Seit 1952 organisiert die Evangelische Gesamtkirchengemeinde Kinderbetreuung im Waldheim
60 Jahre Orientierung in den Ferien

Das 60. Kirchheimer Ferienwaldheim ist gestern zu Ende gegangen. Seit 1952 betreut die evangelische Gesamtkirchengemeinde Kirchheimer Kinder während der Sommerferien – über die meisten der 60 Jahre hinweg unter dem weitaus passenderen Namen „Ferientagheim“.

Andreas Volz

Kirchheim. In 60 Jahren ist das Kirchheimer Ferientagheim an fünf verschiedenen Orten untergebracht gewesen. Mit dem Wald hat es in der ganzen Zeit noch am ehesten in den paar Jahren zwischen 1968 und 1973 zu tun gehabt, als es vorübergehend am Hohenreisach untergebracht war. Insofern ist der Name „Ferienwaldheim“ in Kirchheim gänzlich ungeeignet. Jochen Leitner, Jugendreferent der Gesamtkirchengemeinde und Leiter des Ferienheims, erklärt den „falschen“ Namen mit dem einheitlichen Erscheinungsbild vergleichbarer Einrichtungen innerhalb der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Dort gibt es die „Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Ferien- und Waldheime in Württemberg“, kurz „Waldheim AG“ genannt.

Auch Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker bekannte bei ihrem Besuch am vorletzten Tag, dass es ihr schwer falle, „angesichts des Ortes“ das Wort „Ferienwaldheim“ zu verwenden, denn im Vergleich zu anderen Ferien- und Waldheimen gibt es in Kirchheim eine Besonderheit: Bereits zum 38. Mal war es heuer an einer Schule untergebracht. Deshalb kommen immer wieder „Kollegen“ von auswärts, um sich vor Ort anzuschauen, wie ein solches „Heim“ an einer Schule überhaupt funktionieren kann, sagt Jochen Leitner.

Beim Elternnachmittag, der geprägt ist von den unterschiedlichsten Vorführungen der einzelnen Gruppen, stand dieses Mal auch die Geschichte des Ferientagheims im Mittelpunkt. Es gab dazu einen eigenen Fragebogen mit wichtigen Ereignissen und passenden Jahreszahlen. Und Jochen Leitner erwies sich als profunder Kenner der Kirchheimer Waldheimgeschichte. So hatte es im ersten Jahr noch keinen geeigneten Raum in Kirchheim gegeben. Die Kirchheimer Kinder waren deshalb im Owener Gasthaus „Post“ untergebracht, bevor sich ab 1953 das Vereinsgelände des CVJM im Kirchheimer Doschler für die nächsten Jahre anbot. 1968 erfolgte der erwähnte Umzug ins Hohenreisach, bevor dem Ferientagheim nach dem sechsten Sommer dort wegen Eigenbedarfs gekündigt wurde.

1974 war noch immer kein Ersatzstandort gefunden. Deshalb musste die Sommerferienbetreuung damals komplett ausfallen, und aus diesem Grund gab es 2012 im 60. Jahr auch erst das 60. Ferienwaldheim und nicht das 61. seit 1952. 1975 erfolgte der Neustart an der Eduard-Mörike-Schule in Ötlingen. Das war zunächst nur als Provisorium gedacht, sollte sich aber als langjährige Dauerlösung herausstellen: Erst im vergangenen Jahr gab es wieder einen Umzug – dieses Mal ans Ludwig-Uhland-Gymnasium. Jochen Leitner freut sich über den neuen Standort: „Wir sind hier sehr gut angekommen und aufgenommen worden. Die Zusammenarbeit mit der Schule und mit dem Hausmeister beziehungsweise dessen Vertretung läuft hervorragend.“

In gewisser Weise ist das Ferienwaldheim aber seit 1994 auch wieder an seine Ursprünge zurückgekehrt: Vor 18 Jahren gab es nämlich erstmals eine Einteilung in Altersgruppen. Während die 7- bis 11-Jährigen weiterhin an der Schule untergebracht sind, haben die 12- bis 14-Jährigen ihr eigenes Ferienwaldheim beim CVJM im Doschler.

Die Nähe zum Jugenddorf im Doschler hatte in den 60er-Jahren für eine Besonderheit gesorgt: Im Jugenddorf waren seit dem Mauerbau 1961 zur Sommerszeit Kinder aus West-Berlin untergebracht, die einen Teil ihrer Ferien auch außerhalb des Betonmauerrings verbringen sollten. Bis 1968 nahmen diese Kinder regelmäßig am Ferientagheim teil.

Eine weitere Kooperation besteht seit 1975: Seit dieser Zeit gehören Kinder der Lebenshilfe mit zum Ferienheim der evangelischen Kirche in Kirchheim. Diese Zusammenarbeit lobte die Oberbürgermeisterin ausdrücklich, und auch Jochen Leitner bezog in seinen Dank an die Mitarbeiter außer den Gruppenbetreuern und dem Küchenteam explizit die Begleitpersonen der Lebenshilfe mit ein.

Egal, wo die Kinder herkommen, Angelika Matt-Heidecker freut sich immer, wenn sie morgens die Busse sieht, die die Kinder am LUG absetzen: „Die Kinder steigen mit Freude und Begeisterung aus.“ Seit 1952 sorge das Ferienheim nicht nur für Betreuung und Unterhaltung, sondern auch für die Vermittlung von Werten.

Die Orientierung an Werten stand dieses Mal für die 154 Kinder am LUG thematisch im Mittelpunkt, denn schon das Wort „Orientierung“ stammt vom „Orient“. Und der „Orient“ war das Thema des Ferienwaldheims 2012. Das wurde an der alttestamentarischen Geschichte von Ester deutlich, die am persischen Königshof spielt, sowie an den vielen Darbietungen und kulinarischen Angeboten der einzelnen Gruppen.

Eine Gruppe freilich blieb im Okzident und erklärte den Eltern, wie ein typischer Tag im Ferienwaldheim abläuft: Da sind als wichtigste Orientierungspunkte die festen Mahlzeiten zu nennen, und der Abend schließt außer mit einem Segen noch mit dem Verteilen von Fundsachen. Die Kinder werden vom spannenden Programm also dermaßen abgelenkt, dass sie nicht immer auf sämtliche Habseligkeiten aufpassen können. Auch in den nächsten 60 Jahren dürfte sich daran wohl kaum etwas ändern.