Weilheim und Umgebung

Trecker tuckern von der Teck zum Brandenburger Tor

Abenteuer Landwirt Mathias Münsinger aus Holzmaden ist mit seinem Schlepper nach Berlin gefahren, um an der Kundgebung teilzunehmen. Dort hat er mit vielen gegen die Agrarpolitik demonstriert. Von Thomas Krytzner

Auf dem Parkplatz des Flugplatzes Hahnweide versammelten sich 250 Traktoren, um danach in Gruppen nach Uhingen weiter zu fahren.
Auf dem Parkplatz des Flugplatzes Hahnweide versammelten sich 250 Traktoren, um danach in Gruppen nach Uhingen weiter zu fahren. Endziel ist Berlin. Fotos: Thomas Krytzner
Sie wollen in Berlin Bambule machen: Rund 250 Traktoren trafen sich auf der Kirchheimer Hahnweide zur Sternfahrt nach Uhingen. V
Sie wollen in Berlin Bambule machen: Rund 250 Traktoren trafen sich auf der Kirchheimer Hahnweide zur Sternfahrt nach Uhingen. Von dort aus fahren einige mit ihrem Schlepper nach Berlin zur Kundgebung.

Als die Verantwortlichen der Initiative „Land schafft Verbindung“ (LsV) zur Großkundgebung am Brandenburger Tor in Berlin aufriefen, war für den Holzmadener Landwirt Mathias Münsinger klar: „Da fahre ich mit.“ Die Initiative entstand in Norddeutschland. Über eine WhatsApp-Gruppe wurde die Aktion bekannt.

Auf der Hahnweide in Kirchheim trafen sich rund 300 Bauern mit über 250 Traktoren, um an einer ersten Kundgebung in Uhingen teilzunehmen und danach nach Berlin zu fahren. „Die Etappenziele waren Schwäbisch Hall und Ravenstein bei Bad Mergentheim. Dort trafen wir und rund 1000 andere Landwirte mit ihren Schleppern gegen 22 Uhr ein.“

Landwirte der Region kämpfen für mehr Respekt. Aus diesem Grund versammelten sich am Sonntag über 250 Traktoren auf der Kirchhei
Landwirte der Region kämpfen für mehr Respekt. Aus diesem Grund versammelten sich am Sonntag über 250 Traktoren auf der Kirchheimer Hahnweide, um dann zur Sternfahrt nach Uhingen und Berlin aufzubrechen. Foto: Thomas Krytzner

Ein längerer Halt in Giebelstadt brachte etwas Erholung für die geschundenen Rücken und Hinterteile. „Rund drei Stunden Schlaf blieben uns, und um vier Uhr in der Früh ging es dann weiter durch Würzburg nach Arnstadt in Thüringen.“ Dort kamen weitere Landwirte aus dem Bundesgebiet dazu, und das Abenteuer „Traktoren auf der Autobahn“ konnte starten. „Mit Polizeibegleitung fuhren wir über zwölf Stunden auf den Autobahnen 71, A  4 und A  9 bis Belitz.“ Ein dort ansässiger Spargelbauer hatte eine große Kaserne zur Verfügung gestellt, damit die Landwirte auf ihrem Weg nach Berlin Rast einlegen konnten. Erneut kam der Schlaf zu kurz, erinnert sich Mathias Münsinger. „Wir kamen um Mitternacht in Belitz an, und um fünf Uhr morgens ließen die Landwirte die Traktoren warmlaufen und weckten alle anderen mit ihren Hupen, denn für sechs Uhr war die gemeinsame Abfahrt nach Berlin geplant.“ Die letzte Etappe hatte es in sich. „Viel Verkehr und einige Staus sorgten dafür, dass wir für die letzten 100 Kilometer über sieben Stunden brauchten. So kamen wir erst gegen halb zwei beim Brandenburger Tor an.“

Andrea Münsinger (links) und Mathias Münsinger kämpfen darum, dass Landwirte in der Politik und in der Bevölkerung gehört werden
Andrea Münsinger (links) und Mathias Münsinger kämpfen darum, dass Landwirte in der Politik und in der Bevölkerung gehört werden. Foto: Thomas Krytzner

In der Hauptstadt angekommen, waren die Eindrücke jedoch imposant. „Vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule war alles voller Berufskollegen und Traktoren“, schildert Mathias Münsinger. Mehrheitlich jüngere Landwirte hätten den Weg nach Berlin auf sich genommen, berichtet der Holzmadener. „Allerdings war auch ein 69-Jähriger aus unserem Landkreis bei der Reise dabei.“ Jung und Alt hielten zusammen. „Ich war positiv überrascht über die große Anzahl der Teilnehmer“, freut sich der Landwirt.Die Veranstalter meldeten über 8000 Traktoren.

In verschiedenen Ansprachen schilderten Bauern aus dem gesamten Bundesgebiet ihre Sorgen und Nöte. Dabei stellte sich heraus, dass die neue Düngeverordnung, das Insektensterben und der Wolf die Landwirte direkt tangieren. So warfen die Bauern der Politik vor, dass beispielsweise die Anforderungen beim Schutz gegen Wölfe künstlich hochgeschraubt wurden, dass Landwirte im Schadensfall kaum eine Chance sehen, Ersatzansprüche an Bund und Länder zu stellen.

Viele Landwirte sind auch sauer über den Preisverfall bei den Hofprodukten. „Wir kriegen für 100 Kilo Mehl gerade mal rund 16  Euro. Auch beim Rindfleisch verdienen wir kaum noch was“, klagt Mathias Münsinger. Subventionen durch den Staat gibt es dabei nur für die Grund- und Ackerpflege. Dazu kommt die immer mehr ausufernde Bürokratie. „Wir müssen bald jeden Schritt fein säuberlich dokumentieren. Es wird immer mehr zum Knochenjob an sieben Tagen in der Woche.“

Dennoch trat Mathias Münsinger die Heimreise mit guten Gefühlen an. „Während unserer Fahrten standen viele Leute an den Straßenrändern oder auf Autobahnbrücken und applaudierten uns.“ Sein Fazit von der Reise nach Berlin: „Die Politik ist aufgewacht und nahm uns in Berlin wahr. Jetzt kommen erste Gespräche mit ihnen zustande.“ Mit Augenzwinkern stellte er fest: „Die zwei Tage lang anhaltenden Schmerzen am Hintern haben sich gelohnt.“

Die Landwirte lehnen sich aber nach diesem Teilerfolg nicht zurück, sondern halten den Druck auf die Politik aufrecht. „Morgen gibt es eine weitere große Kundgebung in Memmingen, und am 7.  Dezember entzünden Landwirte, wie hier in der Region zum Beispiel Markus Bauer in Filderstadt-Sielmingen, bundesweit Mahnfeuer.“

Trotz allen Unannehmlichkeiten ist Mathias Münsinger Feuer und Flamme für seinen Beruf. „Ich bin den ganzen Tag an der frischen Luft, und die Geburt eines Tieres liefert die Bestätigung, dass ich alles richtig mache. Man darf sich nur nicht unterkriegen lassen“, sagt er.

Das fordert „Land schafft Verbindung“ von der Politik

Das Agrarpaket soll unter objektiver Abwägung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten abgeändert werden.

Die Düngeverordnung muss sach- und fachgerecht überarbeitet werden.

Die permanente negative Stimmungsmache durch Gesellschaft und Politik sollen unterlassen werden.

Die Landesregierung soll sich für eine einheitliche europäische Agrargesetzgebung einsetzen. Nachteile für Deutschland müssen verhindert werden.

Importware von außerhalb Europas muss deutlich gekennzeichnet werden, insbesondere die Tierhaltungsverfahren und die allgemeinen Produktionsbedingungen.

Bei zukünftigen Freihandelsabkommen sollen die Landwirte ein Mitspracherecht haben.

Die Landesregierung soll den Abbau der Bürokratie nicht nur predigen, sondern umsetzen.

Bundeseinheitliche Standards sollen bei Veterinär- und Bauwesen eingeführt werden.

Bewirtschaftete Flächen unter 10 Ar sollen ab dem Jahr 2020 in der Förderung berücksichtigt werden. Diese verdienen die doppelte Fördersumme.

Die Politik soll von Gesetzen und Verordnungen abkehren, die in der verlangten Zeit nicht umsetzbar sind. kry