Kirchheim
Hausaufgaben: „Ohne Übung geht es nicht“

Schule Hausaufgaben sind umstritten, denn für manche Familien bedeuten sie Stress und Überforderung. An Ganztageschulen erledigen die Kinder einen Großteil der Übungen in der Schule. Von Heike Siegemund

Für manche Kinder und Familien ist es eine Herausforderung: Die Schule ist aus – dann stehen noch Hausaufgaben auf dem Programm. Da bleibt häufig nur noch wenig Zeit für Hobbys oder um Freunde zu treffen. Stress, Tränen, Überforderung sind mancherorts die Folge. Sind vor diesem Hintergrund Hausaufgaben noch zeitgemäß?

 

Ich rate den Eltern, mit den Lehrkräften zu sprechen und eine Lösung suchen.
Thorsten Bröckel
Der Leiter der Alleenschule ermutigt Mütter und Väter, bei Problemen individuelle Regelungen zu bekommen.

 

„Ich sehe Hausaufgaben als tägliche Übungszeit und als notwendig an“, betont Thorsten Bröckel, Leiter der Alleenschule sowie geschäftsführender Schulleiter der Grund-, Haupt- und Realschulen in Kirchheim. Dass Übung erforderlich sei, wisse man auch aus anderen Bereichen, zum Beispiel beim Erlernen eines Musikinstruments. Vielleicht sei der Begriff Hausaufgaben antiquiert, räumt Bröckel ein. Doch die Übungszeit gehöre schlichtweg dazu.

In Ganztagesschulen werde ein Großteil der Übungen in der Schule erledigt, sodass zuhause keine klassischen Hausaufgaben mehr zu machen seien. „Das hat seine Vorteile“, betont Bröckel und spielt damit auch auf das Thema soziale Spaltung an: Kinder, die zuhause von ihren Eltern unterstützt werden, haben es einfacher als Schülerinnen und Schüler, die in ihren Familien keine oder nur wenig Hilfe erhalten. Die häusliche Situation und die Bedingungen im Elternhaus spielen freilich eine große Rolle, verdeutlicht Bröckel.

Das Alter beachten

Generell sei es wichtig, darauf zu achten, dass die Übungszeit der Altersstufe angemessen ist. Dafür gebe es Richtlinien. So sollen zum Beispiel bei Erstklässlern die Hausaufgaben nicht länger als 20 bis 30 Minuten am Tag dauern; bei Viertklässlern ist es maximal eine Stunde. „Wenn die Kinder zeitlich überfordert werden, kann das zuhause zu Streit führen“, konstatiert Bröckel. „Das tut den Kindern nicht gut. Ich rate dann den Eltern, mit den Lehrkräften ins Gespräch zu gehen und eine individuelle Lösung zu suchen.“

Dass es an Halbtagsschulen nicht ohne Hausaufgaben geht, sehen auch Nicole Schuler, Stefanie Rau und Claudia Gerlach-Reck vom Vorstand des Gesamtelternbeirats der Kirchheimer Schulen so. „Meine Tochter sagt auch, dass Hausaufgaben und das Wiederholen des Stoffs notwendig sind – um die Inhalte zu vertiefen und als Vorbereitung auf Klausuren“, berichtet Claudia Gerlach-Reck, deren Tochter das Ludwig-Uhland-Gymnasium besucht. Dies gelte sicherlich nicht für alle Fächer. „Es gibt Fächer, da machen Hausaufgaben nur eingeschränkt Sinn.“ Claudia Gerlach-Reck nennt hier als Beispiel Kunst und Religion, „ohne diese Fächer abwerten zu wollen“.

Wichtig sei aber, dass die vorgegeben Zeiten für Hausaufgaben nicht überschritten werden, fügt Stefanie Rau hinzu. Dies sei jedoch nicht immer der Fall, hat sie beobachtet. Die Lehrerinnen und Lehrer sollten sich untereinander abstimmen, damit das Pensum an Hausaufgaben über die Woche verteilt konstant sei, ergänzt Claudia Gerlach-Reck.

 

Es wurde leichter und entspannter für die ganze Familie.
Nicole Schuler
Mutter von Kindern, die eine Ganztagesschule besuchen

 

Sie hält es für übertrieben, dass Hausaufgaben zu Druck in den Familien führen. Aber es entstehe auf jeden Fall ein Aufwand. „Tränen wegen Hausaufgaben habe ich zuhause nie erlebt“, berichtet sie. Nicole Schuler indes erinnert sich an die Grundschulzeit ihrer Kinder zurück, in der die Hausaufgaben oft zu viel gewesen seien. Dies habe zu Stress und Überforderung geführt. „In der Gemeinschaftsschule haben wir dieses Problem, zumindest bis zur siebten Klasse, nicht mehr. Die Kinder kommen heim, sind fertig und haben Zeit für Hobbys. Das ist für die Familie mega-entspannt“, erzählt Nicole Schuler, deren Tochter und Sohn die Raunerschule besuchen. „Der Unterschied von der vierten Klasse zur Ganztagesschule war krass, was die Hausaufgaben anbelangte. Es wurde leichter und entspannter für die ganze Familie.“

Generell seien ihre Kinder es gewohnt, selbständig zu arbeiten, ergänzt Nicole Schuler. „So richtige Hausaufgaben kennen wir gar nicht mehr.“ Und sie heißen an Ganztagesschulen im Übrigen auch anders: „Es ist Schulzeit mit Wiederholung“. Ab der achten Klasse müssten die Kinder dann zuhause noch ein bisschen nacharbeiten; „aber das ist im Verhältnis weniger. Das meiste machen sie in der Schule – und das ist für die Familien gut.“

Stefanie Rau, deren Töchter das Ludwig-Uhland-Gymnasium besuchen, betont auch, dass in Hausaufgaben nicht neuer Stoff bearbeitet werden dürfe. Denn dann könnten Kinder benachteiligt sein, die keine Unterstützung zuhause bekommen, fügt Claudia Gerlach-Reck hinzu. „Das wurde beim Homeschooling extrem deutlich“, erinnert sich Nicole Schuler an die Corona-Pandemie zurück.

„Um Hausaufgaben werden wir nicht herum kommen“, bilanziert Claudia Gerlach-Reck – zumindest an Halbtagsschulen. „Es braucht eine Lernvertiefung in irgendeiner Form – ganz ohne geht es nicht.“

Anderes Unterrichtsmodell

Thorsten Bröckel verweist darauf, dass es auch andere Unterrichtsmodelle gebe, zum Beispiel das Konzept „Flipped Classroom“, also das „umgedrehte Klassenzimmer“: Dabei holen sich die Kinder „den Input zuhause über Lernvideos“, erklärt Bröckel. „In der Schule haben sie dann die Möglichkeit zu üben“. Die Grundgedanke dabei sei, dass die Kinder in der Übungsphase von den Lehrkräften unterstützt werden können. „Ich sehe das aber ein Stück weit kritisch“. Denn nicht alle Kinder könnten sich Inhalte selbständig zuhause aneignen. „Dafür brauchen wir die Schule.“

 

Tipps der Schülerhilfe Kirchheim

Ein Zeitfenster mit seinem Kind zu vereinbaren, in dem die Hausaufgaben gemacht werden ist wichtig. Als Eltern sollte man dann Zeit haben, sein Kind bei Bedarf zu unterstützen. Dabei soll man nicht daneben sitzen, aber ansprechbar sein.

Die Basis ist eine geeignete Arbeitsumgebung. Das bedeutet: ein ruhiger und gut beleuchteter Arbeitsplatz, an dem sich das Kind gut konzentrieren kann. Es sollte kein Fernsehgerät laufen; auch das Handy sollte nicht auf dem Tisch liegen.

Hilfreich ist, mit motivierenden, leichten Aufgaben zu beginnen. Abwechslung macht die Hausaufgaben einfacher. Nach den Englisch-Vokabeln können zum Beispiel zunächst die Mathehausaufgaben erledigt werden, bevor es mit den Französisch-Vokabeln weitergeht.

Manche Kinder fühlen sich bei den Hausaufgaben zeitlich überfordert. Eltern sollten helfen, den Lernstoff zu portionieren und ihn in kleine, überschaubare Lerneinheiten einzuteilen.

Ein Hausaufgabenplan an einer Pinnwand kann helfen, den Gesamtüberblick zu bewahren. hei