Lenninger Tal

Die Zwerge von Owen

Wer den Albsteig erwandert, abseits der Hauptausflugsziele oder zur späten beziehungsweise frühen Stunde, kann die besondere Stimmung am Albtrauf spüren: Zwischen den alten Buchen steigen Nebel hi­nauf, in Felsspalten, Mauerresten von Ruinen, hinter der nächsten Wegbiegung im Moos – sah man da nicht etwas huschen? Der Sage nach wohnten einst im Wald zwischen Owen und Beuren viele Zwerge. Häufig wird den Zwergen übermenschliche Kraft und Macht nachgesagt. Sie gelten als schlau und zauberkundig, bisweilen listig, geizig und tückisch, meist aber als hilfreich, und werden in Märchen und Sagen als bärtige Männchen mit Zipfelmütze dargestellt. So auch in der Sage der „Zwerge von Owen“: Es waren lustige Gesellen, immer zu Scherz und Schabernack bereit, und wenn man unterwegs war, konnte man erwarten, einem Zwerglein zu begegnen, das sich kichernd im Gebüsch versteckte, das mit Tannenzapfen nach einem warf oder das lustig seine Zipfelmütze schwenkte. Sie hatten allerhand Streiche im Kopf, die kleinen Burschen, aber sie halfen auch gerne. In ihrem Wald kannten sie sich aus, wussten Bescheid über die Heilkraft der Pflanzen und verstanden es, Salben und Tränklein zu bereiten, die alle Gebrechen und Krankheiten verschwinden ließen. Wenn ein Arzt nicht mehr wusste, was er tun sollte, sagte er: „Geh zu den Zwergen im Owener Wald.“ Deshalb kamen die Menschen von weither, um bei den Kleinen Hilfe zu suchen. Aber von einem Tag auf den anderen war das kleine Volk verschwunden; niemand hatte sie wegziehen sehen, von niemandem hatten sie sich verabschiedet. Hatte man sie beleidigt oder gekränkt? Es wird erzählt, dass nur ein alter Zwerg geblieben war, das „lederne Männlein“. So wurde er genannt, weil sein zerfurchtes Gesicht aussah wie altes Leder. Und vielleicht, wenn man noch heute im Wald „Juhu“ ruft, und aus der Ferne ein Echo hört, dann war das das „lederne Männle“, das Antwort gegeben hat. jr