Lokale Kultur

„Wer nicht loslässt, bleibt gefangen“

Theatergruppe „Wilde Schwestern“ begeistert beim Abschlussabend der Frauenkulturtage

Kirchheim. Begeisterter Applaus und Gejohle – das war die Belohnung für die interkulturelle Frauentheatergruppe „Wilde Schwestern“ am Samstagabend in der Alleenschule. Zum Abschluss der achten Frauenkulturwoche zeigten die elf Freizeitschauspielerinnen ihr neues Stück „End-Bindung“. Es ging um Mütter-Töchter-Beziehungen und damit konnten sich die rund 150 Zuschauerinnen nebst einigen Männern offenbar gut identifizieren. Kein Wunder, zumindest Tochter ist ja jede.

Unter der Leitung von Theaterpädagogin Katja Schuler hatte die Truppe das Stück entwickelt. Vier Mutter-Tochter-Paare besuchen ein Mutter-Tochter-Seminar. Unter der Leitung der Seminarleiterinnen Frauke Zwingmann-Schleifer, herrlich herrisch von Beate Jocham dargestellt, und Selma Esmer, lieb von Bingül Savas verkörpert, sollen die vier Paare mittels verschiedener Übungen entdecken, was bei ihnen schief läuft.

Dabei kommt natürlich vieles zum Vorschein, was bis dahin gut verdeckt wurde. Die einstige Hippiefrau Hermine Schmid, die auf Meditation und Räucherstäbchen steht, sieht gar kein Problem, wenn ihre Tochter Anne beklagt, die Mutter habe sich zu wenig um sie gekümmert. „Dafür bis du doch selbstständig geworden“, meint die Mutter, deren Ichbezogenheit Gabrielle Schuler gut rüberbringt. Den Egoismus hat sie erfolgreich weitergegeben, auch die Tochter, schön zickig durch Myrjam Hihn verkörpert, muss erst lernen, der Mutter zuzuhören.

Schwer hat es auch Aylin, konzent­riert konsequent von Merve Aydogdu dargestellt, mit Mutter Zenep Caner, die Saime Schwabe differenziert einfühlsam präsentiert. Aylin lehnt nicht nur den mütterlichen Plan ab, Medizin zu studieren, sie will auch noch ausziehen. Das kann Mama kaum verkraften. „Was bin ich denn noch ohne dich?“, fragt sie weinend. Aber Aylin setzt sich durch – was nicht nur von den türkischstämmigen Frauen im Publikum kräftig beklatscht wird.Dass die Journalistin Frieda Schwarz, fies bis sanft von Katrin Hörcher verkörpert, ihrer Tochter Lilly, der stets freundlichen Leyla Vasirova, ständig vorwirft, zu früh ein Kind bekommen zu haben, stellt sich als Projektion heraus: Auch die Mutter war noch sehr jung, als sie mit Lilly schwanger wurde und glaubt, damit einen Teil ihrer Jugend verschwendet zu haben.

Schließlich sind da noch die autoritäre Brigitte Meissner, eine übermächtig agierende Jutta Beck, und Tochter Laura Ashley, passend pubertär von Steffi Gentschow dargestellt, die partout nicht einsehen will, dass ihre Mutter stets nur das Beste für sie will, wenn sie sie anbrüllt und ihr Vorschriften macht. Einfühlsame Hilfe gibt stets die Frau, die eigentlich nur für die Getränkeversorgung zuständig ist. Sevda Sayin (Nurije Aydogdu) kann mit Gleichnissen, Streicheln, Singen, Mütter und Töchter zur Einsicht bringen. Denn: „Wer nicht loslässt, bleibt gefangen.“

Wie unterdrückte Konflikte aufbrechen, wird mit viel Komik aber auch stillen Momenten erzählt. Die elf Frauen spielen mit sichtbarem Vergnügen und natürlich wird am Ende alles gut. Töchter: „Mütter sind auf dieser Welt unersetzlich.“ Mütter: „Töchter sind unser bestes Stück und wir wollen nur euer Glück.“ Töchter: „Lasst uns endlich los.“

Das alles unter einen Hut zu bekommen, mag nicht immer einfach sein, aber es geht, ohne sich gegenseitig zu verletzen, so das Fazit. Die Mutter-Tochter-Beziehung – sie prägt eben ein Leben lang, mit all ihrer Liebe und mit all ihren Konflikten.

Am Ende des rund einstündigen Stückes wird auch noch klar, warum ausgerechnet die Getränkefrau Sevda so professionell helfen konnte: „Ich habe in der Türkei Psychologie studiert und acht Jahre in dem Beruf gearbeitet. In Deutschland stehe ich jetzt hinter dem Tresen.“

Abgerundet wurde der Abend, den wie stets die Frauenliste Kirchheim organisiert hat, mit Wein, Bier, Saft und Musik der Frauenband „Lady Groove“, zu der auch getanzt werden durfte.