Freundschaft ist eine Seele in zwei Körpern - was bereits Aristoteles vor weit über 2 000 Jahren wusste, können Florian Kretzschmar und Philip Kienzle heute blind unterschreiben. Beide sind Freunde seit Kindertagen und führen die rund 60 Köpfe starke Fußballabteilung der Turngemeinde Kirchheim seit 2018 zusammen als Doppelspitze. Sanitärfachmann Kretzschmar und Bäcker Kienzle ergänzen sich perfekt. Während der eine (Kienzle) die Administration regelt, ist der andere (Kretzschmar) für die Organisation zuständig.
Beides war in den vergangenen Wochen wichtig. Denn nach der Vielzahl an Abgängen (siehe Infokasten) gab es im Verein eine Zäsur - ungewöhnlich für ein Team, das soeben, wenn auch „nur“ über die Quotientenregel, in die Kreisliga A aufgestiegen ist.
Die Hintergründe des „Ausverkaufs“ bleiben unklar. Das Unheil begann aber wohl bereits am Ende der Saison 2018/19, als die Turngemeinde das Relegationsfinale um den Aufstieg in die Kreisliga A gegen die TSV Oberensingen II verlor. Und es gipfelte in dem im Februar angekündigten Wechsel von Spielertrainer Tim Lämmle zum SV Nabern. „Danach“, ist sich der seinerzeit sehr enttäuschte Florian Kretzschmar sicher, „ging ein Bruch durch die Mannschaft, und es war eine gewisse Unzufriedenheit spürbar.“
In der Folgezeit galt für die TG-Doppelspitze, ganz getreu dem Motto „Jetzt erst recht“, zum einen, die Wechselregularien des Württembergischen Fußballverbands (WFV) zu beachten und die Ausbildungs- und Ablösebeträge zu verhandeln und zu überwachen. Zum anderen war aber auch die Verpflichtung eines neuen Trainergespanns und neuer Spieler notwendig.
Trainer-Duo mit Erfahrung
In Sachen Coach wurde das Abteilungsleiterduo schnell in den eigenen Reihen fündig. Nachdem die Reservemannschaft mangels spielerischer Masse abgemeldet worden war, lag es nahe, mit Mehmet Akkoyuncu (39) deren Trainer für die „Erste“ zu verpflichten. Der Kirchheimer Gastronom, den alle nur „Memo“ rufen und der nebenbei auch noch Präsident der Europäisch-Türkischen Fußball-Föderation (ATFF) ist, hatte einst als Sponsor bei der Turngemeinde angefangen. Er „verliebte“ sich in den Verein und begann deshalb auch als Coach mitzuarbeiten.
Ihm zur Seite gestellt wurde mit Israfil Kilic ein erfahrener Kicker, der bis hinauf in die Landesliga gespielt hat und zuletzt bei Türkspor Nürtingen 73 im Einsatz war. Der gebürtige Kirchheimer mit türkischen Wurzeln und breitem schwäbischen Dialekt wird auch mit mittlerweile 41 Jahren als mitspielender Co-Trainer seine Aufgabe wahrnehmen.
Zusammen haben sowohl das Funktionärs- als auch das Trainergespann einen Zweijahresplan entwickelt, um das schlingernde Fußballschiff der Turngemeinde wieder in ein ruhiges Fahrwasser zu bringen und am Ende der Saison tabellarisch im gesicherten Mittelfeld zu stehen. Für dieses Unterfangen verpflichteten die Kirchheimer nicht weniger als elf neue Akteure. Florian Kretzschmar zollt den Coaches Respekt: „Die haben gefühlt zwei Wochen am Stück telefoniert, um Spieler zu uns zu lotsen.“
Auch die Verantwortlichkeiten haben sich an der Jesinger Allee mittlerweile verändert. Hatten Tim Lämmle und sein Co-Trainer Andreas Schmidt innerhalb der Abteilung nahezu autark agiert, ist die neue Struktur von Offenheit geprägt. „Trainer, Mannschaft, der neue Spielleiter Fabian Maier und die Funktionäre stehen als Kollektiv im Vordergrund, und es gibt klare Absprachen“, weiß Philip Kienzle.
„Yeti“ bleibt am Mikro
Viel Bewegung scheint im Verein zu sein. Da tut es gut, dass ein paar alte Zöpfe nicht abgeschnitten wurden. Greenkeeper und Platzsprecher Claus „Yeti“ Stepan wird auch in der neuen Saison an alter Stelle tätig sein und die Zuschauer bei den Heimspielen fachkundig informieren.
Co-Trainer Israfil Kilic, der die Mannschaft aus einer gesicherten Abwehr heraus agieren lassen will, hofft in der Hinrunde auf das Überraschungsmoment: „Keiner kennt uns in der Konstellation, und keiner hat uns auf dem Zettel.“ Die „neue“ Turngemeinde scheint sich in der Außenseiterrolle pudelwohl zu fühlen.