Peter Dietrich
Kirchheim. Der Mietvertrag wurde im Dezember des Jahres 2012 unterschrieben, es folgte der Einzug des Mieters und seiner Partnerin ins Notzinger Haus, das der Mieter „als eine Perle“ empfand. Doch das Glück währte leider nicht lange.
Wie sich die Streitigkeiten zwischen Mieter und Vermieter im Lauf der Zeit hochschaukelten, wie sie schließlich zu mehreren Kündigungen führten, wurde bei der Verhandlung sehr deutlich. „Die Schriftsätze der Anwälte sind sehr lang“, beklagte die Richterin, gab zugleich zu, dass sie nur wenig Zeit gefunden hatte, sich mit den umfangreichen Akten vorab zu beschäftigen. Sie wollte die Ereignisse nochmals aus dem Mund der beiden Parteien hören: „Wo ist das Problem?“
Das Problem äußerte sich in vielen kleinen und großen Dingen: Die beiden Parteien berichteten von Differenzen um einen Laminatfußboden und die Ablesung einer Wasseruhr, vom Streit über Unkraut und das Lüften des Kellers, von gegenseitigen Beschimpfungen und Provokationen. Strittig war auch die Nutzung des Hinterhofs – als der Mieter nicht zu Hause war, lud ein Lieferant dort Holz ab. „Wir können hier nicht in Ruhe leben. Ich will auf meinem Grundstück so leben, wie ich es für richtig halte“, sagte die im Nachbarhaus lebende Mutter der Vermieterin. „Wir sind ständig unter Beobachtung“, klagte der Mieter. Der Streit hatte bei manchen Beteiligten auch gesundheitliche Folgen.
Der Mieter bekam die Kündigung seiner für das wertvolle Motorrad mitgemieteten Garage, wegen Eigenbedarf. Er sah darin nur einen Vorwand: So, meinte er, habe sich die Vermieterseite nach dem von ihm erteilten Hausverbot wieder Zugang
„Der Vergleich setzt voraus, dass Sie willig sind, ihn zu leben“
verschaffen wollen. Irgendwann drohte der Mieter, als letzten Weg den Arbeitgeber der Vermieterin von den Vorgängen zu informieren, machte diese Drohung aber nicht wahr. Eine Drohung, die ihm die Richterin dennoch sehr übel nahm. Tue er dies tatsächlich, gehe die nächste Kündigung durch. „Dann sind Sie bei mir ganz schnell draußen.“
„Die Parteien gehen mit vielen Vorurteilen miteinander um“, befand die Richterin. „Man hört nicht richtig zu.“ Fotos von Besuchern der Mieter zu machen, ohne diese zu fragen, sei nicht zulässig, ermahnte sie die Vermieter. „Sie haben nicht das Recht, da ihr Fahrzeug abzustellen“, mahnte sie den Mieter zum Freihalten der Zufahrt. „Ich wusste nicht, dass ich die Zufahrt separat mieten muss“, entgegnete der Mieter.
Die Richterin machte auf beiden Seiten Nachholbedarf aus, „wie man mit Mietern und Vermietern umgeht“ und sah ein weiteres Zusammenleben nicht einfach: „Irgendeine Kleinigkeit passiert und wird der Aufhänger für etwas Großes.“ Möchte man über eine gütliche Einigung beraten? „Wir sperren uns nicht“, sagte der Anwalt der Vermieter. Die Mieterseite stimmte nach kurzer Beratung mit der Anwältin ebenfalls zu.
Die Richterin warnte vor einem weiteren gerichtlichen Verfahren, vor Juli werde dieses aus terminlichen Gründen nicht weitergehen. Falls es dazu komme, werde sie Zeuge um Zeuge hören, Monat für Monat aufarbeiten: „Kündigungsgründe müssen vom Vermieter bewiesen werden.“ Nach ihrem Vorschlag wird das Mietverhältnis beendet, für die Räumung gibt es eine Frist bis zum Jahresende. Für jeden Monat, den der Mieter früher geht, erhält er 400 Euro. Die Zufahrt dient nur noch als solche, beim Auszug darf der Mieter den Hof zum Be- und Entladen benutzen. Beide Seiten verpflichten sich zu einem respektvollen und friedfertigen Umgang und lassen die Vergangenheit ruhen.
Ruhen lassen will die Vermieterseite nun auch das Vermieten, zumindest vorläufig. Deshalb gibt es keinen Nachmieter, dem der Mieter die übernommene Einbauküche weiterverkaufen könnte. Es ist nicht die einzige Hürde. „Der ganze Vergleich setzt voraus, dass Sie willig sind, ihn auch zu leben“, mahnte die Richterin. „Jeder muss sich an die eigene Nase fassen.“ Beide Parteien haben nun bis 30. April Zeit, sich für oder gegen den Vergleichsvorschlag zu entscheiden.