Weilheim und Umgebung

Da lacht nicht nur der Klingelbeutel

Mundartkünstler Gerhard Raff spült Geld in die Kasse der Ohmdener Dorfkirche

„Benefizschwätzer“ Dr. Gerhard Raff in der Ohmdener Dorfkirche. So freche Sprüche und schallendes Gelächter hat das über 300 Jah
„Benefizschwätzer“ Dr. Gerhard Raff in der Ohmdener Dorfkirche. So freche Sprüche und schallendes Gelächter hat das über 300 Jahre alte Gotteshaus vermutlich noch selten vernommen. Foto: Andrea Barner

Ohmden. Über 1 000 Euro für die Sanierung der Ohmdener Dorfkirche kann Pfarrer Andreas Taut aufs Spendenkonto überweisen. Eine nette Summe, die der Schwäbische Abend mit Mundartprogramm eingespielt hat. Im Mittelpunkt stand der Historiker und Schriftsteller Dr. Gerhard Raff mit seine G’schichtla und Anekdoten übers Schwabenland.

Als „Mund-Artist“ und Landeshistoriker stellt sich Gerhard Raff seit Jahrzehnten in den Dienst der guten Sache. Seine Auftritte landauf, landab haben mittlerweile, wie er sagt, schon Millionen an Spendengeldern eingespielt. Der 70-Jährige aus Degerloch gilt als Superstar unter den Dialektautoren. Jedenfalls hingen die rund 100 Besucher in der damit voll besetzten Ohmdener Dorfkirche wie gebannt an seinen Lippen, als er aus seinen zahllosen Büchern und Zeitungskolumnen zitierte und humorvoll kommentierte. Einige Fans des Schriftstellers konnten Texte oder Gedichtpassagen sogar aus dem Gedächtnis heraus leise mitsprechen.

Eintritt frei, hieß es bei dieser Veranstaltung – beim „Austritt“ bitte Spenden je nach Gefallen und Vermögenslage. Das Kirchle aus dem 17.  Jahrhundert muss bekanntlich saniert werden, und da ist jeder Spenden-Euro hoch willkommen. Gerhard Raff hilft da gerne mit seiner Popularität und seinem „Benefizg‘schwätz“. Sein Honorar hat er „von 0,0 Promille auf 0,0 Prozent“ erhöht, er rechnet nicht mal die Fahrtkosten ab.

Tagesaktuell nimmt er Bezug auf die „Lissi“ von England, die gerade ihren 90. Geburtstag gefeiert hat. Denn die ist ja gewissermaßen eine Prominente aus der Region – eine direkte Nachfahrin der legendären Henriette, die im Schloss zu Kirchheim residiert hat. Natürlich ging das Verwandtschaftsverhältnis über sieben Ecken, die Großmutter der Queen trug jedenfalls den Mädchennamen „Mary von Teck“. Sie hatte zwar keinen Anspruch auf das Württembergische Königshaus, „aber für England hot’s g’langt!“.

Gerhard Raff, der den Bestseller „Herr, schmeiß Hirn ra!“ geschrieben hat, gilt als exzellenter Kenner des württembergischen Adels. Er hat auch schon zahlreiche Nachschlagewerke geschrieben über Verknüpfungen, Verwandtschaftsverhältnisse und „böse Buben oder Mädchen“ in diesem Lande. Die schwäbische Mentalität kennt er in- und auswendig. So zum Beispiel die Kehrwoche, eine typisch schwäbische Marotte. Oder doch nicht? Bei Raff bekommt die Kehrwoche einen besonderen Sinn: da ist sie – und das merke sich jetzt bitte jeder Schwabe – eine „seuchenhygienische Präventionsmaßnahme nach dem ökologisch wie soziologisch sinnvollen Verursacherprinzip unter strikter Anwendung des basisdemokratischen Rotationsverfahrens“.

Die Ohmdener hörten es wahrscheinlich gern: Der Schwabe an sich ist ein guter Mensch. Gerhard Raff ganz besonders, denn er benefizt nicht nur, er lässt seine Mundartbände und sonstige Bücher auch in Behindertenwerkstätten drucken, er spendet Verkaufserlöse an wohltätige Einrichtungen und kümmert sich um Pilger. So ist aus Spendengeldern zum Beispiel eine Vorzeige-Herberge am Jakobsweg entstanden – der „Rolls Royce unter den Herbergen“, in der schwäbische Pilger eine Nacht lang kostenlos übernachten können. Ed so oifach allerdings, denn der Schwabe muss sich über das Aufsagen eines schwäbischen Gedichts qualifizieren oder das Singen eines ebensolchen Liedes.

Das Publikum in der Ohmdener Dorfkirche nahm all dies mit Wohlwollen zur Kenntnis, freute sich über einen unterhaltsamen schwäbischen Abend und zeigte sich auch außerschwäbisch textsicher. Gerhard Raff wünschte sich zum guten Schluss des Abends nicht nur reichlichen Spendenfluss, sondern auch ein gemeinsames Lied, nämlich „Guter Mond, du gehst so stille“ von Matthias Claudius. Alle vier Strophen. Lief bei nahezu allen Besuchern, auswendig. Irgendwie schon erstaunlich, diese Schwaben, gell?