Dettingen. Wenn man den Hof der Werkstatt von Günter Benz in der Hanfstraße 18 in Dettingen betritt, dann umweht einen ein Hauch von
Nostalgie. In Reih und Glied stehen sie dort, die Farben bunt gemischt: die Citroën 2CV, im Volksmund besser bekannt als „Enten“. Liebhaber nennen das fahrbare Watscheltier auch „Dööschewo“, von „deux chevaux“, der französischen Bezeichnung. Ein wenig zerrupft sehen sie aus – teilweise fehlen Türen und Kotflügel, und das aufgerollte Verdeck hängt in Fransen an der Windschutzscheibe herunter. „Jede einzelne kann aber wieder zu einer richtigen Ente werden, wenn man ihr die nötige Zeit und Aufmerksamkeit schenkt“, betont Günter Benz.
Er muss es wissen: Seit mittlerweile fast 40 Jahren kümmert sich der Kraftfahrzeugmeister um die Kult-Fahrzeuge. Als Citroën im Jahr 1990 die Produktion der Ente einstellte, verschrieb Benz sich ihrem Erhalt und wurde so zur Anlaufstelle für die Freunde des schnatternden Gefährts mit dem markanten Aussehen.
Unzählige Enten hat er seitdem wieder fahrtüchtig gemacht, gewartet, repariert und restauriert. Je nach Zustand müsse man mit bis zu 300 Arbeitsstunden pro Fahrzeug rechnen, meint Benz. Zwar kümmert er sich in seiner Werkstatt auch um moderne Fahrzeuge; sein Herz schlägt aber für die Enten, sagt der 74-Jährige.
Im Herbst mit seiner zum Cabrio umgebauten Ente gemütlich über die Schwäbische Alb fahren, am liebsten mit klassischer Musik – „das hat einfach was für sich“, findet der Bastler. Die einzigartige Optik, das Fahrgefühl, die aus dem Armaturenbrett ragende „Krückstockschaltung“ und die Tatsache, dass man eine Ente wie in alten Zeiten mit einer Wagenheberkurbel starten kann – das sind alles Gründe, das Auto für Kult zu befinden. „Das Besondere ist neben der Technik aber vor allem das Klientel“, sagt Benz. Der Enten-Fahrer sei einer der angenehmsten Kunden, die es gibt. „Die Schüler und Studenten von früher sind erwachsen und mittlerweile Lehrer, Ärzte oder Ingenieure geworden.“ Er habe nur gute Erfahrungen mit seinem Kundenstamm gemacht. Die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit: „Viele sagen zu mir: Änder‘ ja nix an deiner Werkstatt, so etwas gibt es sonst nirgends mehr.“
Den 60. Geburtstag des Franzosenwägelchens hat Günter Benz auf seine Weise gewürdigt: mit einer feuerroten, eigenhändig zum „Pick-up“ umgebauten Ente aus dem Jahr 1987. „Die ist schon ein Hingucker“, sagt er verschmitzt. Fünf Jahre hat er daran gebastelt und getüftelt; pünktlich zum Enten-Jubiläum im Jahr 2008 wurde sie fertig. „Ein echtes Unikat, auf das ich unterwegs häufig angesprochen werde.“
Den Spitznamen „Enten Benz“, der die Pick-up-Ente ziert, hat er sich nicht selbst gegeben. „Das hat sich einfach so entwickelt. Ich finde das nicht schlimm, es ist ja auch so etwas wie ein Markenzeichen.“ Mittlerweile ist er nicht nur bei der Zulassungsstelle im Esslinger Landratsamt ein Begriff, auch in der überregionalen Enten-Fangemeinde kennt man seinen Namen.
Auf die Ente gekommen ist der gebürtige Geislinger eigentlich eher zufällig. „Ich war schon immer ein Autoschrauber. Ich habe Kfz-Mechaniker gelernt, meinen Meister gemacht und war Betriebsleiter einer großen Fiat-Werkstatt bei Stuttgart“, erzählt Benz. 1975 übernahm er schließlich die Citroën-Werkstatt in Dettingen, machte sich selbstständig. „Für meinen damaligen Chef war das zunächst ein Schock. Er hatte nicht damit gerechnet“, erinnert er sich. Sie sind aber immer noch gut befreundet, haben bis heute Kontakt. „Er hat verstanden, dass ich das für mich gemacht habe und nicht wegen des Geldes oder so.“
Den Schritt in die Selbstständigkeit hat Günter Benz seitdem nie bereut. „Im Gegenteil: Ich würde sagen, es war das Beste, das ich machen konnte.“ Seit er seine erste Ente zerlegt hat, hat die Faszination kaum nachgelassen. Unzählige Kunden hat er in den vergangenen vier Jahrzehnten mit dem französischen Kult-Auto glücklich gemacht, Urlaubsfahrten in Europa damit unternommen, Freundschaften und Bekanntschaften geschlossen. Sogar bis nach Amerika und Japan haben es Enten aus seiner Werkstatt geschafft.
Wenn Günter Benz jedoch eines Tages seinen Beruf an den Nagel hängt, wird in Dettingen die Ära der Enten zu Ende gehen. Einen Nachfolger gibt es nicht. Wenn, dann müsste es jemand sein, der sich mit dem Fahrzeug identifiziert und auskennt, betont er. „Da war einmal jemand, der hatte hier seine Lehre und auch seinen Meister gemacht“, erinnert sich Benz. Doch dann kamen Frau und Kinder – Zwillinge. „Er musste an seine Familie denken, und da war es ihm hier zu unsicher.“
Um die Zukunft macht sich der 74-jährige Entenvater von Dettingen dennoch keine Sorgen: „Ich mache es noch so lange, wie ich Lust darauf habe.“ Auf der Hebebühne steht bereits die nächste zu restaurierende Ente. Auch an seinen Pick-up möchte er noch mal ran – unter anderem wegen des Rosts, dem alten Feind der Enten. „Die muss komplett auseinandergenommen und neu gemacht werden, damit sie wieder tipptopp ist“, sagt Benz. Er kann es eben nicht lassen.