuschauern habe es dabei nicht gefehlt.

Die wenige Freizeit nutzte sie, um am Strand von der Stadt Axim Surfen zu lernen oder Naturschutzgebiete mit dem Fokus auf Bäume und Holz zu besuchen. Dass sie während ihrem Aufenthalt die einzige Projektteilnehmerin war, hatte auch Vorteile. Sie mischte sich unter die Einheimischen, die in Ghana sehr offen, höflich und zuvorkommend sind. „Vor allem die älteren Menschen sprechen dort kaum Englisch. Die meiste Zeit habe ich mich mit Händen und Füßen verständigt. Geklappt hat das trotzdem sehr gut“, äußert sich John. So sei sie öfters zum Essen eingeladen worden, konnte eine Schule besuchen und die ghanaische Kultur hautnah erleben. Auch neue Freunde habe sie dadurch gefunden.

Tipps für junge Handwerker mit Reisewunsch

Der Aufenthalt in Ghana war für Lea John eine wertvolle Erfahrung. Seit dem Freiwilligendienst hat sie das Land vier weitere Male besucht. „Wichtig ist es, sich genügend Zeit zu nehmen, um eine gute Organisation zu finden“, betont sie. Eine offene Einstellung gegenüber Neuem sei natürlich auch notwendig. „Mit der Haltung, dass nur die „deutsche Arbeitsweise“ die Richtige ist, ist man definitiv fehl am Platz. Die Leute freuen sich immer über helfende Hände. Und ganz wichtig ist es auch, Spaß dabei zu haben!“, resümiert Lea John.

In Ghana verwirklichte Schreinerin Lea John ihren Traum, im Ausland Erfahrungen zu sammeln. Fotos: Privat
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