Lokale Kultur

Kraftvoller, farbiger Jazz

Das Quartett „Red Planet“ begeisterte das Publikum im Kirchheimer Club Bastion

Kirchheim. Da hatte der Kirchheimer Club Bastion nicht zu viel versprochen: Es war ein durch und durch kraftvoller, wunderbar farbiger Jazz, den das Ensemble „Red

Florian Stegmaier

Planet“ bei seinem Gastspiel in der Teckstadt dem Publikum kredenzte.

Die pralle Vitalität dieses jungen Quartetts aus der Gegend von Genf speiste sich nicht zuletzt aus seinem künstlerisch durchdrungenen Blick auf die große Vergangenheit des Modern Jazz. Hörbar infiziert von Spielarten des modalen Jazz, kreisten Manuel Gesseney (Altsaxophon), Mathieu Rossignelly (Klavier), Francois Gallix (Kontrabass) und Nicolas Serret (Schlagzeug) insbesondere dasjenige Idiom ein, das von keinem geringeren als John Coltrane Mitte der 1960er Jahre auf dessen legendären Alben „A Love Supreme“ und „Sun Ship“ als damaliges musikalisches Neuland erschlossen wurde.

Obwohl Red Planet nicht mit Zitaten und Anspielungen auf ihre erklärten Vorbilder geizten, ließen solch klingende Reverenzen den künstlerischen Ansatz des Schweizer Vierers keineswegs in anachronistische Abgründe stürzen. Eine hochinspirierte, auf technischer Meisterschaft fußende Spielfreude und intelligente Arrangements in Verbund mit feinsinniger Ensemblekultur standen der Gefahr nostalgischer Verklärung oder musealer Statik wirkungsvoll entgegen.

So scharf umrissen sich der Rekurs auf die gewichtige Tradition gab, so leichtfüßig und authentisch wirkte die Gangart dieses hochkarätigen Quartetts, das bereits mit dem Großen Preis des Montreux-Jazz-Festivals geadelt wurde und seinen jüngsten Tonträger „L´Impatience“ im ehrwürdigen Studio von Pianist Thierry Lang einspielen durfte.

Bereits die als Opener gewählte „Petite Ballade“ gab die Marschrichtung unmissverständlich vor. Nur seinem Titel nach bescheiden, vollzog das groß angelegte Stück rasch den Wandel von lyrisch-schwerblütigen Gefilden in die Regionen einer energetisch durchspannten, synkopisch pulsierenden Improvisation, die an ihrer Oberfläche durch Gesseneys Saxopohonkaskaden und Rossignellys rhythmisch vertrackter Tastenarbeit kunstvoll ziseliert, im Hintergrund von einem gewaltigen, stetig changierenden Swing von Bass und Schlagzeug unterfüttert wurde.

Qualitäten und Potenziale, die Red Planet im Laufe des Abends facettenreich ausloten sollten. Wenn auch heutigen Hörern sich die subversive Kraft, die politisch motivierte Aussage des großen musikalischen Aufbruchs der 60er-Jahre nicht mehr unmittelbar mitteilen und bestenfalls an ein kollektives Geschichtsbewusstsein appellieren mag, so bleibt doch der frische, von kreativer Neugier getriebene Griff zu schätzen, mit dem Red Planet es gelang, aus dieser Zeit der klanglichen Suche und permanenten Grenzerweiterung in origineller und eigenständiger Weise zu schöpfen. Ein bemerkenswertes Konzert auf der Schwelle von Tradition und Innovation, das ein zu Recht begeistertes Publikum hinterließ.