Lokale Kultur

Betrogene Betrüger vor der Kirchenpforte

Die Jesinger Freilichtspiele setzten mit dem heiteren Bibeldrama „Jakob“ ein eindrucksvolles Glanzlicht

Freilichttheater "Jakob" auf den Stufen der ev. Petruskirche Jesingen zugunsten der Flutopfer in Sachsen-Anhalt
Freilichttheater "Jakob" auf den Stufen der ev. Petruskirche Jesingen zugunsten der Flutopfer in Sachsen-Anhalt

Kirchheim. Der Aufwand war enorm, die überbordende Spielfreude der Schauspieltruppe überzeugte genauso wie die Inszenierung, die Kostüme und die Musik. Nicht enden wollender Applaus war der

Wolf-Dieter Truppat

Dank des Publikums, dessen Rückmeldungen die Spieler immer wieder beflügelte – und dann war da ja auch noch „Punk-Rocker“ Heino . . .

Nach der begeistert gefeierten Freilichttreppen-Theaterpremiere vor der Jesinger Kirche im Mai vergangenen Jahres war der Erwartungsdruck hoch. Auch wenn sich die Truppe um Pfarrer Roland Conzelmann mit dem heiteren Bibeldrama „Jakob“ erneut keine leichte Aufgabe gestellt hatte, wurde die sehr hoch aufgelegte Messlatte locker übersprungen.

Mit vielen Vertretern des öffentlichen Jesinger Lebens auf der Bühne und dem Rest im voll ausgebuchten Publikumsrund – wo auch viele interessierte Besucher „von außerhalb“ begrüßt werden konnten – feierte eine Gemeinde sich und die sie wieder etwas näher zusammenführende neue Stadtmitte mit dem neuen „Theaterforum“ auf dem sich öffnenden Zugang zur Kirche.

Dass es erneut gelungen ist, mit einem alttestamentarischen Stoff für Belehrung und gute Unterhaltung zu sorgen, die nie in reinen Klamauk abdriftete, sondern immer den Respekt vor dem Original wahrte, war Pfarrer Conzelmanns Text zu verdanken, der tatsächlich so etwas wie lyrisch schwäbelnde „Weltliteratur“ in die Provinz brachte. Die Freude, die der Seelsorger bei seiner nicht immer allzu ernsthaften Neudichtung hatte, blitzte immer wieder durch, und die mit aktuellen Anspielungen munter aufgemöbelten Dialoge sorgten trotz manch gewagter „Zwangs-Reime“ oft für Gelächter und Szenenapplaus.

Nicht literarisch-biblische Schwere und Ernsthaftigkeit waren das Ziel der schwungvollen Inszenierung. Angenommen wurde die große Herausforderung, nicht nur gut zu unterhalten und möglichst viel erbauliches Vergnügen zu bereiten sondern zugleich auch zum Nachdenken über die sich in dem Bibeldrama „Jakob“ immer wieder auftuenden menschlichen Abgründe anzuregen.

Da ist etwa die durch einen feigen Verrat stark belastete Ehe von Isaak (Roland Ludwig) und Rebekka (Beate Brösamlen), die ungleiche Behandlung ihrer beiden unterschiedlichen Söhne Jakob (Andreas Schulz) und Esau (Karlheinz Keppeler), die nach einem frevelhaften Betrugsversuch mit dem Ziel, sich das Erbe widerrechtlich zu erschleichen, die ganze Familie auseinandersprengen. Nicht zuletzt lernt aber auch der betrogene Betrüger, wie bitter es ist, getäuscht zu werden, denn statt der sieben Jahre geduldig umworbenen und mit harter Arbeit „verdienten“ Rahel (Regine Pieck) bekommt Jakob deren bislang unbemannte Punk-Schwester Lea (Carola Bernauer) zur Frau.

Auf dem Höhepunkt tragischer Verwicklungen und hinterhältiger Irrungen und Wirrungen wurde allerdings auch ein ganz besonders gelungener parodistischer Glanzpunkt gesetzt. Roland Conzelmann wirbelte plötzlich wie der echte „neue“ Heino mit Brille und Perücke über die Bühne und entrüstete sich in bester Ärzte-Tradition stimmgewaltig darüber, wie „das Mädchen“ Lea „wieder aussieht“ und „warum sie nichts gelernt hat . . .“

Als geschickt durch die Handlung führender Sprecher schaffte er es aber auch nach Heinos befreiendem humoristischen Paukenschlag, die Aufmerksamkeit auf die vielen in diesem alttestamentarischen Text aufgezeigten Konflikte und Probleme zu lenken, die keineswegs überwunden, sondern auch heute noch immer Wirklichkeit und unverändert ausgelebte menschliche Eigenschaften sind. „Keiner von uns ist von Eifersucht frei! Wir betrügen und täuschen – jeden Tag neu. Und doch hält Gott zu uns – trotz aller Schuld.“

Als der Vorhang fällt, sind keine Fragen mehr offen. Alles ist verziehen und der sehr wirkungsvoll in Szene gesetzte Kampf mit Gott gewonnen. Dass die „aufdringliche“ Hausiererin (Katharina Heinle) noch immer penetrant versucht, ihre Wundermittel an dem Mann zu bringen, „stört“ niemand mehr.

Zum gelungenen Happy End passte ganz besonders gut der bedeutungsvolle Musikabspann. Nachdem auf dem von Natalia Katsnelson nuanciert ausgebreiteten „Stairway to Heaven“ der Freilicht-Treppenspiele endlich Friede eingekehrt war und Glaube, Liebe und Vergebung gesiegt hatten, konnten die über 500 begeisterten Besucher dieses Ereignisses auf dem zentralen Platz des von der Lindach durchtrennten „Klein-Venedig“ noch gemeinsam singen: „Über sieben Brücken musst du gehn . . .“

Freilichttheater "Jakob" auf den Stufen der ev. Petruskirche Jesingen zugunsten der Flutopfer in Sachsen-Anhalt
Freilichttheater "Jakob" auf den Stufen der ev. Petruskirche Jesingen zugunsten der Flutopfer in Sachsen-Anhalt