Modellversuch: AOK will weitere Pflegeheime im Kreis einbinden
Ärztliche Versorgung in Heimen verbessern

Der Modellversuch „Integrierte Versorgung Pflegeheim“ (IVP), der für eine bessere ärztliche Versorgung von Heimbewohnern führen soll, läuft so gut, dass die AOK Neckar-Fils zügig weitere Heime im Landkreis Esslingen einbinden will.

Kreis Esslingen. Bisher waren in das Pilotprojekt Stuttgarter Einrichtungen und die beiden städtischen Pflegeheime Obertor und Berkheim einbezogen. „Wir warten die Bewertung des Versuchs nicht ab, sondern verlassen uns auf die positiven Aussagen von Hausärzten und Pflegeheim-Verantwortlichen“, sagt AOK-Chef Dieter Kress.

„Nicht alle haben hurra geschrien. Nur die engagiertesten Ärzte machen mit“, sagt Thilo Naujoks. Der Betriebsleiter der Städtischen Pflegeheime Esslingen ist froh über jene fünf promovierten Mediziner, die die hausärztliche Versorgung der Pflegeheimbewohner im Obertor und in Berkheim garantieren. Denn diese sind immer älter. Häufig leiden sie an chronischen, vielfach an mehreren Krankheiten. Deshalb benötigen sie eine leistungs- und kostenintensive medizinische Betreuung. Doch dafür Haus- und Fachärzte zu finden, falls der von früher gewohnte Hausarzt nicht ins Pflegeheim kommt, wird immer schwieriger. Zumal sie dafür von der Kassenärztlichen Vereinigung pro Quartal und Patient nur rund 40  Euro vergütet bekommen – egal, wie häufig die Arztbesuche stattfinden.

Deshalb hatten sich Naujoks und Kress immer wieder um eine Lösung bemüht. Vor gut einem Jahr verpflichteten sich dann in einem Modellversuch die AOK Baden-Württemberg, die Ärzteverbände und die beteiligten Pflegeheime, die medizinische und pflegerische Versorgung der (bei der AOK versicherten) Pflegeheimbewohner zu verbessern und Versorgungsnetze verbindlich zu organisieren.

Was in der Theorie von allen gern unterschrieben wurde, war in der Praxis weniger einfach umzusetzen. „Es war ein langer Prozess, und es hat gedauert, bis wir Hausärzte dafür gewinnen konnten“, sagt Naujoks rückblickend. Er ist froh, mit Volker Slatosch, Sven Schönthal und Stefan Waldenmaier drei Esslinger Hausärzte gefunden zu haben, die nun regelmäßig jeweils alle 14 TageVisite im Obertor

Langer Prozess,
Hausärzte
zu gewinnen

machen. Die medizinische Versorgung im Pflegeheim Berkheim übernehmen Schönthal und seine Kollegen Elena Samorej und Hans-Christian Anthoni. Vergütet wird das den Hausärzten von der AOK mit rund 160 Euro pro Quartal und Patient. „Wir haben ein Jahr gebraucht, um zwei Netzwerke zu knüpfen. Für unser Pflegeheim in der Pliensau­vorstadt ist es uns noch nicht gelungen“, sagt Naujoks. Teilnehmen können nur Hausärzte, die bereits im AOK-Hausarztprogramm eingeschrieben sind und das Pflegeheim von ihrer Praxis beziehungsweise Wohnung aus in maximal einer halben Stunde erreichen.

Volker Slatosch zeigt sich mit den bisherigen Erfahrungen zufrieden: „Die festen Termine bringen Vorteile und wir haben sogar ein Untersuchungszimmer. Davor musste ich meine Patienten immer einsammeln. Aber ich wusste ja, wo sie sich gewöhnlich aufhalten“, sagt der Hausarzt mit einem Schmunzeln, der seit 30 Jahren ins Obertor kommt. Im Untersuchungszimmer gibt es einen Tresor. „Dort können abgesetzte Arzneien gelagert werden, die wir sonst entsorgen müssten. Die Hausärzte können sie gemeinsam nutzen. Das wäre auch ein praktisches Beispiel für wirtschaftliches Arbeiten“, sagt Naujoks.

Dank der 14-tägigen Visite lasse sich bei einer Veränderung oder Verschlechterung eines Gesundheitszustands rasch gegensteuern, sagt Slatosch: „Manche Klinikaufenthalte lassen sich bestimmt vermeiden.“ Positiv sei zudem, dass sich die Kollegen vertreten könnten: „Für den Hausarzt ist nicht alles planbar. Da kann es schon sein, dass ich mal einen Termin nicht einhalten kann.“ Was manchen Kollegen vielleicht noch zögern lasse, sei zum einen ein „gewisser Zwang“, denn die Ärzte verpflichten sich neben den Visiten zu Bereitschaftszeiten zwischen 7  und 19 Uhr an Werktagen. Zum andern befürchte der eine oder andere, dass er zu viele Patienten im Pflegeheim betreuen müsste.

Doch Slatosch, der hofft, dass sich auch andere Kassen von dem Modell überzeugen lassen, ist sicher, dass das Projekt „einen guten Weg gehen wird und auch gehen muss, angesichts der Alterspyramide. Es gibt immer Zauderer, die erst einsteigen, wenn es gut läuft“. Eine Hoffnung, die Naujoks teilt: „Wenn wir fünf oder noch besser sechs Hausärzte im Obertor hätten, wäre eine Vertretung einfacher.“

Der dortige Pflegedienstleiter Silvio Schuster freut sich über „die richtig gute Kommunikation“, die mittlerweile mit den Hausärzten entstanden sei: „Die kennen uns jetzt mit Namen, das motiviert.“ Die

Gute Kommunikation zwischen Ärzten
und Pflegedienst

engere und strukturiertere Abstimmung mit dem Pflegedienst mache vieles einfacher: „Jetzt ist sichergestellt, dass stets eine kompetente Fachkraft aus dem Haus bei der Visite dabei ist. Auch den Angehörigen, die dabei sein möchten, können wir nun rechtzeitig Bescheid geben.“ Bei früher mehr als 40 Ärzten für die 152 Obertor-Bewohner seien die Visiten oft überraschend und kaum zu koordinieren gewesen, erlebte Naujoks: „In der Qualität wie jetzt konnten sie nicht ablaufen. Jetzt gibt es klare Abläufe und Strukturen.“

Ziel war, das AOK-Modellprojekt landesweit 2012 an den Start zu bringen. Doch weil sich dieser verzögert hatte, käme es zu weiteren Verzögerungen. Angesichts positiver Rückmeldungen von Hausärzten und Heimverantwortlichen will AOK-Chef Kress nun zumindest im Landkreis alle interessierten Heime zügig mit ins Boot nehmen, ohne die Ergebnisse des Modellversuchs abzuwarten: „Wenn ein Heim wie vorgeschrieben mindestens drei Hausärzte findet, dann schließen wir sofort einen IVP-Vertrag ab“, verspricht er.