Beim Frauenwirtschaftstag im Stadtkino führte die Theatergruppe Lokstoff eine Farce auf
Ab in die ewigen Abgründe

Wer ist Jäger, wer Gejagter? Das war die Frage im Theaterstück „Waidmannsheil“, das die Theatergruppe Lokstoff im Rahmen des Frauenwirtschaftstages auf die Bühne brachte.

Kirchheim. Christel (Kathrin Hildebrand) und Renate (Andrea Léonetti) sitzen auf ihrem Hochsitz. Die beiden Jägerinnen sind von Kopf bis Fuß in Weiß gekleidet. Beide tragen Gewehre. Doch als ein Schuss fällt, wird klar, dass Christel und Renate sich alles andere als sicher fühlen. Im Gegenteil: In ihrer Welt ist alles eine Bedrohung.

„Eine etwas andere Betrachtung des alltäglichen Verdrängungswettbewerbs, mit dem sich die meisten Unternehmen auseinandersetzen müssen“ – so war das Theaterstück „Waidmannsheil“ umschrieben, das beim Frauenwirtschaftstag im Stadtkino zur Aufführung kam. Die Farce von Susanne Hinkelbein zeichnet ein düsteres Bild zweier Jägerinnen, deren Paranoia sie am Ende zum Äußersten treibt.

Eigentlich sind sie gekommen, um ein paar Sauen zu schießen. Doch das eigentliche Ziel tritt im Laufe der Stunde immer mehr in den Hintergrund. Stattdessen steigern sich die schwäbelnde Christel und die berlinernde Renate, deren harmloses Geplapper einen beunruhigenden Kontrast zu ihrer wirren Gedankenwelt bildet, immer mehr in Verfolgungsfantasien hinein. Nichts um sie herum lässt sich kontrollieren, alles ist bedrohlich. Die Herbstblätter, die beim Hindurchgehen rascheln, als flüsterten sie miteinander. Die Steine, die verdächtig ruhig daliegen. Selbst auf die Tiere ist kein Verlass. „Woher willst du wissen, dass das eben eine Sau war?“, fragt Christel mit einem Anflug von Wahnsinn in der Stimme. „Es könnte auch ein Wolf sein, der sich als Sau tarnt.“ Die Jäger sind längst die Gejagten.

Das Unvorhersehbare macht wütend und ängstlich. Dass die Rosi ausgerechnet jetzt zum Pilzesammeln in den Wald gehen muss? Geschieht ihr gerade recht, dass sie mit dem Fuß in einem Fangeisen hängen bleibt und sich das Bein zerfetzt. Christel und Renate denken nicht daran, ihr zu helfen. Stattdessen fachsimpeln sie, wie Rosi am besten abzuschießen wäre – rein hypothetisch natürlich. „Theoretisch, wenn man von hier aus schießt – Blattschuss?“ Gerade als Rosi schon ganz schwach wird vom vielen Blutverlust, kommt der Veit und rettet sie. Schade für Christel und Renate. Zu gern hätten sie dabei zugesehen, wie es mit der Rosi zu Ende geht.

Aus scheinbar harmlosen Gedankenspielen wird jedoch schon bald bitterer Ernst. Als eine Hochzeitsgesellschaft die Lichtung betritt, wettet Christel, dass Renate nicht in der Lage wäre, alle sechs abzuschießen. Renate will sich das nicht bieten lassen und schießt. „Wir hatten doch gesagt ‚als ob‘, Renate“, sagt Christel, findet sich jedoch schnell mit dem Missgeschick ab: „Na ja, ein gewisser Abschuss dient ja auch der Hege.“ Kathrin Hildebrand und Andrea Léonetti brillieren in der Rolle der kaltblütigen Jägerinnen, die ein totes Eichhörnchen beweinen, aber weder vor Massenmord zurückschrecken noch davor, den prachtvollen Kirschbaum der Nachbarin mit Abflussreiniger zu „düngen“.

Ein Frauenwirtschaftstag ohne Netzwerken – das geht natürlich nicht. Nach dem Theaterstück konnten sich die Besucher bei einem Teller Suppe austauschen. Dass die Männerquote in diesem Jahr höher war als bei vergangenen Veranstaltungen, freute besonders Kirchheims Oberbürgermeisterin. „Ich freue mich, dass so viele Männer wie selbstverständlich mit dabei sind“, sagte Angelika Matt-Heidecker.