Lenninger Tal
Teils aus Pappe, doch nicht von Pappe

Kunst Bertl Zagst zeigt seine Installation „schwebung“ und Arbeiten „aus dem Bestand“ von 1993 bis heute. Es ist die erste Auststellung im Lenninger Schlössle nach einer zweijährigen Corona-Pause. Von Gabriele Böhm

Das ist rekordverdächtig. Schon am 10. März 2020 baute Bertl Zagst seine Installation „schwebung“ im Obergeschoss des Schlössle auf. Erst jetzt, nach über zwei Jahren, wird sie gezeigt. Die Pandemie hatte auch die Ausstellungen im Museum für Papier- und Buchkunst lahmgelegt. Umso mehr freute sich Martin Wünsche, Vorsitzender des Förderkreises Schlössle am Freitag, den Künstler und seine zahlreichen Gäste begrüßen zu können.

„Papierkunst bietet fast grenzenlose Gestaltungsmöglichkeiten“, sagte Bibliothekarin Ev Dörsam in der Eröffnungsrede. Im Museum wolle man eine neue Sicht auf ein uraltes Material vermitteln. Das sei dem Künstler gelungen. Zagst, geboren in Kirchheim, studierte an der Kunstakademie und Universität Stuttgart und arbeitete mehrere Jahre als Lehrer in Kairo. Auf Studienreisen bildeten der Orient, die Levante und der Maghreb zunächst seine Schwerpunkte. Über zehn Jahre war Zagst mit unterschiedlichen sozialen Gruppen in einem künstlerischen NGO-Projekt tätig. Seine Werke sind in zahlreichen Ausstellungen der Region sowie im öffentlichen Raum zu sehen. Spektakulär ist beispielsweise die Plastik „wreck“ im Esslinger Rossneckar, die Flüchtlingsboote thematisiert.

Bei der Installation „schwebung“ im Schlössle entstanden direkt vor Ort aus ineinandergesteckten ovalen Pappformen füllige, doch leichte Konglomerate, die sich beim kleinsten Luftzug bewegen und Schatten an die Wände werfen. Als Ausgleich für die lange Wartezeit, so Dörsam, sei das Objekt bis zum Jahresende zu sehen.

Im zweiten Teil der Ausstellung, „aus dem Bestand“, zeigt der Künstler Werke aus den Jahren 1993 bis heute. In spannenden Skizzenbüchern hielt er in Zeichnungen und Notizen Reiseeindrücke fest. Skizzen von Figuren und Objekten setzte er zuhause in Terracotta-Plastiken um.

In „Digitalen Mischungen“ verbindet Zagst die Zeichnungen des Kirchheimers Max Eyth mit eigenen Fotografien. Am Computer entstehen digitale Überlagerungen, durch die beispielsweise eine in Alexandria entstandene Zeichnung Eyths aus einem Taxi heraus betrachtet wird. In der Finissage am 24. Juni wird es unter anderem ein Gespräch über Max Eyth geben. Auch mit Eduard Mörike setzte sich Zagst auseinander. Er illustrierte seine oft schwermütigen Texte und schuf einen Einband aus Blei.

Granatapfelkerne spielten eine Rolle bei der Serie der Stofftaschentücher. Spielerisch darauf gedrückt, trat der Saft aus und schuf Strukturen, aus denen Zagst Formen entwickelte, die an Wesen in der Tiefsee oder Ungeheuer erinnern. Andere Taschentücher wurden gefaltet und gebügelt. Rechtecke entstanden, die farbig gestaltet und beschriftet wurden. Eine intuitive Schrift, die nicht lesbar ist, doch den Betrachter zum Näherkommen und Analysieren inspirieren soll.

Doch auch mit aktuellen Problematiken setzte sich der Künstler auseinander. „Corona Letters“, geschaffen aus zusammengeklebten Briefkuverts, die gebügelt und deren Falten mit schwarzem Graphitstift hervorgehoben wurden, stehen für distanzierte Kommunikation in der Pandemie.

Die jüngsten Werke schließlich tragen die bezeichnenden Titel „trauma“ und „drohung“ und zeigen Objekte aus Natodraht, Verbandsmull oder Metallschrott, der an Schrapnellmunition erinnern soll.

Fakten zur Ausstellung

Die Ausstellung „aus dem bestand“ ist bis zum 25. Juni dieses Jahres in der Bücherei zu sehen. Öffnungszeiten sind Dienstag von 11 bis 18 Uhr, Mittwoch von 15 bis 18 Uhr, Donnerstag von 15 bis 19.30 Uhr, Freitag von 14 bis 18 Uhr und Samstag von 10 bis 12 Uhr.

Die Installation „schwebung“ ist bis zum 30. Dezember im Museum ausgestellt. Die Öffnungszeiten sind Samstag von 10 bis 12 Uhr und Sonntag von 14 bis 17 Uhr. gb