Junge Zeitung

Kandidaten auf Freundesuche

Wie bewegen sich die Bundestagskandidaten aus dem Wahlkreis im Internet und in den sozialen Netzwerken?

Barack Obama hat es vorgemacht: Mit über 33 Millionen Facebook-Freunden entschied er den teuersten US-Präsidentschaftswahlkampf der Geschichte für sich. Auch Bundestagskandidaten aus dem Wahlkreis Nürtingen setzen soziale Netzwerke für ihre Zwecke ein.

Bei Twitter geht es nicht immer nur um harte politische Fakten. Foto: pl
Bei Twitter geht es nicht immer nur um harte politische Fakten. Foto: pl

Kreis Esslingen. Im Wahlkreis Nürtingen hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Rainer Arnold die größte Fangemeinde. Mit 4 965 Freunden auf Facebook und 1 057 Followern bei Twitter ist er für den Wahlkampf im Netz bestens gewappnet. An zweiter Stelle steht der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich. Er nutzt nur Facebook, hat dort aber immerhin 1 028 Freunde. Die Kandidaten Matthias Gastel (Grüne) und Jan Lüdtke-Reißmann (Piraten) sind ungefähr gleichauf. Während Gastel eher auf Facebook setzt und dort 524 Freunde verbuchen kann, vertraut Lüdtke-Reißmann auf Twitter und hat dort 405 Follower. Renata Alt von der FDP ist bisher noch gar nicht in den sozialen Netzwerken.

Bei welcher Plattform sehen die Kandidaten die größten Erfolgschancen? Verfolgen sie eine speziell auf die sozialen Netzwerke zugeschnittene Wahlkampfstrategie? Glauben sie, auf diesem Weg neue, parteiungebundene Wähler für sich gewinnen zu können?

Michael Hennrich nutzt Facebook bereits seit fast vier Jahren. Im Wahlkampf werde er es aber nur begrenzt einsetzen, sagt er. „In Facebook gibt es eine solche Informationsschwemme und ich weiß, dass viele meiner Freunde nicht aus dem Wahlkreis sind – da wäre die Streuung einfach zu groß. Darum nutze ich Facebook nicht, um politische Inhalte zu transportieren, sondern eher, um gezielt User oder Gruppen anzusprechen“, sagt er. Von Twitter, Blogs und anderen Plattformen hält Hennrich wenig.

Matthias Gastel verhält sich im Netz ähnlich. Er sieht auch klare Vorteile für Facebook: „Für mich hat sich die Plattform bewährt. Ich lese, schicke und kommentiere viel und stoße Diskussionen an. Über Facebook kann ich die Pluralität der Gesellschaft hautnah miterleben und auch jüngere Wähler erreichen“. Auf seiner Homepage greift er auch komplexere Themen auf, die von den Nutzern rege kommentiert werden. Gastel ist davon überzeugt, über die sozialen Netzwerke auch parteiungebundene Wähler anzusprechen und so seinen Bekanntheitsgrad steigern zu können.

Rainer Arnold will im Wahlkampf online tätig sein. Er habe auch schon eine Strategie für seine Online-Kampagne im Kopf, will aber noch nichts verraten. „Ich bin eigentlich täglich aktiv und poste oft noch nachts, wenn ich nach Hause komme. Von meinen knapp 5 000 Freunden sind immerhin 1 400 aus dem Wahlkreis. Wenn ich über Facebook zu Veranstaltungen einlade, erscheinen auch recht viele über diesen Weg.“ Hin und wieder schreiben auch seine Mitarbeiter im Internet – der Impuls gehe jedoch immer von ihm aus. Um auf beiden Plattformen gleichermaßen präsent sein zu können, sind Twitter und Facebook automatisch verknüpft. Dennoch sieht Rainer Arnold bei Facebook einen klaren Vorteil: „Die Möglichkeiten der Kommunikation sind einfach viel größer“.

Renata Alt nutzt überhaupt kein soziales Medium. „Ich persönlich bin aus Datenschutz-Gründen nicht begeistert von den Plattformen.“ Zusammen mit ihrem Wahlkampf-Team werde sie entscheiden, ob dieser Schritt notwendig sei oder nicht. Sie hat jedoch kein dringendes Bedürfnis und sieht sich dadurch auch nicht im Nachteil. „Tagsüber muss ich meinen Lebensunterhalt verdienen und abends kümmere ich mich um die Politik. So auch mein gesamtes Wahlkampf-Team. Wir nutzen unsere Freizeit für die Beantwortung von E-Mails und das Führen von Interviews – da muss man dann auch Prioritäten setzen. Facebook und Twitter sind sehr zeitaufwendig, und diese Zeit würde ich lieber nutzen, um Fragen von Wählern zu beantworten.“ Hätte sie ein Bundestagsmandat, würde die Sache anders aussehen. Da habe man dann auch Angestellte, die den Internetauftritt pflegen können.

Jan Lüdtke-Reißmann von den Piraten wird im Wahlkampf auf Google+, dem Esslinger Piraten Facebook-Account, dem Esslinger Twitter-Account der Partei, der Esslinger Piraten-Homepage, auf Abgeordnetenwatch.de und seinem persönlichen Twitter-Account präsent sein. „Wichtig ist, dass diese Medien keine Einbahnstraße sind, sondern wirklich zur Kommunikation genutzt werden“, sagt der Bundestagskandidat der Piraten. Eine spezielle Online-Kampagne hält auch Lüdtke-Reißmann nicht für notwendig. Wichtig sei nur, mit den Wählern zu kommunizieren und präsent zu sein.