Beim 100-jährigen Bestehen umfasst der Kirchheimer Trachtenverein immer noch viel mehr als Trachtenmode
Alte Bräuche pflegen, erhalten, weitergebentermine

Der Trachtenverein Kirchheim feiert das ganze Jahr 2012 Geburtstag. Die erste Hälfte des Jahres ist vorbei und mit ihr zahlreiche Auftritte und Feste. 100 Jahre Gebirgstracht und 50 Jahre Kirchheimer Trachtengruppe geben Anlass für einen kleinen Rückblick in die Entwicklung und die Geschichte des Kirchheimer Trachten­vereins.

Kirchheim. Vor dem Ersten Weltkrieg zwingen Arbeitslosigkeit und Not bayrische Landsleute, ihre Heimat zu verlassen und Arbeit in anderen Ländern Deutschlands zu suchen. So kommen einige auch nach Kirchheim, um in der Teck-Stadt am Fuße der Schwäbischen Alb ein neues Leben zu beginnen. Den heimatlichen Gesang und Tanz, aber auch die heimische Tracht, wollen die gebürtigen Bayern jedoch nicht aufgeben. Dieser Gedanke gibt 1912 Anstoß zur Gründung des Bayernvereins Bavaria.

Von da an entwickelt sich der junge Verein stetig, macht auf sich aufmerksam. Kleine Veranstaltungen mit Gesang, Zitherspiel und Schuhplatteln erhalten das bayerische Volks- und Brauchtum und bringen es den Kirchheimern näher.

Dann, 1914, kommt der Erste Weltkrieg und unterbricht die Entwicklung des Vereins, ja legt ihn sogar gänzlich lahm. Nach Ende des Krieges im Jahre 1918 finden sich die nach Hause gekehrten Mitglieder aber wieder zusammen. Schon einige Jahre später ist es dem Verein möglich, ein großes Fest mit zahlreichen Gästen und Vereinen zu veranstalten. Die erste Fahne des Vereins wird geweiht.

Im Jahr 1937 kann der Verein sein 25-jähriges Stiftungsfest begehen. Zahlreiche Vereine und Festteilnehmer beweisen dem Jubilar ihre Freundschaft und Verbundenheit. Die Pflege heimatlichen Brauchtums, landsmannschaftliche Verbundenheit und Zusammengehörigkeit stehen im Mittelpunkt der Veranstaltung.

Doch wieder wird das rege Vereinsleben durch den Ausbruch eines Krieges unterbrochen. Nur wenige in der Heimat verbliebene Mitglieder treffen sich während des Zweiten Weltkriegs. Durch die Einflüsse des Krieges hört das Vereinsleben schließlich gänzlich auf. Der Beschluss, den Bayernverein Bavaria weiterzuführen fällt erst 1947. Die alten Grundlagen und Aufgaben werden dabei beibehalten, der Name des Vereins wird aber fünf Jahre später in „Bayern- und Trachtenverein“ geändert.

In Verbindung mit dem Gaufest des Südwestdeutschen Gauverbandes der Heimat- und Trachtenvereine wird 1962 das 50-jährige Vereinsjubiläum begangen. Es wird als erstes „internationales“ Trachtenfest in Kirchheim bezeichnet. Viele Vereine des In- und Auslandes nehmen teil und zeigen so ihre Verbundenheit zu Kirchheim. Gleichzeitig geben sie den Kirchheimern Einblicke in ihre Arbeit im Rahmen der Heimat-, Volks- und Brauchtumspflege.

Seit dieser Zeit ist der Kirchheimer Verein in einer steten Aufwärtsentwicklung. Die bodenständige „Kirchheimer Schäfertracht“ wird 1962 entwickelt, um die Bedeutung der kulturellen Aufgaben brauchtumspflegender Vereine wertzuschätzen. Vorgabe für die Herstellung der Kleider sind dabei Unterlagen im Landesmuseum Stuttgart. Professor Dr. Walzer aus Stuttgart, Trachtenschneider Rudolf Zügel aus Backnang und Emma Götz aus Kirchheim fertigen die Trachten genau nach diesen Vorlagen und stellen sie der Bevölkerung zum ersten Mal vor.

Schon Anfang der 60er-Jahre geistert in den Köpfen jüngerer Vereinsmitglieder der Gedanke, die verloren gegangene alte Kirchheimer Tracht wieder ins Leben zu rufen. Die Idee scheitert zunächst an konservativen Vereinsmitgliedern. Diese wollen, wohl aus Abstammungsgründen, nicht einsehen, dass ein Bayern- und Trachtenverein nicht nur die von den Gründern eingebrachten Trachten und Bräuche zu pflegen habe, sondern auch Brauchtum und Tracht der Wahlheimat.

Seit dieser Zeit gibt es im Kirchheimer Bayern- und Trachtenverein neben der bayerischen „Miesbacher Tracht“ die „Kirchheimer Volkstracht“, die sich den alten schwäbischen Volkstänzen widmet.

Im Jahr 1964 findet abermals eine Änderung des Vereinsnamens statt. Die Entwicklung der bodenständigen Trachten in Baden-Württemberg trägt dazu bei, den Bayern- und Trachtenverein Kirchheim in „Trachtenverein e.V. Kirchheim unter Teck“ umzubenennen.

Neue Impulse für den Werdegang des Vereins entstehen. Die aktive Plattlergruppe und die aktive Volkstanzgruppe werden weit über die Grenzen des Kreises, des Landes und der Bundesrepublik bekannt und entwickeln sich so zu tragenden Säulen des Vereins.

Ein neues Fest wird geplant, eine neue Fahne entworfen und angefertigt, die 1967 anlässlich eines großen internationalen Trachtenfestes geweiht wird. Über 70 Gruppen mit neun ausländischen Gastgruppen geben diesem Festzug seine Farbenpracht.

Im Jahr 1971 wird die „Volkstrachtengruppe“ in „Kirchheimer Trachtengruppe“ umbenannt. Die Umbenennung soll die Verbundenheit zur Stadt Kirchheim und ihrer Bevölkerung zum Ausdruck bringen, aber auch Verpflichtung sein.

Das Miesbacher Land mit seinem herrlichen Zentrum, der Stadt Miesbach, ist die Wiege für die von vielen Menschen getragene Gebirgstracht. Heimat ist überall, dazu bedarf es keiner Berge. Dieses Ursprungsgebiet bezeichnet man auch als den „alten Sundergau“ (Südgau). In der alten Grafschaft Hohenwaldeck und dem alten Tegernsee gibt es markante und traditionelle Eckpunkte, wo diese Trachtenform ihren Ursprung hat und ihre weitere Entwicklung hatte.

Das Erscheinungsbild der Tracht ist weltbekannt. In den Jahren 1840 bis 1850 entwickelte sich die Tracht weiter und neue Elemente kamen hinzu. Besonders hervorzuheben ist dabei an der „neuen“ Tracht die graue Männerjacke, welche man gemeinhin als „Joppe“ bezeichnet. Die Trachtenträger der Gebirgstrachtengruppe Kirchheim pflegen und erhalten in diesem Sinne die Tracht und das damit verbundene Brauchtum mit vielen Aktivitäten.

Vor 30 Jahren gegründet wurde die Goislschnalzer-Gruppe. Immer noch mit viel Eifer dabei sind Ehrenvorplattler Konrad Bachmeier und seine Goislschnalzer. Entstanden sind die Plattler aus der täglichen Arbeit der früheren Fuhrleute. Diese knallten bei ihrer Arbeit mit Peitschen, um mit deren Schnalzen auf sich und ihre Arbeit aufmerksam zu machen und an gefährlichen Stellen zu warnen. Das Wichtigste an den „Goisln“ ist dabei der sogenannte „Knallerl“, ein Stück Schnur. Damit können, je nach Länge und Ausführung , die verschiedensten Klänge erzeugt werden. Eine besondere Form war und bleibt das Goisln mit den über drei Meter langen Lederpeitschen bei besonderen Anlässen. Sehr viel Kraft und Geschicklichkeit sind dabei vonnöten und es geht oftmals nicht ohne Blessuren ab.

Die Zukunft zeigt sich in der aktiven und erfolgreichen Jugendarbeit des Vereins. Es wird nicht nur altes Brauchtum gepflegt und erhalten, es wird auch an die Jugend erfolgreich weitergegeben. So können die guten Werte der Vergangenheit auch in der heutigen „modernen“ Welt nicht verloren gehen. Die Glockenspielgruppe des Vereins wurde aus der Kinderschar heraus neu aufgestellt und ist dank ehrenamtlicher Leiter auf dem besten Wege.

Wer einen Heimat- oder Festabend oder andere trachtlerische Festlichkeiten besucht, gebraucht Auge und Ohr, um die Vielzahl des Gebotenen zu erfassen. Heimattänze sind Frohsinn und glückliches, kraftvolles Leben, Figurentänze sind fester Bestandteil der Probenarbeiten und stellen eine wunderbare Ergänzung der Brauchtumspflege dar.ah

Sein zweites Jubiläumshalbjahr begann der Trachtenverein Kirchheim mit einem Kinderfest der Trachtenjugend.

Am Samstag, 7. Juli, wird ein Fackelfest mit DJ Siggi folgen. Das Fest beginnt um 18 Uhr in einem Zelt am Vereinsheim.

In Wildberg/Gaufest in Schwend wird am Sonntag, 22. Juli, ein Schäferlauf stattfinden.

Am Freitag, 14. September eröffnet der Verein eine Trachtenausstellung in der Kreissparkasse Kirchheim und nimmt am Tag darauf am Wollmarktfest in Kirchheim teil. Hier wird er auf dem Schlossplatz zu finden sein.

Am Sonntag, 30. September, folgt ein Schnitzelfest mit Livemusik im Zelt am Vereinsheim, danach feiert der Verein den Abschluss seines „Geburtstagsjahres“ am Samstag, 27. Oktober, bei einem Festabend in der Stadthalle.