CDU-Abgeordneter Thaddäus Kunzmann stellte eine Kleine Anfrage zum Thema Salafismus
35 Salafisten im Landkreis Esslingen bekannt

Dem Nürtinger Landtagsabgeordneten Thaddäus Kunzmann bereiten salafistische Umtriebe im Kreis Sorgen, weshalb er an das Innenministerium eine Kleine Anfrage stellte. Darin wollte er unter anderem wissen, wie viele Salafisten es im Kreis gibt und ob man diesen eventuell den deutschen Pass wieder aberkennen kann.

Kreis Esslingen. Laut Innenministerium gibt es im Landkreis Esslingen 35 bekannte Salafisten, zwei von ihnen sind unter 21 Jahre alt, eine Frau befindet sich auch darunter. Allerdings sei von einer gewissen Dunkelziffer auszugehen. Insgesamt ist in Baden-Württemberg derzeit von etwa 550 Anhängern salafistischer Bestrebungen auszugehen. Die Landesregierung habe keine Informationen darüber, dass Salafisten aus dem Kreis Esslingen in anderen Bundesländern in der Salafisten-Szene aktiv seien.

Kunzmann wollte wissen, welche Vereine und Gruppierungen, die den Salafisten nahestehen, im Landkreis bekannt sind und was diese machen. Einen richtigen Salafisten-Verein gebe es nicht, jedoch habe der Verein „Gemeinschaft deutschsprachiger Muslime Nürtingen“ salafistische Tendenzen.

Dieser Verein wurde am 6. Februar 2013 gegründet und am 12. Februar 2013 in das Vereinsregister beim Amtsgericht Nürtingen eingetragen. Der Vereinssitz sei identisch mit der früheren Wohnanschrift des Vorsitzenden, der jedoch einige Monate nach der Vereinsgründung in sein Heimatland Pakistan zurückkehrte.

Bislang seien keine Erkenntnisse über Aktivitäten des Vereins bekannt geworden. Der Verdacht des Vorliegens von salafistischen Tendenzen ergebe sich lediglich aus der Vereinssatzung, nach der im Falle der Vereinsauflösung das Vermögen an den Verein „Gemeinschaft deutschsprachiger Muslime“ in Pforzheim fallen soll. Dabei handle es sich um eine salafistische Einrichtung, der aus diesem Grund bereits die Gemeinnützigkeit und die steuerliche Privilegierung aberkannt wurde. Die Satzung dieses Vereins habe der Nürtinger Verein nahezu wortgleich übernommen, weshalb von einer Vernetzung ausgegangen werde.

Alleine wegen der räumlichen Nähe könne von vielfältigen Kontakten zwischen Anhängern der salafistischen Szene des Landkreises Esslingen und solchen aus dem Großraum Stuttgart ausgegangen werden. Einzelne Personen aus dem Kreis seien als Mitglieder oder Besucher salafistischer Moscheevereine im Großraum Stuttgart bekannt.

Eine weitere Frage bezog sich auf Herkunft und Staatsangehörigkeit der Salafisten: Von den 35 bekannten Salafisten besitzen neun ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit, wobei alle einen Migrationshintergrund haben, 15 Personen haben eine ausländische und drei eine doppelte Staatsangehörigkeit. Zu acht Personen liegen keine Informationen vor. Bei drei Personen handelt es sich um Konvertiten.

Soweit bekannt, reisten seit dem Jahr 2013 bislang drei Personen aus dem Landkreis Esslingen in Richtung Syrien oder Irak aus, um sich mutmaßlich am Dschihad zu beteiligen. Dabei handelte es sich um zwei Personen aus Kirchheim und eine Person aus Filderstadt.

Laut den Erkenntnissen des Innenministeriums halten sich ein 24-jähriger deutsch-französischer Staatsangehöriger aus Kirchheim seit März 2013 und ein 19-jähriger Deutsch-Türke aus Filderstadt seit Juli oder August 2014 in Syrien oder im Irak auf. Weitere Erkenntnisse weisen darauf hin, dass sich zumindest der 19-Jährige der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat (IS) angeschlossen hat.

Bei der dritten aus dem Landkreis Esslingen ausgereisten Person handelt es sich um einen 18-Jährigen aus Kirchheim mit bosnischer Staatsangehörigkeit, der bei seiner Ausreise noch minderjährig war. Er soll sich bereits im Juli 2013 dem IS in Syrien anschlossen haben und kam im März 2014 bei Kampfhandlungen ums Leben. Den Sicherheitsbehörden liegt hierfür jedoch keine behördliche Bestätigung vor.

Insgesamt liegen Erkenntnisse zu etwa 20 Personen aus Baden-Württemberg vor, die in Richtung der Kampfgebiete ausgereist sind. Unter den Ausgereisten befinden sich auch einige minderjährige Personen. Bei fünf konnte eine Ausreise nach Syrien oder in den Irak bislang verhindert werden. Vier der ausgereisten Personen sollen bereits in Kampfgebieten gestorben sein.

Über die Gewaltbereitschaft der noch hier lebenden Salafisten kann das Innenministerium keine eindeutigen Aussagen treffen, da die Übergänge zwischen „politischem Salafismus“ und „dschihadistischem Salafismus“ fließend seien. Dschihadistische wie auch politische Salafisten haben dieselben Autoritäten und Vordenker. Sowohl die ideologischen Grundlagen als auch die angestrebten Ziele seien bei beiden Gruppen gleich. Sie unterscheiden sich vor allem in der Wahl der Mittel, mit denen sie ihre Ziele verwirklichen wollen.

Der „politische Salafismus“ stützt sich auf intensive Propagandatätigkeit. Hinsichtlich der Gewaltfrage wird keine einheitliche Haltung vertreten. Vertreter des „dschihadistischen Salafismus“ hingegen glauben, ihre Ziele durch Gewaltanwendung realisieren zu können.

Die überwiegende Mehrzahl der hier in Rede stehenden Anhänger des Salafismus im Landkreis Esslingen dürfte dem „politischen Salafismus“ zuzuordnen sein. Bisher sind keine Personen aus dem Landkreis Esslingen bekannt, die aus Kampfgebieten nach Deutschland zurückgekehrt sind. Generell wird aber bei Rückkehrern aus Kampfgebieten in Syrien oder im Irak von einem gesteigerten Gefährdungspotenzial ausgegangen. Dies resultiert aus der Annahme einer mutmaßlich terroristischen Ausbildung in Theorie und Praxis, der Teilnahme an Kampfhandlungen, einer weiterführenden ideologischen Radikalisierung sowie gegebenenfalls traumatischen Erlebnissen. nz