Lenninger Tal

„Eine völlig unnötige Provokation“

Innenarbeiten in geplanter Flüchtlingsunterkunft sind trotz Ablehnung bereits angelaufen

Offenbar ohne Abstimmung mit dem Landratsamt hat der Investor begonnen, das Haus Höllochstraße 6 in Oberlenningen umzubauen. Dort sollen Flüchtlinge untergebracht werden. Im Rathaus ist man erbost über das Vorgehen.

In dem Gebäude in Oberlenningen wurde in den vergangenen Tagen kräftig gearbeitet. Gemeinderat und Verwaltung fühlen sich nach d
In dem Gebäude in Oberlenningen wurde in den vergangenen Tagen kräftig gearbeitet. Gemeinderat und Verwaltung fühlen sich nach der abgelehnten Nutzungsänderung übergangen.Foto: Jean-Luc Jacques

Lenningen. Rigipswände sind bereits eingezogen, Türen und Türrahmen angeliefert. Gut eine Woche lang wurde im Gebäude Höllochstraße 6 in Oberlenningen gearbeitet. Auch gestern Morgen gingen in dem Haus noch Handwerker ein und aus. Auch wenn, wie in diesem Gebäude, nicht alle Renovierungsarbeiten im Innern genehmigungspflichtig seien, müssten die Arbeiten solange unterbleiben, bis über eine Nutzungsänderung entschieden sei, meint Lenningens Bürgermeister Michael Schlecht auf Nachfrage des Teckboten. „Das Vorgehen des Investors stellt für mich eine völlig unnötige Provokation dar.“

Einstimmig hat der Gemeinderat vergangene Woche den Antrag auf Nutzungsänderung für das Gebäude Höllochstraße 6 in Lenningen abgelehnt. Die Basis Bau GmbH beabsichtigt, in dem Firmengebäude Wohnraum für 173 Flüchtlinge zu schaffen. Für mehr als 112 Menschen stellt die Gemeinde laut Rathauschef jedoch kein kommunales Einvernehmen in Aussicht. Zwei Tage nach der Ablehnung durch den Gemeinderat rollten die Handwerkerkolonnen an. „Wie stehen wir als Räte gegenüber der Bevölkerung da?“, fragt sich nicht nur Gemeinderat Jürgen Rau. Der Ratsbeschluss werde völlig übergangen. Wie Schlecht erklärt, hat die Gemeinde das Landratsamt bereits Ende vergangener Woche auf die Baumaßnahmen aufmerksam gemacht. Die Behörde wurde aufgefordert zu prüfen, ob sie genehmigungspflichtig sind. Gegebenenfalls müsse das Landratsamt dafür sorgen, dass die Arbeiten eingestellt werden.

„Auch wenn der Innenausbau nicht genehmigungspflichtig ist, momentan ist es nicht gut, weiterzubauen“, so der Pressesprecher des Landratsamts, Peter Keck. Restliche Lieferungen und Arbeiten zum Brandschutz seien noch erledigt worden. „Ab heute Mittag ist das Ding zu“, sagte Keck gestern. Im Übrigen sei der Umbau nicht mit dem Landratsamt abgestimmt gewesen. Gewundert habe sich die Kreisbehörde auch über den Antrag des Investors, das Gebäude mit 173 Flüchtlingen zu belegen. „Wir sind immer davon ausgegangen, dass wir in Richtung 150 kommen.“ Die Zahl habe das Landratsamt auch mit der Gemeinde kommuniziert. Keck nimmt an, dass der Investor nach der Ablehnung durch die Gemeinde einen neuen Antrag stellt, mit dem sich die Kommune wiederum zu beschäftigen hat.

Sorgenfalten treibt das Projekt auch Tanja Hummel auf die Stirn. Seit sechs Jahren betreibt sie auf 154 Quadratmetern im Erdgeschoss des Gebäudes einen Online-Handel. Der Mietvertrag läuft noch bis Mitte 2019. „Hier wurde einfach mit unseren Flächen geplant“, sagt die Geschäftsführerin verärgert. Für den Fall, dass die Firma in den Räumen bleibt, habe der Geschäftsführer der Basis Bau GmbH, Selami Gül, nicht nur eine drastische Mieterhöhung, sondern auch den Wegfall von Stellplätzen angekündigt. Zudem gebe es keine Zufahrt mehr für den Paketdienst, und er nehme sich aus jeglicher Haftung raus. „Wir finden keine vergleichbaren Räume in Lenningen“, sagt Tanja Hummel. Der Investor sei überdies nicht bereit, sich in ausreichendem Maß an Kosten zu beteiligen, die ein Umzug und eine höhere Miete anderswo mit sich brächten.

Äußerst verärgert sind auch die Anwohner des Gebäudes. Sie hatten dem Bürgermeister sowie dem Gemeinderat vor der Sitzung vergangene Woche einen von 65 Menschen unterschriebenen Protestbrief vorgelegt. „Uns geht es nicht um die Unterkunft, sondern um die Masse“, sagt eine Frau aus der Nachbarschaft, die die Unterschriftenaktion mit initiiert hatte, ihren Namen aber nicht in der Zeitung lesen möchte. 40 oder 50 Flüchtlinge wären für die Anrainer in Ordnung gewesen, aber nicht über 100. Die Nachbarn vermissen ein Mitspracherecht und fürchten, dass das Wohngebiet zum sozialen Brennpunkt wird. Nachts sei es bislang ruhig. Das werde sich ändern, so die Mutmaßung. „Warum macht man nicht den Versuch, sie auf alle Ortsteile zu verteilen?“, so lautet eine weitere Frage, die sich der Anwohnerin aufdrängt. Enttäuscht sind die Nachbarn sowohl vom Landratsamt als auch von der Gemeindeverwaltung. „Bis heute haben wir überhaupt keine Antwort bekommen“, sagt die Mitinitiatorin der Unterschriftenaktion. „Wir fühlen uns ignoriert.“ Lediglich in einem Halbsatz habe Bürgermeister Schlecht in der Sitzung vergangene Woche den Eingang der Petition erwähnt.