Kirchheim. Streng waren sie, die Richtlinien, nach denen die Restauratoren an den Fresken im Innern der Petruskirche zu arbeiten hatten. Nichts durfte hinzugemalt werden, was nicht bereits vorhanden war. Die Farbe durfte immer nur in feinen Punkten aufgetragen werden, sodass der Fachmann hinterher die Ausbesserungen erkennen konnte. Damit die Restaurierung nachvollzogen werden konnte, wurden die nach dem Ausbau der Emporen freigelegten Wandmalereien zuvor fotografiert.
Doch was soll der Einzug Jesu in Jerusalem, auf einem Esel reitend, an dieser Stelle im Passionszyklus an der Nordwand? „Hier irrt der Restaurator“, sagte Götz in seinem Vortrag. Er habe wohl etwas zu sehen geglaubt, was gar nicht da war. Viel passender sei an dieser Stelle des Zyklus‘ ein Bild, auf dem Jesus der Menschenmenge vorgeführt wird oder eines, auf dem Pilatus seine Hände in Unschuld wäscht.
Für die rund 100 Besucher des Festakts gab es noch viele andere interessante Einblicke: Die Erweiterung vor 60 Jahren – als die Ostwand der Kirche versetzt wurde – war nicht die erste. Stand doch am Anfang eine Kapelle, die gerade mal fünf mal zehn Meter groß war. Der Taufstein, bei einer früheren Kirchenrenovierung als unpassend angesehen und in den Garten verbannt, kehrte 1960 wieder in die Kirche zurück. Aufschlussreich waren die Dokumente, welche die goldene Kugel auf dem Kirchturm verbarg. Sie verrieten, dass die Schäferei um das Jahr 1896 immer mehr zurückging, Obst zur Haupteinnahmequelle wurde, die Gemeinde „durch Steuern hart bedrückt“ war.
Nein, es war kein Bombenangriff, aber das Ergebnis auf dem Foto sah ähnlich aus. Denn von der Petruskirche blieben 1959 und 1960 nur der Turm und drei Seitenwände stehen, der Turm wurde abgestützt. Die Fresken wurden durch eine Bretterverschalung geschützt. Der Abriss geschah in Feierabendarbeit, Männer und Frauen waren gleichermaßen beteiligt. Die Arbeit auf dem Dach verlangte Schwindelfreiheit. Um die schweren Balken zu tragen, waren bis zu acht Mann nötig, die Balken wurden anschließend versteigert. Die beim Graben entdeckten Knochen und Schädel wurden später neu beigesetzt. Die fleißigen Kirchbauer auf den Bildern zu identifizieren machte den Zuschauern keinerlei Probleme, aber viel Freude.
Den Mut von damals wünscht sich Pfarrer Roland Conzelmann auch heute, denn: „Wir dürfen nie aufhören, die Kirche zu reformieren.“ Die Petruskirche dürfe nie ein Museum sein, sondern ein Ort, an dem der Glaube lebendig sei. Bei seiner Predigt zeigte Conzelmann den Zuhörern den Schlüssel der alten Sakristeitür. Sein Bart in Kreuzform sei ein Symbol: „Das Kreuz ist der Schlüssel. Es durchkreuzt unsere Schuld, den Tod, steht für den völligen Neuanfang.“ Die Predigt war mit Liedern des Petrusoratoriums von Siegfried Fietz und Johannes Jourdan verzahnt. Thema waren einige der „Schlüsselerlebnisse“, die Petrus mit Jesus erlebt hat. Entgegen aller Vernunft wirft der erfahrene Fischer auf Jesu Anweisung seine Netze genau an der richtigen Stelle aus – und macht den Fang seines Lebens. Die Ausschnitte des poppigen Oratoriums hatte die Dirigentin Natalia Katsnelson mit den Kirchenchören Jesingen und Hattenhofen einstudiert, als Solist war Bernd Reichenecker engagiert. Der kräftige Applaus am Ende des Gottesdienstes war verdient.
Beim anschließenden Ständerling vor der Kirche spielte der Posaunenchor, dazu gab es gebackene Schlüssel und einen Apfelsaftverkauf. Der von der Stadt Kirchheim als Teil der Ortskernsanierung umgestaltete Vorplatz mit der Treppe zur Kirche bot für das Stehen, Sitzen und Schwätzen beste Voraussetzungen.