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Was Frauen dürfen - und Männer nicht

Verhandlung Ein 72-Jähriger fühlt sich diskriminiert, weil Herren keinen Anspruch auf eine eigene Sauna haben.

Esslingen. Michael Fabry hatte die Herrensauna im Merkel’schen Schwimmbad in Esslingen immer gerne genutzt. Nachdem die Wellnesslandschaft komplett umgebaut worden war, hatten die Stadtwerke Esslingen (SWE) als Betreiberin 2005 jedoch einen viermonatigen Testlauf gestartet, der dem exklusiven Angebot für Männer zwei Mal in der Woche wegen zu geringer Nachfrage das Aus bescherte. Das jedenfalls hat Jörg Neuhaus, seit April 2019 Geschäftsführer der SWE, am Montag bei der Verhandlung im Esslinger Amtsgericht noch einmal unterstrichen. Doch der 72-jährige Fabry, der seinen Namen jetzt gerne genannt haben möchte, weil sich der eine oder andere alte Saunafreund noch an die guten alten Zeiten erinnern könnte, will nicht mehr länger die Wege von Esslingen zur wöchentlichen Herrensauna im Nürtinger Hallenbad in Kauf nehmen: Er sieht sich aufgrund seines Geschlechts diskriminiert - schließlich gibt es außer der gemischten Sauna nach wie vor mehrmals in der Woche ein exklusives Angebot für die Damen in der Wellnesslandschaft über den Dächern Esslingens. Weshalb er von den SWE jetzt einfordert, auch den Herren an zwei Tagen in der Woche jeweils für sieben Stunden das Schwitzen unter sich zu ermöglichen.

Die Richterin räumte freimütig ein, dass sie sich mit dem Fall sehr schwer tue. Eine Ungleichbehandlung sei unbestritten vorhanden. Aber eine Diskriminierung? Leider gebe es zu dieser Thematik keine oberinstanzliche Rechtssprechung. In der Bundestagsdrucksache 16/1780 heiße es, dass eine Unterscheidung zwischen den Geschlechtern zulässig sei, wenn es dafür sachliche Gründe gebe. Zu solchen Fällen zählt die Drucksache auch gesonderte Öffnungszeiten in Schwimmbädern. Bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes fand die Richterin zum einen die Aussage, dass getrennte Öffnungszeiten in solchen Einrichtungen machbar seien. In der Veröffentlichung „Rat und Tat“ gehen die Verfasser aber explizit davon aus, dass die Männer keinen Anspruch auf einen Herrensaunatag haben - auch wenn es einen Damensaunatag gibt. Sie argumentieren mit dem besonderen Schutzbedürfnis der Intimsphäre von Frauen und sehen sie in größerer Gefahr, darin verletzt zu werden, als es bei Männern der Fall sei. Weshalb die unterschiedliche Behandlung von Männlein und Weiblein sogar sozial erwünscht sei. „Ich kann nicht erkennen, warum die Intimsphäre von Frauen schützenswerter sein soll als die Intimsphäre von Männern“, meinte indessen Kläger Fabry.

Die Richterin selbst räumte ein, dass ihr für die Bewertung des unterschiedlichen Gefährdungspotenzials die Statistik fehle, aber „sie könnte gerechtfertigt sein“. Die Frage sei auch, ob man einem Unternehmen einen wirtschaftlichen Ermessensspielraum zugestehen müsse. Fabry: „Das hieße dann aber doch, dass die Gewinnmaximierung höher als das Gleichheitsprinzip bewertet würde.“ Die Richterin hakte bei den Stadtwerken nach, ob die Probephase für die Männersauna damals beworben worden sei, was Neuhaus bejahte. Die Ergebnisse - die SWE sprechen von einer doppelt so hohen Nachfrage bei den Frauen als bei den Männern - seien jedenfalls nicht an jedem Tag so deutlich wie von den Beklagten argumentativ ins Feld geführt, so ihr Blick auf die Auswertung.

Am 22. Juli wird das Urteil verkündet. Egal wie es ausfällt: Die Richterin wird auf jeden Fall eine Berufung zulassen. Sie würde es begrüßen, wenn eine höhere Instanz diese Thematik einmal grundsätzlich klären würde. Was bei den Stadtwerken für wenig Begeisterung gesorgt hat.Claudia Bitzer