Kirchheim
Hohe musikalische Hürden übersprungen

Konzert Das VHS-Orchester begeistert mit Werken von Debussy, Strauß und Dvořák in der Stadthalle. Von Hans-Günther Driess

Der erfahrene Dirigent und Violinist Siegfried Hartauer leitet das Orches­ter der Volkshochschule Kirchheim seit fünf Jahren und hat den Klangkörper durch konsequente Probenarbeit weiterentwickelt und geformt. Dies wurde einmal mehr offenbar beim Konzert in der vollbesetzten Stadthalle Kirchheim, wo die 50 Musikerinnen und Musiker mit Werken unterschiedlicher Epochen im satten Orches­terklang des Tutti und mit fein abgestimmtem homogenem Spiel der einzelnen Klanggruppen Begeisterungsstürme auslösten.

Siegfried Hartauer ist es gelungen, einen hochkarätigen Solisten zu engagieren, der sein Orchester auf ganz besondere Weise motivierte und zu Höchstleistungen herausforderte: Jürgen Merkert vom weltberühmten Gewandhausorches­ter Leipzig gehört zur ersten Liga der deutschen Hornisten, er konzertiert regelmäßig mit den gro­ßen Dirigenten und Orchestern dieser Zeit. In einem Hornkonzert von Richard Strauß demonstriert er die vielfältigen klanglichen Facetten seines Instruments mit nicht zu überbietender Virtuosität. Schon in der eröffnenden Hornfanfare versetzt er das Auditorium durch kraftvoll strahlende blitzsaubere Töne in Erstaunen. Zum Hörgenuss werden ebenso füllig-warme Hornklänge im Mittelteil des ersten Satzes wie dumpfe angenehm wirkende in tiefster Lage. Der Schwierigkeitsgrad dieses Werks führt das Orchester an seine Grenzen. Hier sind hohe musikalische Hürden zu überspringen und man kann ahnen, dass fleißiges häusliches Üben vorausgesetzt war, ehe man in Register- und Gesamtproben zu dieser respektablen Leistung vorstoßen konnte.

Der spätromantische Orchesterklang gefällt durch weitgespannte melodische Linien und differenzierte Lautstärkeänderungen und Jürgen Merkert setzt das Ausrufezeichen im Finale des schwungvollen Rondos mit atemberaubend schnellen Tonketten.

In dem herrlichen viersätzigen Klanggemälde „Petite Suite“ von Claude Debussy verzaubern die Musikerinnen und Musiker mit exotischen Melodien und flirrenden Klangflächen. Die Komposition scheint die Freizeitvergnügungen des Pariser Lebens am Ende des 19. Jahrhunderts widerzuspiegeln, wie sie die Impressionisten in ihren Bildern festhielten – der sommerliche Ausflug, Rudern, Baden, Waldspaziergänge und Tanzen.

Claude Monet und sein Boot

Den ersten Satz „En Bateau“, im Boot, assoziiert man mit dem sanften, an Claude Monet erinnernden Wellenschlag. Nach dem schwungvoll federnden Aufzugsmarsch „Cortege“ folgt duftig-graziös ein Rokoko-Menuett, ehe das „Ballet“ für den effektvollen Abschluss sorgt.

Auch die „Steppenskizze aus Mittelasien“ von Alexander Borodin ist ein Werk der Programmmusik. In einem sehr hohen, langen und leise klingenden Ton der Violinen, der die endlose Weite der Steppe charakterisiert, erklingt das „Russische Lied“, schön intoniert von Klarinette und Horn. Anschließend ist das Getrappel von Kamelen und Pferden durch gezupfte Streicher zu hören und das Englischhorn trägt in zarter Tongebung eine eigentümliche orientalische Weise vor. In der Mitte des Stückes spielt das ganze Orchester martialisch auf, um hier den „Schutz einer Karawane durch russische Waffen“ zu symbolisieren. Herrlich musiziert wird am Ende das Entschweben in der Unendlichkeit der Wüstenlandschaft.

Mit Antonín Dvořák verbinden die Zuhörerinnen und Zuhörer melodischen Erfindungsreichtum, meist gespeist aus der böhmisch-mährischen Folklore seiner Heimat beziehungsweise aus der „Neuen Welt“, USA und New York, wo er Ende des 19. Jahrhunderts wohnte und wirkte. Typisch amerikanisches und tschechisches Kolorit versucht er einzufangen in seinem ursprünglich für Klavier komponierten Werk „Amerikanische Suite op. 98a“ aus dem Jahr 1894. Wie so oft bei Dvořák verleiht die Orchesterversion dem Werk einen neuen Atemzug. Die Mischung aus amerikanischem Einfluss und slawischer Tradition macht sich besonders im Rhythmus des dritten Satzes, der alla polacca, und in der im Fernen Osten beheimateten Melodie des letzten Satzes bemerkbar, die von Flöte und Oboe im Einklang gespielt wird. Das Orchester hat sichtbar und hörbar Wohlgefallen an der Orchestrierungskunst des großen tschechischen Komponisten mit dem Wechselspiel zwischen Streichorchester und Bläsern und den Gelegenheiten, ihre Instrumente solistisch aufblühen zu lassen.

Der Dirigent Hartauer steuert sein Schiff souverän und mit musikalischem Feingefühl, schafft organische Übergänge zwischen den Formteilen und haucht seinen Instrumentalistinnen und Instrumentalisten Dvořáks packendes Temperament ein, nicht zuletzt in den Fortissimo-Ausbrüchen in der Coda des Finalsatzes.

Der langanhaltende Applaus des Publikums wird gestillt mit der Zugabe „Ballwalzer“ von Johann Bachmann für zwei Egerländer Dudel­säcke und Orchester.