Kirchheim. Sich an ein engagiertes Theaterprojekt heranzuwagen ist deutlich leichter, wenn die Zielgruppe wohlbehütete Kinder sind, für die ihre frühkindliche musikalische Erziehung im Mittelpunkt steht. Für die meisten Schülerinnen und Schüler der Kirchheimer Alleenschule
gelten andere Gesetze. Trotzdem sorgten Schulband und Sporttheater-Gruppe gestern im Rahmen der Kinder- und Jugendtheatertage „Szenenwechsel“ in zwei seit Wochen ausverkauften Aufführungen in der Aula der Schule für Furore.
Grund für Nervosität gab es dabei schon, denn vor weit über hundert kritischen Besuchern auf die Bühne zu treten ist zweifellos auch für ältere Semester eine große Herausforderung. Dass sie so souverän gemeistert werden konnte, lag an der großen Begeisterung, mit der die bunt gemischte Theatergruppe von der selbstsicher auftretenden Band „Six Senses“ begleitet ans Werk ging.
Dass auch die mit Songs von „Snow Patrol“, „One Republic“, „Police“, „Guns N‘ Roses“, „Green Days“ und „Nick Cave“ auftrumpfende Band erst vor eineinhalb Jahren bei Null angefangen hat, ist kaum zu glauben. Dass sie auch weiterhin Musik machen wird, steht fest. Der zwischendurch eingespielte originelle Video-Clip vom Aufstieg der Band, die erst wenig beachtet zu Fuß und dann mit dem Rad die Schulaula ansteuert, ist dabei vielleicht gar nicht so verzeichnet, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag.
Im offenen Wagen von kreischenden Fans begrüßt zu werden, würde den „Six Senses“ sicher gefallen. Die im Clip so selbstbewusst wie selbstironisch angekündigte Welttournee wird aber wohl noch ein paar Tage auf sich warten lassen. Kontakte für erste Auftritte außerhalb der Schule sind aber längst geknüpft und einem baldigen Wiedersehen im Mehrgenerationenhaus Linde steht vermutlich gar nicht mehr allzu viel im Weg.
Schwieriges Neuland betrat auch die in wöchentlichen Probearbeiten über ein Jahr zusammengewachsene Theatersport-Riege, die erstaunlicherweise ungewöhnlich männerlastig daherkam. Einigkeit bestand unter den Akteuren aber dennoch von Anfang an darüber, dass sie sich auf der Bühne mit dem Thema Liebe beschäftigen wollen. Was dabei herauskam beeindruckte und machte allen so viel Spaß, dass die dahinter steckende harte Arbeit eines ganzen Jahres gar nicht bewusst und die Aufführung einer einfallsreichen Szenencollage damit zum uneingeschränkten kurzweiligen Vergnügen wurde.
Das größte Kompliment, das der Band und der Theatergruppe gemacht werden konnte, war die gebannte Aufmerksamkeit des Publikums, das auch nach 90 Minuten noch genau zuhörte – und mitfühlte. Im Mittelpunkt des Stücks standen mit Nadine Platzer und Carmello Trumino zwei nicht nur auf den ersten Blick sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, die sich zufällig kennenlernen und unterstützt von der besten Freundin (Semira Eydin) und dem verständnisvollen Kumpel (Vincenzo D’Agate) einander allmählich immer näher kommen.
Die alles entscheidende Frage, was Liebe ist, versuchen die Ensemblemitglieder im entspannten Spiel mit dem Publikum gemeinsam herauszufinden. In zahlreichen Proben haben sie den passenden Weg gefunden und mit vielen interessanten Ideen eine Szenencollage entwickelt, die sie jetzt mit großem Erfolg der Öffentlichkeit vorstellen konnten.
Ein Glücksfall für das Team und den Erfolg der gemeinsamen Arbeit waren dabei zweifellos die sehr stark engagierten Erwachsenen, die ihrem Team aber möglichst freie Hand ließen. Günter Zogelmann und Christine Burgstett zeichneten dabei vor allem für die schauspielerische Seite der gefälligen Inszenierung verantwortlich. Ihnen zur Seite stand mit Raphael Lindeke ein Musiker, der Musik nicht nur unterrichtet, sondern dank seiner Auftritte im Duo „Die Zwei“ beziehungsweise „Raphi und Jörg“ genügend Bühnenerfahrung hat, um eine Handvoll begeisterungsfähiger Musiker auf erste öffentliche Konzerte vorzubereiten.
Die Bandmitglieder Nikola Grubesic (Gitarre/Gesang), Marco Vullo (Gitarre) und Cem Düzgün (Bass), Keyboarder Sercan Bas, Michael Märzlich (Schlagzeug/Gesang) und Sängerin Sara Quattlender wurden dabei von Techniker Robin Sylvander entsprechend unterstützt und von ihren Fans gefeiert.
Ganz besonders beeindruckend war die sehr professionell in Schwarzlicht getauchte Traumszene, in der die beiden Hauptdarsteller genügend Zeit und dazu noch stimmige Hintergrundmusik mit auf dem Weg bekamen, um „Sterne zu pflücken“ und das trennende Fremdsein in Zärtlichkeit und gleichzeitig beeindruckend schöne Theaterbilder zu packen.
Die Zeit der durch ein eindrucksvolles Schattenspiel versinnbildlichten Trennung der frisch Verliebten überbrückte der eingespielte Hubert von Goisern mit seinem „Weit, weit weg“. Ohne zusätzliche Irrungen und Wirrungen folgte einem live auf der Bühne präsentierten „Liebes-Rap“ das befreiende Happy-End.
Ob damit abschließend beantwortet wurde, was Liebe tatsächlich ist, bleibt offen. Die Botschaft, die das Ensemble zum Abschluss dem begeisterten Publikum mit auf den Weg gab, würden vor allem wohl Pädagogen gerne unterschreiben: „Nur starke Schüler können Liebe zeigen“ – das gilt im Klima der Alleenschule wohl genauso wie im deutlich bequemeren Wohlfühlambiente der Waldorfpädagogik.