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„Die Ideologie hinter dem Rassismus“

Gerechtigkeit Emilia Roig stellt in Kirchheim ihren Bestseller „Why We Matter: das Ende der Unterdrückung“ vor. Darin thematisiert sie vielfältige Formen und Muster von Diskriminierung in der Gesellschaft. Von Silja Kopp

Rassismus kennt sie schon aus der eigenen Familie: Die Politikwissenschaftlerin Emilia Roig wuchs in der Nähe von Paris auf. Sie ist die Tochter eines jüdisch-algerischen Vaters und einer aus Martinique stammenden Mutter. Aufgrund ihrer dunklen Hautfarbe wurde sie schon früh mit dem tief verwurzelten Rassismus ihres Großvaters konfrontiert. 

Heute lebt die Politikwissenschaftlerin in Berlin und hat dieses Jahr ihr erstes Buch „Why We Matter: Das Ende der Unterdrückung“ herausgebracht. Darin beschäftigt sie sich mit der Unterdrückung von Minderheiten und der Frage nach mehr sozialer Gerechtigkeit in der Gesellschaft. 

 

Die Unterdrückung von Minderheiten zu beenden, ist eine Win-win-Situation für die Gesellschaft.“
Emilia Roig

 

„Man kann nicht neutral auf die Welt gucken“, sagt Emilia Roig. Damit meint sie, dass jeder Mensch eine unterschiedliche Perspektive auf die Gesellschaft hat, geprägt von der eigenen Herkunft und vielen weiteren Faktoren. Typische Geschlechterrollen sowie die Unterlegenheit von schwarzen Menschen nennt sie ein gesellschaftliches Konstrukt. Und das fängt in vielen Fällen schon sehr früh an: Dabei erzählt Emilia Roig von einem Beispiel von zwei Kindern und einer Erzieherin im Kindergarten. Das eine Kind sagt zu seinem Gegenüber „Du bist schwarz“. Daraufhin die Erzieherin: „So etwas sagt man nicht“. „Die Erzieherin hat es gut gemeint, doch sie hätte den Kindern viel eher klar machen müssen, dass es ganz normal ist, unterschiedliche Hautfarben zu haben. Sie hat den Kindern indirekt beigebracht, dass es etwas Negatives ist, schwarz zu sein. Und genau das ist ein Konstrukt unserer Gesellschaft“, erklärt Emilia Roig. Sie fügt hinzu: „Hätte ein Kind blaue Augen gehabt, wäre es keine negative Aussage gewesen, darauf hinzuweisen. Nicht alle Unterschiede von Menschen sind problematisch, nur die, die in eine Hierarchie eingebettet sind.“ 

Auch wenn es vielen Menschen im Alltag nicht auffällt, ist Diskriminierung immer noch fest in der Gesellschaft verankert. Auch das Denken in typischen Kategorien von Mann und Frau tragen dazu bei. „Mein Sohn wurde früher beim Fußballspielen ausgeschlossen, weil er lange Haare hatte, und deshalb komisch sei“, erzählt Emilia Roig. Viele Eigenschaften werden zum Teil schon auf das Baby im Bauch projiziert. „Es ist okay, dass Männer und Frauen nicht gleich sind, denn das sind sie nicht. Trotz allem sind typische Geschlechterrollen meist gesellschaftlich ausgedacht“, sagt Emilia Roig dazu. Dass dieses Denken sich in den vergangenen Jahrzehnten in Teilen auch gewandelt hat, ist kein Geheimnis mehr. Dennoch sei es in vielen Köpfen noch verankert und das mache Männern zum Teil Druck und halte Frauen klein. Die Arbeit im Haushalt sowie das Großziehen der Kinder werde immer noch als eine weniger gute Arbeit angesehen. 

Emilia Roig fordert auf, sich für seine Rechte einzusetzen, dabei stoße man oft erst einmal auf Widerstand.   „Viele Menschen mit dem Privileg, nicht von Diskriminierung und Rassismus betroffen zu sein, halten so sehr fest an ihrer Machtposition, weil sie Angst haben, sonst keinen Platz mehr in der Gesellschaft zu finden“, meint sie. Dabei sei das Ende der Unterdrückung von Minderheiten oder Frauen kein Nullsummenspiel, vielmehr sieht die Autorin es als Win-win-Situation an.

Die Autorin kritisiert zudem das Schulsystem. „Wir lernen in der Schule gar nicht, welche Ideologie hinter Rassismus steckt“, sagt sie. Ihr ist auch klar, dass Bewegungen gegen Rassismus wie „Black Lives Matter“ oft nur von kurzer Dauer sind und schnell wieder vergessen werden. Zudem machen mächtige Unternehmen meist nur aus wirtschaftlichen Motiven mit: „Viele Unternehmen schmücken sich zum Beispiel mit der Regenbogenflagge, aber wenn es darum geht, eine transsexuelle Person einzustellen, ist das plötzlich eine andere Sache. Es geht ihnen eben nur um den Profit. Wenn es sich wirtschaftlich negativ auswirken würde, Minderheiten zu fördern, würden sie das auch nicht mehr tun“, erzählt sie. Ein gesellschaftliches Umdenken und die Akzeptanz gegenüber Minderheiten brauche eben Zeit. In den vergangenen Jahrzehnten habe sich dennoch Vieles schon zum positiven gewendet: „Ich sehe einen großen Fortschritt in unserer Gesellschaft, was den Kampf gegen Unterdrückung und Rassismus angeht“, sagt Emilia Roig zum Abschluss ihrer Lesung.