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Sternstunde in der Stadthalle

Sinfoniekonzert des Volkshochschulorchesters begeistert

Kirchheim. Meilenstein, nein Sternstunde! Anders mag man gar nicht beschreiben, was am vergangenen Sonntag in der Stadthalle Kirchheim

zu erleben war. Da passte alles zusammen: volles Haus, höchst informatives Programmheft – gut gestaltet auf edlem Papier, eine phänomenale Klarinettenvirtuosin, über sich selbst hinaus wachsend die Dirigentin, ein wunderbar zusammenspielendes Orchester, schließlich begeisterungsfähige Zuhörer – beim Sinfoniekonzert des Volkshochschulorchesters unter der Leitung von Sabine Bruns.

Das Programm konnte große Erwartungen wecken, oder schlimme Befürchtungen: von Haydn die Feuersbrunst-Ouvertüre, Carl Maria von Webers Klarinettenkonzert und schließlich die vierte Sinfonie von Robert Schumann.

Die Hayden-Ouvertüre als Einspielstück: riskant! Gerät sie zu beiläufig, sieht man dem weiteren Verlauf des Konzertes skeptisch entgegen. Wird sie dagegen ein Reißer, was soll dann hinterher noch begeistern? Doch nichts von alledem belastete den feurigen Anfang. Es war überhaupt keine plakative Programm-Musik, und Haydn vielleicht nur zugeschrieben, wie Gerhard Calaminus in seiner, wie immer brillanten, Einführung anmerkt. Aber ein erfrischendes Stück Musik, kurz und bündig; genau so gespielt macht es Lust auf mehr, das Klarinettenkonzert. Eine sehr gute Solistin ist in solchen Fällen schon die halbe Miete, der Komponist Weber garantiert Erfolg. Doch Solisten zu begleiten, ist für jedes Orchester samt Dirigent eine große Herausforderung, die oft genug misslingt, auch bei Berufsmusikern. Hier aber wurden selbst die heikelsten Anschlüsse souverän gemeistert. Großes Kompliment!

Was der Komponist im zweiten Satz den tiefen Bläsern jedoch zumutet, ist so hundsgemein, dass sich jeder Spieler dabei wie der „Reiter über den Bodensee“ vorkommen muss. Unsere Instrumentalisten zeigten Nervenstärke und wurden sogar von Episode zu Episode besser.

Uschi Dahlhausen bewies sich als hochrangige Klarinettenvirtuosin ohne jede Starallüren. Ihre musikalische Bühnenpräsenz indes war phänomenal. Hörbar inspirierte sie ihre Begleiter. So geriet das Klarinettenkonzert zum stürmisch umjubelten emotionalen Höhepunkt des Abends.

Sekt in der Pause – darauf konnte gerne verzichten, wer sich in das 16-seitige Programm vertiefte. Seither eher bescheiden aufgemacht, bot die Broschüre diesmal den meisterhaften Einführungen von Gerhard Calaminus endlich auch einen adäquaten Rahmen. So geschliffen, witzig und doch informative Texte findet man weit und breit nicht. Funkelnden Preziosen, Stück für Stück! Sabine Bruns, die Dirigentin, setzte noch eines drauf, als sie uns zu Beginn des Abends mit launigen Anekdoten überraschte, die sich um Haydns Erfahrung mit Bränden rankten. Wie ihr es dabei gelang, dem Thema, über das im Programmheft geschriebene hinaus, neue Seiten abzugewinnen, und dabei auch noch die anwesenden Asylbewerber zu begrüßen, das war „Brandprävention“ par excellence!

So vorbereitet konnte auch nach der Pause nichts mehr schiefgehen, wo es galt, mit Robert Schumanns vierter Sinfonie ein höchst anspruchsvolles musikalisches Feuerwerk zu zünden. Das monothematische Werk ist für Liebhaberorchester eigentlich zu schwer; selbst die meisten Profis können ihm nicht wirklich genügen. Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet an dieser Stelle beglückend zu erfahren war, wie homogen der vhs-Klangkörper inzwischen geworden ist. Einzelne Klanggruppen hervorzuheben, wäre ungerecht, denn allesamt waren sie sorgfältig aufeinander abgestimmt und boten auf der akustisch optimierten Bühne nicht etwa mühsam zusammengehaltenes Durcheinander oder eingepeitschte Disziplin, sondern lustvoll atmendes Spiel. Nicht nur die Spieler selbst kamen dabei auf ihre Kosten – was bei solchen Gelegenheiten ja schon genügen würde – sondern der Funke, nein ein ganzer Funkenregen, sprang auch diesmal wieder zum Auditorium über. Was sich der Komponist Robert Schumann ausdrücklich ersehnte, die harmonische Übereinstimmung äußerer Gegebenheiten mit innerer Gestimmtheit, war am vergangenen Sonntag in der Kirchheimer Stadthalle aufs Schönste erfüllt.

Wie soll es nun weitergehen? Dieses Konzert wird schwerlich zu übertreffen sein. Es gibt aber eine Baustelle: der gemeinsame rhythmische Wille. Meist ist es doch so, dass die Schlamper den anderen ihre Fehler aufzwingen, weil die rhythmisch begabten Spieler dem Zusammenspiel zuliebe sich den andern angleichen. Gelänge es der Dirigentin, auch auf diesem Gebiet etwas zu verbessern, dann hätte sie ihr Orchester dahin gebracht, wo es in der musikalischen Überzeugungskraft schon längst ist, an die Spitze nämlich – nicht nur in Kirchheim.