Wernau. Dirndl, das steht für Brauchtum, grüne Wiesen auf dem Land und dicke Humpen voll Bier. Eigentlich nichts für moderne, selbstbewusste junge Frauen, oder? Ein perfekter Anlass, dieser Frage nachzugehen, bot sich am Samstag in Wernau bei der Krüger-Dirndl GmbH. Die Firma hatte zu einem Dirndl-Casting aufgerufen, an dem sich junge Frauen ab zwölf Jahren beteiligen konnten. Gesucht wurde ein Mädchen, das den neuen Prospekt zieren und das Gesicht einer Flyer Campagne werden sollte. Die Teilnehmerinnen konnten Dirndl-Gutscheine für bis zu 500 Euro gewinnen. Krüger-Dirndl rückte im letzten halben Jahr vor allem durch die Kooperation mit der bei jungen Frauen beliebten Fernsehshow „Germany’s next Topmodel“ mit Heidi Klum in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Bei der letzten Staffel wurde in Las Vegas ein Shooting mit einer Topmodel-Kandidatin, die original Krüger-Dirndl trug, organisiert. „Für uns war das erst einmal eine Überraschung, aber eigentlich passte die Kooperation gut zusammen. Junge Mädchen interessieren sich in letzter Zeit immer mehr für Dirndl, wahrscheinlich deshalb, weil sich auch das Oktoberfest zu einer richtigen Kultveranstaltung entwickelt hat“, so Krüger-Chef Dominik Henne.
Diese Zusammenarbeit, die aufgrund des großen Erfolgs weitergeführt wird, gab auch den Anstoß für das jüngste Casting. So konnten sich die Teilnehmerinnen am Samstag von der Visagistin schminken lassen, die bei „Germany’s next Topmodel“ für die Kosmetik zuständig war. Auch die Dirndl, in denen sie fotografiert wurden, stammten aus der Topmodel-Kollektion.
Auch ich beschloss vor einer Woche, mich dem Casting zu stellen. Mal richtig professionell geschminkt zu werden, das erste Mal in meinem Leben in ein Dirndl zu schlüpfen und am Ende vielleicht ein schönes Foto mit nach Hause zu nehmen – das hörte sich nach einer großen Gaudi an. Doch je näher der Tag rückte, umso größer wurden meine Zweifel. Ich habe doch keine Modelfigur. Außerdem habe ich keine Ahnung, wie man vor einem Fotografen posiert. Doch Krüger-Chef Henne konnte mich beruhigen: „Angesprochen sind alle Mädchen, egal in welchem Alter oder mit welcher Figur. Sie müssen nur gut im Dirndl aussehen.“ Entsprechend groß war die Resonanz auf die beiden Castings in Wernau und Stuttgart. Beide waren bald ausgebucht, was selbst Henne überraschte: „Und das in Württemberg!“. Und trotzdem, am Morgen vor dem Casting war ich erst mal lange damit beschäftigt, meine Haare in Form zu bringen. Als ich schließlich in Wernau eintraf und mit einigen anderen Teilnehmerinnen sprach, zerstreuten sich meine Zweifel. Die meisten meldeten sich einfach nur zum Spaß an und hatten überhaupt keine Modelerfahrung. Manche hatten sogar, genau wie ich, noch niemals ein Dirndl an. Doch es gab auch einige Dirndl-Fans unter den Teilnehmerinnen: „Mir haben Dirndl schon immer gefallen, besonders die kürzeren. Es ist noch gar nicht lange her, dass ich selbst hier war, um mir ein Dirndl zu kaufen“, so Lea Schmittinger. Eine andere Teilnehmerin betont einen ganz spezifischen Dirndl-Aspekt: „Da sieht sogar ein kleiner Busen gut aus“.
Dann ging‘s aber ans Eingemachte. Ich konnte mir aus fünf oder sechs Modellen dasjenige aussuchen, das mir am besten gefiel. Irgendwie erfasste mich langsam, aber sicher das Wettbewerbsfieber und so dauerte es eine ganze Weile, bis ich mein Outfit in der richtigen Größe gefunden hatte: ein grün kariertes Dirndl mit rosa Schürze. Als ich mich zum ersten Mal im Spiegel sah, musste ich lachen. Ich im Dirndl? Das sah für mich auf jeden Fall sehr seltsam aus.
Nächste Station war die Topmodel-Visagistin. Nachdem ich einige Zeit stillhalten musste, war ich fertig in Szene gesetzt. Ich muss sagen, ab da fing die Sache wirklich an, Spaß zu machen. Als ich mich einmal mehr im Spiegel bewunderte, fand ich langsam Gefallen an meinem Outfit. Und gleich musste ich weiter zum Fotografen vor die Las-Vegas-Kulisse.
Nach kurzer Unsicherheit am Anfang beschloss ich, mein Gehirn samt Schamgefühlen auszuschalten und drehte mich, hüpfte wild herum und posierte mit Genuss vor dem Fotografen. Ein natürliches Lachen war wider Erwarten überhaupt kein Problem für mich. Ich fand die Situation so seltsam und komisch, dass ich mich laufend über mich selbst amüsierte und von alleine lachen musste. Das Shooting machte richtig Spaß und war daher natürlich viel zu schnell wieder vorbei. Und die größte Schwierigkeit stand mir noch bevor. Denn als der Fotograf mir die verschiedenen Bilder zeigte, von denen ich eins zum Mitnehmen auswählen durfte, konnte ich mich beim besten Willen nicht entscheiden. Das ganz klassische, aber langweilige, oder doch lieber das keckere mit dem Bein oben? Nachdem ich sämtliche Personen im Raum inklusive meiner Mutter, die mich begleitete, befragt hatte, entschied ich mich schließlich für ein freches, eher offenherziges Bild.
Als ich dann wieder in meinen alten Klamotten mit dem Bild in der Hand die Firma Krüger verließ, überfiel mich ganz plötzlich die Erschöpfung. War wohl doch anstrengender als gedacht. Nun bin ich auf die nächsten Wochen gespannt. Nach dem Casting in Stuttgart, das am 2. Juli stattfindet, stellt Krüger-Dirndl die Fotos auf seine Homepage und Facebookseite. Vom 5. bis zum 19. Juli können Interessierte dann auf Facebook durch „Likes“ und Kommentare für ihre Favoritin stimmen. Eine Jury, die sich von dieser virtuellen Abstimmung beeinflussen lässt, kürt schließlich am 20. Juli ihr neues Krüger-Dirndl-Madl. Die Gewinnerin darf sich über ihren Dirndl-Gutschein freuen und wird sogleich für die folgende Kampagne eingespannt.
Für mich bleibt eigentlich nur noch abzuwarten. Und zu hoffen. Denn dies ist schließlich eine knallharte Competition, wie Heidi Klum sagen würde. Ich als Dirndl-Madl – was mir vor nur einer Woche noch absolut lächerlich und unvorstellbar erschien, wurde nun ausprobiert und für gut befunden.