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Als Kaiser in Kirchheim ein kleiner König war

Fußball Der VfL dient talentierten Kickern aus der Region seit Jahrzehnten als Sprungbrett oder Durchgangsstation für eine Profikarriere im In- und Ausland – ein Überblick über all jene, die an der Jesinger Allee dem Ball nachgejagt haben. Von Klaus Schlütter

Der VfL Kirchheim hat im Fußball schon bessere Zeiten als aktuell in der Bezirksliga erlebt. Zwischen 1986 und 2011 waren die „Blauen“ Stammgäste in den oberen Amateurligen, konnten sich einmal sogar in der Regionalliga sonnen (1997). Aber nicht nur in jenen „goldenen Jahren“ war das Stadion an der Jesinger Straße Geburtsstätte oder Durchgangsstation für zahlreiche Profis im In- und Ausland. Der vorläufig letzte Spieler mit VfL-Vergangenheit, der es in die Bundesliga geschafft hat, ist Keven Schlotterbeck (21) vom SC Freiburg. Er feierte sein Debüt am 3. Februar beim 2:2 in Stuttgart.

Der Regent der „Roten Bullen“

Ob der VfL für den talentierten Abwehrspieler Ausgangspunkt für eine weitere große Karriere war? Auf Dominik Kaiser trifft das zu. Er kam 2004 als 15-Jähriger aus Waldstetten zu den „Blauen“. Weil er noch keinen Führerschein hatte, chauffierten ihn die Eltern. Sie waren stark gefordert, denn der Sohnemann war auch ein begabter Tennisspieler, der Turniere im In- und Ausland bestritt. Der Tennisbund bedrängte ihn, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen und sich voll auf den kleinen Filzball zu konzentrieren. Doch „Dome“ winkte ab: „Tennis war nie eine Option für mich.“

Ab 18 zählte für ihn nur noch Fußball. Eine Entscheidung, die sich bezahlt machte - in doppelter Hinsicht. Nach drei Lehrjahren beim VfL ging es mit der Karriere steil aufwärts: Über Normannia Gmünd und auf Vermittlung seines 14 Jahre älteren Bruder Steffen, Arzt am Esslinger Krankenhaus und selbst ehemaliger VfL-Mittelfeldregisseur, zur TSG Hoffenheim. War Kaiser bis dahin noch der kleine König, so stieg er bei RB Leipzig unter Ralf Rangnick zum großen Regenten auf. Als torgefährlicher Schlüsselspieler und Mannschaftskapitän hatte er wesentlichen Anteil am Durchmarsch von der dritten in die erste Bundesliga.

Nach sechs Jahren bei den „Roten Bullen“ animierte Trainer Alexander Zorniger seinen Wunschspieler 2018 zum Wechsel nach Dänemark. Beim Vorjahrs-Vizemeister und Pokalsieger Bröndby IF ist der 30-Jährige einer von acht deutschen Profis.

Nach Anlaufproblemen avancierte Kaiser rasch zum kreativsten Offensivspieler im Team. Der Kopenhagener Vorortklub hat aktuell gute Aussichten, sich wie im Vorjahr wieder für die Europa League zu qualifizieren. Allerdings ohne Alexander Zorniger: Der Schwabe ist nach dem ersten Rückrundenspiel, das Bröndby 1:2 verlor, bereits wieder entlassen worden.

Von Beuren in die Bundesliga

Wie für Kaiser war Kirchheim auch für Christian Gentner (33) das Sprungbrett für seine Profikarriere. Als 13-Jähriger ging der mittlere von drei Brüdern aus Beuren 1998 ein Jahr beim VfL „in die Lehre“. Hansi Kleitsch, damals Nachwuchstrainer beim VfB Stuttgart, erkannte das große Potenzial, das in „Gente“ steckte und lotste ihn nach Bad Cannstatt. Nach einem Intermezzo beim VfL Wolfsburg und fünf Länderspielen kämpft der Kapitän aktuell mit dem VfB gegen den dritten Abstieg aus der Bundesliga.

Wandervogel aus Schlierbach

Die älteren Fans werden sich noch gut an den Namen Wolfgang Frank erinnern. Für den dynamischen Stürmer aus Schlierbach stand die fußballerische Wiege ebenfalls in Kirchheim. In der Saison 1970/71 kickte er beim VfL, dann zwei Jahre beim VfB, bevor er zum Wandervogel wurde. Er ging für neun Vereine auf Torjagd, darunter für AZ Alkmaar in Holland, Eintracht Braunschweig, Borussia Dortmund und den 1. FC Nürnberg. In 215 Bundesligaspielen schoss der wendige, nur 1,72 Meter große, aber kopfballstarke Frank 89 Tore, allein 52 für Braunschweig. Danach trainierte er nicht weniger als 15 Vereine, erreichte 1994 mit RW Essen das DFB-Pokalfinale und schaffte 2003 mit der SpVgg Unterhaching den Aufstieg in die 2. Liga. Wolfgang Frank starb 2013 im Alter von 62 Jahren an einem Gehirntumor.

Die Achse Kirchheim-Degerloch

Noch einer mit Karrierestart unter der Teck: Cristian Fiel (38), Deutsch-Spanier, gebürtig in Esslingen. In der VfL-Jugend war er drei Jahre lang ein Weggefährte von Dominik Kaiser. Dann ging es zu den Stuttgarter Kickers, zu Union Berlin, VfL Bochum, Alemannia Aachen und letztlich zu Dynamo Dresden, wo er heute die Jugend trainiert.

Apropos Kickers: Auf der Achse Kirchheim-Degerloch bewegten sich weitere Spieler. Stürmer Andreas Kleinhansl (55) aus Neuhausen feierte mit den großen „Blauen“ 1988 den Aufstieg in die Bundesliga. Kickte dann vier Jahre beim VfL, kehrte zurück und war von 1999 bis 2002 Geschäftsführer.

Peter Starzmann (56) aus Deizisau ging von 1987 bis 89 und 1990/91 unter der Teck auf Torjagd, dazwischen eine Saison unterm Fernsehturm. Später war er Co-Trainer von Ralf Rangnick beim VfB Stuttgart.

Nach 27 Spielen für die Kickers wechselte Uwe Igler (54) für eine Saison zu Schalke 04, bevor er seine Karriere Ende der Neunziger in Kirchheim ausklingen ließ.

Chemie Buna Schkopau in der DDR war der Heimatverein von Abwehrspieler Thorsten Raspe (49). Zwischen 1995 und 2001 lief er in der 2. Liga 134 Mal für die Kickers auf und verstärkte später zwischen 2004 und 2008 den VfL.

19 Bundesligaspiele und 109 Zweitligapartien für den VfB bestritt Manfred Schnalke (53) aus Marbach, bevor er zum VfL kam. Gehandicapt durch eine Knieverletzung konnte er in den zwei Jahren (1997 bis 1999) sein Potenzial nicht mehr voll entfalten.

Im Gegensatz zu Ralph Bany (54), einem Leistungsträger mit 62 Einsätzen zwischen 1986 und 1988, bevor ihn der KSC engagierte. Vom SSV Ulm aus der 2. Liga kam Torwart Thomas Richter (57) 1990 für zwei Jahre zum VfL, zog dann zum Wuppertaler SV weiter.

Das kürzeste Gastspiel an der Jesinger Straße gab einer, der einst Anfang der Siebzigerjahre mit Franz Beckenbauer und Gerd Müller als Flügelflitzer mit den Bayern 55 Mal in der Bundesliga wirbelte, dreimal Meister wurde und den Europapokal gewann (1974): Willi Hofmann (70) aus Rechberghausen. Nach zwei verdrießlichen Monaten in der Bezirksliga flüchtete er am Ende der Saison 1980/81 zum SSV Ulm in die 2. Liga.

Umgekehrt hatte der Reichenbacher Steffen Handschuh (38), der 1996/97 ein Jahr in der Kirchheimer A-Jugend kickte, den kürzesten Auftritt in der Bundesliga. 2002 in Freiburg in der 64. Minute für Christian Tiffert eingewechselt, erzielte er das Tor zum 2:0-Endstand für den VfB. Das wars dann schon für den Sohn von B-Nationalspieler Karl-Heinz „Charly“ Handschuh. Ein Knieschaden bedeutete das vorzeitige Ende seiner 26-Minuten-Profilaufbahn.