Lokale Kultur

Draht, Ideen und PapierInfo

Im Lenninger Schlössle sind rund 70 Kunstwerke von Barbara Wünsche-Kehle zu sehen

Kunstwerke aus Papier von Barbara Wünsche-Kehle sind im Oberlenninger Schlössle zu sehen. Foto: Peter Dietrich
Kunstwerke aus Papier von Barbara Wünsche-Kehle sind im Oberlenninger Schlössle zu sehen. Foto: Peter Dietrich

Lenningen. Verständnis für den künstlerischen Umgang mit dem Material Papier wecken – das will das Museum für Papier- und Buchkunst im Lenninger Schlössle. Dabei

Peter Dietrich

möchte es Grenzbereiche nicht aussparen, wagt mutig Experimente. Das gilt auch für die beiden Ausstellungen, die aktuell im Schlössle zu sehen sind.

Aus Draht eine Figur biegen, dann den Draht mit gekleistertem Papier umlegen? Ganz so einfach ist es nicht, das täuscht gewaltig. Da sind zum einen die sieben verschiedenen Stärken von Draht, die Barbara Wünsche-Kehle verwendet. Da ist die Tatsache, dass Papier nicht nur manchmal geduldig, sondern auch störrisch ist. Dann muss die Künstlerin mit anderen Klebstoffen nachhelfen. Drei bis fünf Lagen Papier verwendet sie, legt Lage für Lage mit dem Pinsel um den Draht. Bemalt wird das Papier teils vorher, teils nach dem Umkleben. Mit sehr verschiedenen Farben: Tusche, Acryl, Grafit. Am liebsten ist Barbara Wünsche-Kehle die Tusche, die sie von ganz fein bis flächig verarbeiten kann. Damit arbeitet sie nach dem Falten des Papiers die Kanten nach, lässt die Tusche zerfließen.

Um ihre rund 70 Kunstwerke für die beiden Ausstellungen von Reutlingen ins Schlössle zu bringen, musste die Künstlerin mehrmals fahren. Sind doch ihre Werke aus Draht und Papier allesamt dreidimensional, reichen von der Kleinplastik bis zur raumfüllenden Installation. An den großen Werken hat sie über viele Wochen gearbeitet. Zum kreativen Prozess gehören auch längere Pausen. „Wenn man mittendrin ist, fehlt einem die nötige Distanz“, sagt die Künstlerin. Der Eindruck muss sich erst setzen, das Werk ihr Wohlgefallen finden. Oder auch nicht. „Ganz verwerfen – mache ich eigentlich nie“, sagt Wünsche-Kehle. Lieber verwandelt sie das bisher Geschaffene.

Manche Ideen kommen der Künstlerin im Schlaf, manchmal zeichnet sie Träume auf. Gearbeitet wird täglich viele Stunden, auch am Wochenende und im Urlaub. „Anfangs war das schwierig“, gibt sie zu. Wenn die Mama ihr Skizzenbuch schon auf dem Frühstückstisch liegen hatte, fand das die Familie nicht so toll. Heute sind die Zwillinge erwachsen und haben beide kreative Berufe ergriffen.

„Dieses Zimmer musste ich machen“, sagt Wünsche-Kehle zu ihrer Rauminstallation „Bleibe, Zuflucht, Asyl“, die neben der Ausstellung „alles in allem“ im Schlössle zu sehen ist. In der Rauminstallation hat sie die Flüchtlingsvergangenheit ihrer Eltern verarbeitet. Für die Künstlerin ist klar, was sie auf der Flucht auf jeden Fall mitnehmen möchte – es sind ihre Skizzenbücher. Deshalb besteht ihr „Koffer“, so der Name des Kunstwerks, aus drei schwebenden Büchern. Sie sind am Rand der Rauminstallation zu finden und wirken nicht, als ob sie lange dort bleiben wollten. „Die müssen gehen, wie fliehende Tiere“, sagt die Künstlerin.

Bei der Vernissage lobte Ev Dörsam, Leiterin der Gemeindebücherei, Barbara Wünsche-Kehle als vielseitige Künstlerin, die sowohl zeichnerisch und malerisch, als auch mit Draht und Papier arbeite. Manches lasse sie alleine stehen, anderes setzte sie in eine spannungsgeladene Wechselwirkung. Stephan Wünsche, der Bruder der Künstlerin, gab eine Einführung in die Rauminstallation. „Zu den Arbeiten meiner Schwester sage ich normalerweise gar nichts“, sagte er, doch diesmal wich er davon ab. Passend zur Installation hatte er ein Gedicht von Hilde Domin, „Nur eine Rose als Stütze“, gefunden. Er sprach von der Muttersprache, die in der Fremde zum Vaterland wird, vom Schreiben, das sich auf der Flucht zur „Alternative zum Suizid“ entwickelt.

Die Werke von Barbara Wünsche-Kehle stehen alle zum Verkauf. Dies sei aber, so die Künstlerin, nicht ihr Hauptanliegen. Jedes Werk ist so gestaltet, dass es für sich alleine steht.

Die Ausstellung „alles in allem“ ist bis 5. Oktober in den Räumen der Gemeindebücherei im ersten Stock im Schlössle zu sehen. Die Bücherei ist dienstags von 11 bis 18 Uhr, mittwochs von 15 bis 18 Uhr, donnerstags von 15 bis 19.30 Uhr, freitags von 14 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 12 Uhr geöffnet. Die Rauminstallation „Bleibe, Zuflucht, Asyl“ wird bis 2. März 2014 im Museum für Papier- und Buchkunst im zweiten Stock gezeigt. Das Museum ist samstags von 10 bis 12 Uhr und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Wer beide Ausstellungen gleichzeitig ansehen möchte, kann das also samstags von 10 bis 12 Uhr. Das ist auch am Sonntag, den 29. September von 14 bis 17 Uhr möglich, dann ist zudem die Künstlerin vor Ort.