Kirchheim. Jugendliche müssen ihre Grenzen erforschen. Das ist keine einfache Sache, schon gar nicht beim heiklen Thema Alkohol. Doch hier hat das Statistische Landesamt gute Nachrichten: Die Zahl der Alkoholvergiftungen, die in den Krankenhäusern des Landes behandelt wurden, ist um 7,4 Prozent gesunken. Spitzenreiter sind die Kliniken im Kreis Esslingen mit einem Rückgang von 17,5 Prozent.
Jungen schauen offenbar häufiger zu tief ins Glas als Mädchen. 77 junge Männer landeten mit Vollrausch in einer Klinik im Kreis Esslingen – immerhin 21,4 Prozent weniger als im Vorjahr. Bei den Mädchen beträgt der Rückgang nur 11,3 Prozent: 55 junge Frauen wachten alkoholisiert im Krankenhaus auf.
Baden-Württemberg liegt mit dem starken Rückgang deutlich über dem bundesweiten Schnitt von 3,8 Prozent, erzählt Markus Neumeier von der IKK classic. Nur Bayern hat eine ähnliche Quote von minus 6 Prozent. Dabei ist zu beachten, dass der Rückgang lediglich auf der Zahl der in Krankenhäusern behandelten Jugendlichen beruht, die auch ihren Wohnsitz im Kreis haben. Diese Zahlen sagen nichts über den Alkoholkonsum an sich aus.
Ein Grund für weniger Krankenhausbehandlungen könnte das nächtliche Verkaufsverbot von Alkohol sein. Seit März 2010 dürfen in Baden-Württemberg zwischen 22 und 5 Uhr keine alkoholischen Getränke mehr verkauft werden. Diplom-Sozialpädagogin Christiane Heinze von der Jugend- und Drogenberatung in Kirchheim glaubt zudem, dass Beratungs- und Präventionsangebote in den Zahlen ihre Wirkung zeigen. Seit 2006 gibt es unter vielen anderen das Präventionsprojekt „HaLT – Hart am Limit“. Jugendliche, die zu viel Alkohol getrunken haben, werden direkt im Krankenhaus angesprochen, ob sie bei dem Projekt mitmachen wollen. Danach gibt es Gruppen, in denen über das eigene Verhalten nachgedacht wird.
„Es gehört zum Erwachsenwerden dazu, Grenzen zu testen“, sagt Christiane Heinze. Aber: „In der Regel war es für die Jugendlichen nicht das Ziel des Abends, die Nacht im Krankenhaus zu verbringen“. Viele junge Leute seien im Nachhinein erschrocken über die Wirkung von Schnaps und Co. oder schämten sich für ihr Verhalten, erzählt die Sozialpädagogin. „Wenn die Jugendlichen im Krankenhaus landen, ist das oft eine Situation zwischen Leben und Tod. Das muss man in dem Alter nicht unbedingt erlebt haben.“ Die Jüngsten sind zwischen zwölf und 13 Jahren alt. Auch der gleichzeitige Konsum von Alkohol und anderen Drogen nehme zu, berichtet Christiane Heinze.
Es gibt zahlreiche Angebote für Jugendliche und Eltern: Aufklärungskampagnen in Schulen, Schülermultiplikatoren-Seminare, Programme zur Alkohol-Frühintervention (ALF) und zur Prävention alkoholbedingter Jugendgewalt (PAJ). „Trotz der generell positiven Entwicklung darf man nicht vergessen, dass das nur die Spitze des Eisbergs ist“, sagt Bettina Uhrmann von der IKK classic. „Bei Weitem nicht alle Kinder und Jugendlichen mit einem Vollrausch landen auch im Krankenhaus.“ Die Dunkelziffer ist vermutlich sehr hoch.