Steingau-Quartier
Auch beim Heizen braucht es Netzwerke

Wärmeversorgung Stadtwerke-Geschäftsführer Martin Zimmert sieht im Steingau-Quartier ein Pilotprojekt, dem in Kirchheim noch viele weitere folgen könnten – unabhängig von der künftigen Energieerzeugung. Von Andreas Volz

Für die Kirchheimer Stadtwerke ist das Steingau-Quartier eine Besonderheit: Es war ein Novum. „Das ist das erste Projekt für uns, wo wir private Wohnungen mit Wärme versorgen“, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Martin Zimmert. Zuvor hätten er und sein Team „geübt“, indem städtische Liegenschaften in kleineren Wärmenetzen versorgt wurden, über zentrale Anlagen. Dazu zählten Schulen ebenso wie Gebäude in der Innenstadt. Aktuell sei eine gemeinsame Wärmezentrale für das Technische Zentrum und die Berufsschulen im Werden: „Zur Heizperiode 2023/24 wird es fertig.“

Außerdem seien die Stadtwerke gerade dabei, „bei einem privaten Bauvorhaben mitzuplanen“. Wenn es um die Wohnbebauung am Ötlinger Güterbahnhof geht, sitzen die Stadtwerke ebenfalls mit den Planern am Tisch, in diesem Fall aber nicht mit privaten Planern, sondern mit städtischen.

Wärmenetzen kommt Martin Zimmert zufolge eine große Bedeutung zu, wenn es ums Heizen in der Zukunft geht. Aber längst nicht alle Wohngebiete seien dafür in gleicher Weise geeignet: „Im kommunalen Wärmeplan ist Kirchheim in über 150 kleinere Bereiche eingeteilt. Nicht für alle Bereiche empfiehlt sich ein Wärmenetz.“ Der Plan sei sehr dynamisch ausgelegt, er verändert sich also regelmäßig. Derzeit gebe es in Kirchheim einen Bedarf für etwa 45 Wärmenetze.

Das Netz als solches ist für Martin Zimmert zunächst einmal das Entscheidende. Für das Steingau-Quartier liefert er entsprechende Zahlen: „Da haben wir 600 Meter Leitung im öffentlichen Bereich, also unter den Straßen.“ Weitere 1 600 Meter Leitung, die zum Netz der Stadtwerke gehören, liegen in den Tiefgaragen des Steingau-Quartiers. Nicht mitgezählt sind die privaten Leitungen, die von den jeweiligen Hausanschlüssen in die Wohnungen führen. Aber für circa 330 Wohn- und Gewerbeeinheiten im Quartier gibt es 44 Übergabestationen für die Fernwärme, die in diesem Fall ganz aus der Nähe kommt.

Wie wird nun die Wärme fürs Steingau-Quartier erzeugt? Das ist nicht ganz so innovativ, wie Martin Zimmert offen zugibt: „Die Technologie gibt es schon länger. Sie wird bis heute als Brückentechnologie gesehen.“ Die beiden Blockheizkraftwerke in der Rosa-Heinzelmann-Straße werden mit Gas betrieben. Zudem gibt es in der Anlage noch einen Gaskessel für die Spitzenlastabdeckung.

„Bilanziell“ wird Biogas verheizt

In einem der beiden Blockheizkraftwerke wird Biogas verwendet, wenn auch nur „bilanziell“. Das bedeutet, dass die Stadtwerke Kirchheim den Einsatz von Biogas bezahlen, irgendwo vor Ort, wo das Biogas produziert wird. Das Gas nach Kirchheim zu transportieren, um es hier zu verwenden, würde die Klimaschutzziele des Geschäftsmodells ad absurdum führen. Kirchheim profitiert trotzdem vom Biogas, das in der Ferne zum Einsatz kommt: über Fördermöglichkeiten, die die Stadt dafür in Anspruch nehmen kann, dass sie „auf dem Weg ist, klimaneutraler zu werden“.

Der Vorteil der Blockheizkraftwerke liegt darin, dass die Stadtwerke im Steingau-Quartier außer Wärme auch Strom erzeugen. Der Strom wird zwar – im Gegensatz zur Wärme – nicht über ein eigenes Netz im Quartier verteilt, sondern ins öffentliche Netz eingespeist. Allerdings profitieren die Bewohner im Steingau-Quartier von der Vergütung für den Strom: „Das geben wir komplett weiter.“ Die Preise fürs Heizen im Quartier sind entsprechend günstiger.

Zum Schnäppchenpreis gibt es das Heizen deswegen trotzdem nicht. Das liegt vor allem an den gestiegenen Energiepreisen seit der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg. Die Preissteigerungen beim Gas müssen die Stadtwerke letztlich an die Kunden weitergeben: „Aber wir haben das Geld bereits abgezogen, das der Staat über die Wärmepreisbremse zuschießt.“ Wegen der hohen Gaspreise dürften derzeit nicht alle Bewohner im Quartier mit ihrer Heizung zufrieden sein. Martin Zimmert betont deshalb: „Der Beschluss für die Wärmeversorgung ist zu einem Zeitpunkt gefasst worden, als ich noch nicht bei den Stadtwerken war.“

Deshalb kommt er im Gespräch auch schnell auf die Bedeutung des Wärmenetzes zurück: „Wenn das im Boden liegt, ist die Art der Energieerzeugung nicht mehr ganz so wichtig.“ Ob die Zukunft mehr auf Wasserstoff oder auf Geothermie setzt, werde sich zeigen. Die Stadtwerke seien da flexibel.

Das Problem des Leitungsnetzes besteht im Bestand allerdings darin, dass es sich nicht ganz so leicht nachträglich legen lässt. So gesehen eignen sich neu zu erschließende Baugebiete wie das Steingau-Areal ideal für eine zentrale Wärmeversorgung.