58-Jähriger erhält Bewährungsstrafe, muss Wiedergutmachung leisten und seine Sucht in den Griff bekommen
Alkoholbedingter Streit um Nichtigkeiten ging ins Auge

Zu einer Freiheitsstrafe von ei­nem Jahr und zwei Monaten ist gestern ein 58-jähriger Kirchheimer wegen schwerer Körperverletzung verurteilt worden. Er hatte einen Freund im Streit mit einem Whiskyglas attackiert. Das 47-jährige Opfer ist seither auf dem linken Auge fast blind.

Andreas Volz

Kirchheim. Wie es genau passiert ist, wissen die beiden Kontrahenten nicht mehr. Noch weniger wissen sie, warum es passiert ist. „Wir waren wirklich gute Freunde“, sagt der 58-jährige Angeklagte und betont immer wieder: „Ich habe ihn nicht verletzen wollen. Wir kennen uns doch schon seit zehn Jahren.“ Sein Gegenüber habe ihn beleidigt, meint er, und deswegen habe er ihm wohl den Inhalt seines Glases ins Gesicht schütten wollen: „Ich wollte ihn nass machen.“ Dann sei der 47-Jährige aber im selben Moment aufgestanden, sodass ihn das Glas mit voller Wucht im Gesicht getroffen hat.

An den genauen Streithergang kann sich der Angeklagte aber wirklich nicht erinnern: Schließlich hatte ein Atemalkoholtest kurz nach der Tat – die sich am 29. Mai letzten Jahres gegen 1 Uhr in einem Kirchheimer Bistro ereignet hat– circa 2,1 Promille ergeben. Der Geschädigte dagegen, bei dem kurz vor 4 Uhr im Krankenhaus noch eine Alkoholkonzentration von 1,3 Promille im Blut festzustellen war, erzählt etliche Details über das Streitgespräch.

Daraus geht allerdings nicht hervor, warum es zu einer solchen Attacke kommen konnte. Nicht einmal der Angeklagte kann es sich erklären, sein einstiger Freund sowieso nicht. Es ging um Politik, den Weltkrieg, um Religionen und um die Herkunftsländer der beiden. Der Angeklagte habe sich über die heiligen Kühe der Inder lustig gemacht und anschließend sogar seine eigene Familie beleidigt – von der eigenen Mutter bis zur eigenen Tochter –, was den Freund dann doch verwundert hat.

Schließlich habe er noch über die Freundin seines späteren Opfers gelästert und ihm gesagt, er solle sich trennen. Immerhin sei er so eine Art großer Bruder für den jüngeren Freund. Das wiederum hat den Jüngeren in Rage gebracht. Er wollte sich vom anderen nicht bevormunden lassen, und außerdem lebe sein großer Bruder in England.

So weit, so harmlos – wäre nicht auf einmal das Glas, in dem sich Whisky-Cola befunden hatte, im Gesicht des 47-Jährigen gelandet. Der sachverständige Augenarzt sagte aus, dass das Glas wohl tatsächlich die Hand des Angeklagten nicht verlassen habe. Er hat es dem anderen demnach nicht ins Gesicht geworfen. Trotzdem ging das Glas zu Bruch, was zu erheblichen Schnittverletzungen im Gesicht und am Auge führte. Das linke Auge des Geschädigten musste seither drei Mal operiert werden. Das Augenlid hängt herunter, jegliches Licht blendet ihn stark. Und sollte es irgendwann besser werden, seien allenfalls drei bis zehn Prozent der Sehkraft wieder hergestellt.

„Er hat mein Leben versaut“, sagt der Geschädigte und macht deutlich, dass es mit der Freundschaft seither aus und vorbei ist. Die psychischen Folgen, die der körperliche Schaden am Auge für ihn hat, erkennen Richterin, Oberstaatsanwalt, sein eigener Anwalt und sogar der Verteidiger des Angeklagten an. Bei der Bewertung des Geschehens sind sie allerdings unterschiedlicher Ansicht.

Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Franziska Hermle-Buchele ging schließlich von einer schweren Körperverletzung aus, angesichts der Folgen für den Geschädigten und dessen Augenlicht. Mit einem Jahr und zwei Monaten blieb das Gericht am unteren Ende des dafür vorgesehen Strafrahmens.

Die Freiheitsstrafe wird auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem muss der Angeklagte 80 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten und seinem früheren Freund monatlich 75 Euro zahlen – ungeachtet zivilrechtlicher Schmerzensgeld- oder Schadensersatzansprüche. Zusätzlich ist der arbeitslose 58-Jährige gehalten, sich schnellstmöglich eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit oder wenigstens einen 400-Euro-Job zu suchen, um sein Opfer mit höheren Monatsbeträgen unterstützen zu können. Auf dem Weg zum künftigen Job soll ihm eine Alkoholtherapie helfen, wegen der er sich an eine Beratungsstelle wenden muss.