Kirchheim. Der Oberbürgermeisterin war es sichtlich unangenehm, dass dieses heikle Thema in der öffentlichen Diskussion zur Sprache kam. Schließlich seien die Beratungen zur Schulentwicklungsplanung im Esslinger Kreistag bislang noch nicht öffentlich geführt worden, sagte Angelika Matt-Heidecker gestern auf telefonische Nachfrage des Teckboten. Trotzdem ging sie nun in die Offensive und berichtete, was sie über die Planspiele des Landkreises Esslingen in dessen Eigenschaft als Schulträger weiß.
Der Geburtenrückgang mache auch vor den Berufsschulen nicht Halt. Von derzeit etwa 12 000 Schülern, die eine von acht beruflichen Schulen in Esslingen, Kirchheim oder Nürtingen besuchen, sinke die Schülerzahl innerhalb der nächsten 15 Jahre auf etwa 9 000. Das ist aber nur einer der Gründe für die Gespräche, die der Landkreis momentan mit Schulleitungen sowie mit Vertretern der Wirtschaft und der Kommunen führt. Ein weiterer Grund ist die Bausubstanz der Schulgebäude. Laut Angelika Matt-Heidecker muss der Landkreis circa 100 Millionen Euro investieren, um seine Schulgebäude wieder auf Vordermann zu bringen.
Die Kirchheimer Stadtverwaltung überlegt deshalb, ob sie dem Landkreis im Fall eines geplanten Neubaus einen neuen Standort für die beruflichen Schulen in Kirchheim anbieten kann – etwas näher am Bahnhof, sodass eine bessere Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel gegeben wäre. „Wo wir städtebaulich wirken können, tun wir alles zur Unterstützung der beiden beruflichen Schulen in Kirchheim“, sagt Oberbürgermeisterin Matt-Heidecker.
Eines ist ihr deutlich bewusst: „Dass es Veränderungen geben muss, ist klar.“ Nicht nur gehen die Schülerzahlen zurück oder stehen Sanierungen an. Auch die Inhalte der Berufsausbildung verändern sich. Deshalb müssten auch die vorhanden
en Strukturen auf die Zukunft ausgerichtet werden. Das schließe aber nicht aus, vorhandene Strukturen aufrechtzuerhalten. Wenn es denn je so sein sollte, dass irgendwann die Max-Eyth-Schule als solche geschlossen werden würde, dann vertraut Kirchheims Oberbürgermeisterin darauf, dass deswegen nicht auch noch die lange Tradition der gewerblich-technischen Ausbildung in Kirchheim beendet sein muss. „Diese Ausbildung gehört zum Anspruch der Stadt Kirchheim als Bildungsstadt.“ Im schlimmsten Fall müssten eben gewisse technische Fächer, die ohnehin enger mit dem kaufmännischen Bereich verknüpft sind, eines Tages an der Jakob-Friedrich-Schöllkopf-Schule unterrichtet werden.
So weit sind die konkreten Überlegungen im Landratsamt aber noch nicht fortgeschritten. Rolf Hahn, der Dezernatsleiter für Infrastruktur, bestätigte gestern die drei Punkte, die eine Schulentwicklungsplanung nötig machen: die Veränderung der Ausbildungsberufe, den Rückgang der Schülerzahlen und den Sanierungsbedarf an den kreiseigenen Schulgebäuden. Was die Schülerzahlen betrifft, geht Rolf Hahn in den nächsten 15 Jahren zwar „nur“ von einem Rückgang um 20 Prozent aus. Aber längerfristig setze sich diese Tendenz noch weiter fort. Wenn Kindergärten, Grundschulen und Hauptschulen von Schließungen bedroht sind, müsse sich das irgendwann zwangsläufig auch auf die Berufsschulen auswirken. Bei den Kosten für den Sanierungsbedarf sprach Rolf Hahn von einer „bedeutenden zweistelligen Millionenhöhe“, die durchaus die 100 Millionen erreichen könnte.
Die Schulgebäude seien meist 30 bis 40 Jahre alt, und Ziel aller Überlegungen müsse es sein, „viel Geld für etwas Zukunftsfähiges in die Hand zu nehmen“. Die Schulen sollten jetzt auf die nächsten 30 bis 40 Jahre ausgerichtet werden. Dabei werde es aber nicht von heute auf morgen zu Veränderungen kommen. „Entschieden ist noch gar nichts“, betont der Infrastruktur-Dezernent. Erst einmal sei ein Gutachten über die Gebäudesubstanzen in Auftrag gegeben. Mit Ergebnissen des Gutachtens rechnet Rolf Hahn für das „späte Frühjahr 2011“.
Anliegen des Landkreises sei es, in einem partizipativen Verfahren alle Beteiligten in die Diskussion einzubinden. Eines ist für Rolf Hahn dabei besonders wichtig, selbst wenn einzelne Schulen geschlossen werden sollten: „Der Landrat hat von Anfang an betont, dass keine der drei Kommunen grundsätzlich als Schulstandort infrage gestellt wird. Es wird überall auch weiterhin Berufsschulen geben.“