Kirchheim. Sparfüchse sollten zwischen 18 und 19 Uhr tanken – denn in dieser Stunde sind die Spritpreise in der Regel am günstigsten, teilt Reimund Elbe, Pressesprecher des ADAC Württemberg, mit. Eine Stichprobe des Teckboten bestätigte dies: Über eine Spritpreise-App für Smartphones haben wir am Dienstag, 8. April, von 7 bis 22 Uhr stündlich die Preise für Superbenzin und Diesel an allen acht Tankstellen in Kirchheim notiert. Demnach sind die Preise morgens relativ hoch, um die Mittagszeit fallen sie ab, und ab dem späteren Abend ist dann wieder ein Aufwärtstrend zu beobachten. Die Preise wichen an diesem Dienstag im Tagesverlauf an den einzelnen Tankstellen um bis zu zehn Cent voneinander ab.
Am höchsten sind die Benzinpreise laut einer aktuellen Studie des ADAC zwischen Mitternacht und 5 Uhr morgens. Das liegt laut Elbe daran, dass in dieser Zeit nur wenige Tankstellen geöffnet haben.
Der ADAC hat die Spritpreisgestaltung schon seit Jahrzehnten im Blick, ergänzt der Pressesprecher. Hier habe sich einiges verändert: Während noch bis vor etwa drei Jahren statistisch gesehen der Montag am günstigsten und der Freitag am teuersten gewesen sei, gebe es mittlerweile bezüglich der Wochentage keine nennenswerten Preisunterschiede mehr. „Dafür haben jedoch die Tagesschwankungen erheblich zugenommen“, sagt der Pressesprecher. Dies sei vermutlich eine Reaktion der Konzerne auf die Tatsache, dass immer mehr Verbraucher über die bisherige Preispolitik Bescheid wussten. „Die Konzerne mussten darauf reagieren – mit der neuen ,Masche‘ der täglichen Preisschwankungen.“
Veränderung habe es auch bezüglich der Preisentwicklung vor den Schulferien gegeben: „Früher konnte man die Uhr danach stellen: Wenn die Ferien begonnen haben, gingen die Preise merklich nach oben“, erinnert sich Elbe. Heute sei die Tendenz zu steigenden Preisen zum Ferienbeginn zwar noch spürbar, doch der Zeitpunkt habe sich verlagert. „Es kann sein, dass schon zwei Wochen vor den Ferien die Preise nach oben schnellen.“
Doch gab es die Schwankungen der Kraftstoffpreise eigentlich schon immer? Darauf hat Dietmar Hoyler, der von 1963 bis 2006 eine freie Tankstelle in Kirchheim betrieben hat, eine klare Antwort: nein. Dieser Trend habe erst mit der Ölkrise Anfang der 70er-Jahre eingesetzt. In den 60ern habe der Liter Normalbenzin 58, der Liter Superbenzin 65 und der Liter Diesel 49 Pfennig gekostet. Diese Preise blieben über lange Zeit konstant, erzählt Hoyler. Es seien immer glatte Preise gewesen, nicht Komma neun wie heute. „Für zehn Deutsche Mark erhielt man damals 17,2 Liter Normalbenzin und 15,4 Liter Super“, erinnert sich Hoyler noch genau.
Zu dieser Zeit hat sich wohl noch niemand vorstellen können, dass man einmal über kleine Geräte die Benzinpreise an unterschiedlichen Tankstellen und in verschiedenen Orten miteinander vergleichen kann. Mit den Tank-Apps kann man sich schnell informieren und dadurch auch aktiv in die Preisgestaltung eingreifen, nennt ADAC-Sprecher Elbe die Vorteile der Applikationen für das Smartphone. Ideal seien die Apps auch, wenn man lange Strecken mit dem Auto plant: Wer weiß, dass er unterwegs tanken muss, könne sich bereits im Vorfeld die günstigste Tankstelle aussuchen. „Das kann sich lohnen“, betont Elbe und weist darauf hin, dass auch der ADAC eine Sprit-App anbietet. Diese sei seit Ende 2013 über 1,5 Millionen Mal heruntergeladen worden.
Dass sich der Großraum Stuttgart, was die Spritpreise anbelangt, im oberen Level bewegt, kann Elbe nicht bestätigen. „Wir sind auf keinen Fall Hochpreisgegend.“ Vielmehr würde sich Stuttgart und Umgebung im Mittelfeld befinden. Ein Trugschluss sei auch, dass man in Kirchheim im Vergleich zu umliegenden Städten günstiger tanken kann. „Die Preisunterschiede zwischen Kirchheim und beispielsweise Göppingen dürften nicht zu groß sein.“
Allerdings gelte auch: „Sprit ist eine Massenware. Man kann nicht vorhersagen, wie sich die Preise auf den einzelnen regionalen Märkten in den nächsten zwei Wochen entwickeln“, sagt Elbe. „Wenn auf einem Markt Bewegung ist, dann schwanken die Preise dort stark.“ Die Konzerne würden ständig die Konkurrenz im Blick behalten, aber sie würden auch austesten, was der Markt hergibt.
Freie Tankstellen könnten den Sprit in der Regel günstiger verkaufen als die großen Konzerne. Laut Dietmar Hoyler liegt das daran, dass die „Freien“ den Kraftstoff günstiger einkaufen können. Außerdem seien freie Tankstellen oft Familienbetriebe, wodurch sie geringere Fixkosten hätten, ergänzt Elbe. Er gibt aber auch zu bedenken, dass die freien Tankstellen durch die großen Konzerne mit Problemen konfrontiert seien. Der ADAC fordere das Bundeskartellamt deshalb auf, konsequent und verschärft gegen die Behinderungen freier Kraftstoffanbieter durch große Markenanbieter auf den Raffineriemärkten vorzugehen. „Großkonzerne verkaufen ihren Treibstoff ab Raffinerie häufig zu überhöhten Preisen an freie Anbieter.“ Deshalb würden viele „Freie“ versuchen, durch Einsparungen in anderen Kostenbereichen die Preise niedrig zu halten.
Auf das Modell in Österreich angesprochen – dort dürfen die Benzinpreise nur ein Mal am Tag geändert werden – meint Elbe: „Das klingt grundsätzlich gut, weil es übersichtlicher wird.“ Allerdings gibt er zu bedenken: „Die Österreicher haben sich von ihrer anfänglichen Erwartung, dass man damit der Preistreiberei Einhalt gebieten kann, schon verabschiedet.“