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Gegenwehr und Hilferufe trieben den Täter in die Flucht

Schöffengericht verhängt knapp drei Jahre Freiheitsstrafe gegen einen 36-Jährigen wegen versuchter sexueller Nötigung

Ein 36-Jähriger ist gestern im Kirchheimer Amtsgericht zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt worden. Er hatte sich wegen versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu verantworten. In einer schriftlichen Erklärung hat er sämtliche Vorwürfe eingeräumt.

Andreas Volz

Kirchheim. Nur ihrer heftigen Gegenwehr und ihren Hilferufen hat es eine junge Frau zu verdanken, dass ihr nicht etwas noch Schlimmeres widerfahren ist, als der 36-Jährige versucht hatte, sie in der Nähe des Kirchheimer Bahnhofs zu vergewaltigen. Sie war am 24. Juli gegen 2.30 Uhr auf dem Nachhauseweg. Nach einer gemeinsamen Feier hatte sich die 17-Jährige am Bahnhof von ihren Freundinnen verabschiedet und ihren Weg alleine fortgesetzt.

Der 36-Jährige war ihr schon aufgefallen, als er am Bahnhof auf einer Bank saß. Er kam ihr nicht ganz geheuer vor – erst recht nicht, als er ihr in Richtung Schöllkopstraße folgte. Sie beschleunigte ihre Schritte und versuchte, die Straßenseite zu wechseln. Außerdem sprach sie in ihr Mobiltelefon, um deutlich zu machen, dass sie eben doch nicht ganz allein und ohne Anbindung an andere Menschen unterwegs ist. Das alles sollte ihr aber nichts nützen, denn auf der Verkehrsinsel unterhalb der Steingaubrücke holte sie der Mann ein. Er bekam sie zu fassen und zerrte sie 15 bis 20 Meter über die Straße und an ein Gebüsch.

Die 17-Jährige wehrte sich, indem sie um sich schlug, den Angreifer kratze und laut um Hilfe rief. Als sie am Boden lag und der Mann sich bereits über ihr befand, biss sie ihn in den Arm, sodass er eine blutende Wunde davontrug. Noch wirkungsvoller waren allerdings ihre lauten Schreie nach Hilfe, denn dadurch konnte sie Anwohner alarmieren, die umgehend reagierten.

Als Zeuge sagte einer der Anwohner aus, er habe zunächst an Ruhestörer gedacht und deswegen erst einmal laut zum Fenster hinausgebrüllt. Als er die Schreckensschreie der jungen Frau genauer hörte, sei er sofort aus dem Haus geeilt, um ihr zu helfen. „Von den Hilferufen habe ich Gänsehaut bekommen“, sagte er und fügte hinzu, wie die 17-Jährige auf ihn wirkte, als dann endlich alles vorbei war: „Das Mädchen kam mir vor, als hätte sie um ihr Leben gekämpft.“ Seine Frau, die inzwischen die Polizei informiert hatte, kam auch nach draußen, und in deren Armen habe sich die sichtlich schockierte 17-Jährige schließlich ausgeweint.

Der Angeklagte war zu diesem Zeitpunkt bereits geflüchtet, ohne dass er von einem der Zeugen eingeholt werden konnte. Die Polizei ermittelte also gegen Unbekannt, und als wichtigstes Indiz diente dabei die Brille, die der Täter durch das Gerangel verloren und deshalb am Tatort zurückgelassen hatte.

Hilfreich war für die Ermittlungen die Tatsache, dass der 36-Jährige im September von einer Bekannten angezeigt wurde, die er in einer Wohnung bedrängt hatte: Dem ermittelnden Polizeibeamten fiel dabei die Brille des Tatverdächtigen auf. Er ließ die Sehstärke dieser neuen Brille mit der Sehstärke der sichergestellten alten Brille vergleichen und fand schließlich auch den Optiker, der die neue Brille verkauft hatte – und zwar am 24. Juli, also direkt am Tag nach der Tatnacht. Abgleiche verschiedener DNA-Spuren, die der Angeklagte nicht nur an der Brille hinterlassen hatte, überführten ihn schließlich.

Vor Gericht ließ er nun seinen Verteidiger eine Erklärung vorlesen, in der er die Tat vom 24. Juli einräumt. Außerdem bezeichnete er das Geschehen in dieser Erklärung als „großen Fehler“, der ihm leid tue. Auch in seinem letzten Wort vor der Urteilsfindung sagte er: „Ich habe einen großen Fehler gemacht, und es ist richtig, dass ich dafür büßen muss.“

Von Richterin Franziska Hermle-Buchele nach einem Motiv befragt, verwies der 36-Jährige auf seine „Einsamkeit“ und sein Bedürfnis nach Gesellschaft. Erst im März 2013 war er wieder mal nach Deutschland gekommen, um dort Arbeit zu finden. Den Großteil seines Lebens hat er in Italien verbracht, er hatte aber auch schon einige Jahre in den USA und in Belgien gelebt. Auch in Deutschland und Österreich hatte er schon saisonal bedingt gearbeitet. Mehr als 20 Jahre lang sei er drogenabhängig gewesen und habe in dieser Zeit „alles“ konsumiert, was es an Drogen nur gibt. Am Abend vor der Tat habe er getrunken – Bier und Kräuterlikör.

Was ihm das Schöffengericht in Kirchheim positiv anrechnete, war sein Geständnis. So war der jungen Frau eine Aussage vor Gericht erspart geblieben. Aber auch ohne erneute Aussage sei das Opfer nach wie vor stark traumatisiert, sagte deren Anwältin gestern im Gerichtssaal. Auch die Entschuldigung des Angeklagten könne weder die Tat noch die Folgen ungeschehen machen.

Dass das Schöffengericht mit zwei Jahren und elf Monaten weit über der Mindeststrafe von einem Jahr lag, begründete die Richterin in Anlehnung an den Antrag der Staatsanwaltschaft: Von der versuchten sexuellen Nötigung habe der Angeklagte nur wegen der heftigen Gegenwehr und wegen der hinzueilenden Anwohner abgesehen. Er habe massiv Gewalt angewandt und dabei eben auch eine vorsätzliche Körperverletzung begangen. Hinzu kommt die Tat, wegen der er später angezeigt worden war. Er war dafür zwar schon zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Aber für die gestrige Gesamtstrafe war das trotzdem noch zu berücksichtigen. Eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ist angesichts der Höhe der Strafe nicht möglich.