Mit einer Tüte auf dem Kopf sitzt die Frau auf einer Bank. In das Papier sind Sehschlitze geschnitten. Sie wartet auf das, was nicht kommt. „Self-isolating“ heißt die Zeichnung von Debbie Lee. In zarten Strichen erfasst die englische Künstlerin das Gefühl der Einsamkeit, das die Menschen in der Corona-Pandemie ergreift. Das Bild ist Teil der Ausstellung „Masquerade“, die der Künstler Joao Braun im Oberlenninger Schlössle kuratiert hat. Mit einem Stipendium des baden-württembergischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst hat der deutsch-portugiesische Maler und Musiker Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt zu der Gruppenschau eingeladen, die bis 8. Januar zu sehen ist.
In den Räumen des Schlössles ist auch die Bücherei der Gemeinde Lenningen untergebracht. Die 53 Werke, die mit der Post geschickt wurden, sind zwischen den Bücherregalen und in Glasvitrinen zu sehen. „Mit unserem Abstands- und Hygienekonzept lässt sich so der Ausstellungsbesuch auch jetzt möglich machen“, sagt die Bibliothekarin Ev Dörsam. Die Gemeinde hat das Schlössle aufwendig restauriert. Dort ist auch das Museum für Papier- und Buchkunst untergebracht.
Wie kam Joao Braun auf die Idee, eine Ausstellung mit Kunstschaffenden aus sechs Kontinenten zu organisieren? „Durch die Pandemie sind die Möglichkeiten, zu reisen, begrenzt“, sagt der Lenninger, der in Portugal und in Deutschland aufgewachsen ist. Über die sozialen Medien hat der Absolvent der Freien Kunstakademie Nürtingen einen Aufruf gestartet, um sich mit Kolleginnen und Kollegen in aller Welt zu vernetzen. Das Stipendium des Landes Baden-Württemberg hat das ungewöhnliche Projekt ermöglicht. „Etliche Bilder mussten wir noch rahmen“, berichtet der Kurator von den Arbeiten. Auch der Transport mit der Post habe bei manchen Arbeiten Spuren hinterlassen. Die ließen sich nach Brauns Worten aber ausbessern. Ziel der Ausstellung ist es, die internationale Kunstszene zu stärken. „Gerade die Kunstschaffenden, die weniger etabliert sind, leiden besonders unter der Pandemie.“ Die Arbeiten, die jetzt im Schlössle zu sehen sind, werden auch verkauft.
Distanz und Einsamkeit in Zeiten der Pandemie sind Thema in vielen der Arbeiten. „Masquerade bal“ heißt das Werk von „cmonteszugadi“ – das ist ein Instagram-Name. Menschen in festlichen Kleidern gehen durch einen Einkaufsmarkt. Sie tragen medizinische Masken. Darunter ist die Bewegung ihrer Münder zu sehen. So erwachen die starren Gesichter zum Leben. In Zeiten, da die menschliche Kommunikation immer weiter zurückgedrängt wird, wirken die Avatare von Joao Braun kalt und fremd. Leere Augen starren die Betrachter aus der Vitrine im Schlössle an. Es sind Aliens, denen die Menschlichkeit abhanden gekommen ist.
Viele der Arbeiten sind radikal farbenfroh, ausdrucksstark und dynamisch. Er habe nach Künstlerinnen und Künstlern gesucht, „die zu meinem Stil passen“, sagt Kurator Joao Braun. Die meisten Arbeiten in der Schau stammen von ihm. Die Ausstellung ist zu den Öffnungszeiten der Bücherei zu sehen. „Auf eine Vernissage mussten wir leider verzichten“, sagt Ev Dörsam, die das Ausstellungsprogramm in ihrer Bibliothek mit viel Liebe betreut.
Denkmalpflegerischer Glücksfall
Historisches Das Schlössle in Oberlenningen steht hoch über der Lauter auf einer Anhöhe. Es wird als „denkmalpflegerischer Glücksfall“ bezeichnet. Es wurde in den Jahren 1593 bis 1596 von den Herren Schilling von Cannstatt erbaut und stellt einen charakteristischen Ortsadelssitz des späten Mittelalters dar.
Denkmalpflege „Eine denkmalpflegerische Rarität“ ist das Gebäude, weil der Bau nach der Fertigstellung nie grundlegend umgebaut oder verjüngt wurde. Deshalb ist viel vom ursprünglichen Bauwerk erhalten. Zielsetzung bei der Renovierung war, das Gebäude möglichst unberührt zu sichern.
Die Ausstellung „Masquerade“ ist im Oberlenninger Schlössle bis 8. Januar zu den Öffnungszeiten der Bücherei zu sehen. Infos: www.lenningen.de. eli