Wenige Wochen bis zum Steuerbescheid – Fast jede zweite Steuererklärung kommt elektronisch
Auch der Vorsteher weiß nicht alles

Wer zahlt schon gerne Steuern? Wer macht schon gerne eine Steuererklärung? Doch diese kann sich lohnen. Im Durchschnitt bekommen Arbeitnehmer vom Finanzamt Nürtingen 764 Euro zurück. Wie ein Arbeitgeber sein Geld umso schneller bekommt, verrät der neue Vorsteher Elmar Reichle.

Kirchheim. Fast jede zweite Steuererklärung kommt beim Finanzamt Nürtingen, inklusive der Außenstelle Kirchheim, inzwischen elektronisch an. Reichle freut die hohe Elster-Quote, mit der Nürtingen deutlich vor Esslingen liegt. Den Sachgebietsleiter Gerhard Krebs freut sie ebenso. Durch die interne Prüfung des Programms fallen Fehler schon beim Ausfüllen auf, das vermeidet spätere Nachfragen. Im Laufe der Jahre hat sich das von den Finanzämtern zur Verfügung gestellte Programm immer mehr verbessert „Elster ist ausgereift, läuft stabil“, sagt Reichle.

Seit 10. März werden im Finanzamt die Erklärungen für das Jahr 2013 bearbeitet, die ersten Bescheide wurden bereits versandt. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit liegt bei acht Wochen. Wenn kurz vor Fristablauf am 31. Mai der große Schwung Erklärungen eingeht oder in den Sommerferien auch Finanzbeamte Urlaub machen, dauert es schnell etwas länger. Wer seine erwartete Rückerstattung im Urlaub wieder ausgeben will, sollte sich also sputen. 4 500 Arbeitnehmer-Veranlagungen und 3 000 Einkommensteuererklärungen sind schon eingegangen.

Insgesamt hat das Finanzamt in Nürtingen und Kirchheim jährlich rund 74 000 Erklärungen zu bearbeiten. Am schnellsten geht es, wenn alles klar ist, eine Elster-Erklärung vom System vollautomatisch bearbeitet werden kann. Das passiert aber nicht sehr oft.

Früher begannen die Finanzämter bereits Ende Januar. Doch nun müssen sie auf die elektronische Übermittlung der Daten warten, zu der die Arbeitgeber bis Ende Februar verpflichtet sind. Auf diese Daten kann per „vorausgefüllter Steuererklärung“ nun auch der Steuerpflichtige zugreifen. Er muss sich dazu am PC mit seiner Identifikationsnummer authentifizieren. Etwa eine Woche später bekommt er einen Brief mit den Zugangsdaten. Danach kann er die Daten des Vorjahres abfragen, die das Finanzamt schon über ihn weiß. Damit steht das, was früher auf der Lohnsteuerkarte stand, automatisch in der Steuererklärung, die Krankenkassenbeiträge auch. Vorausgesetzt, die Firma hat alles korrekt ans Finanzamt gemeldet. Falls nicht, sollte der Arbeitnehmer unbedingt mit seinem Personalbüro reden. „Die Bürger sind für ihre Daten selbst verantwortlich“, sagt Krebs. Sie müssten ihrem Arbeitgeber natürlich auch mitteilen, ob er Haupt- oder Nebenarbeitgeber ist.

Steuererklärungen auf Papier, verspricht Reichle, werde es für Arbeitnehmer immer geben. Nur Betriebe und Selbstständige seien zu elektronischen Erklärungen verpflichtet. Die Daten, welche die Finanzämter vor einigen Jahren von den Kommunen übernahmen, waren, sagt Reichle, „nicht so glücklich“. Da stimmte etwa so mancher Kinderfreibetrag nicht. Das habe verschiedene Ursachen gehabt, unter anderem Softwareprobleme. Bis auf Einzelfälle sei nun alles berichtigt. Jetzt haben die Finanzämter auch etwas abgegeben: Für die Kraftfahrzeugsteuer ist in Baden-Württemberg seit diesem Monat der Zoll zuständig, im Mai ist die bundesweite Umstellung abgeschlossen.

Durch die elektronischen Steuererklärungen erwartet Reichle einen Rückgang des Andrangs bei der zent­ralen Informations- und Annahmestelle. Bisher kommt sie an beiden Standorten auf jährlich 70 000 Kontakte. Umgerechnet knapp 182 Vollzeitstellen gibt es derzeit an beiden Orten, sie verteilen sich auf 175 Frauen und 63 Männer, dazu kommen 22  Auszubildende. Bei den Azubis ist das Soll erfüllt, bei den anderen durch Personalmangel nicht ganz, eine Handvoll Stellen sind unbesetzt.

Könnten es sich da die beanspruchten Mitarbeiter manchmal nicht einfacher machen – kurze E‑Mail statt umständlichem Brief? Das sei eine Frage des Datenschutzes, betont Krebs. Der Bürger dürfe sich gerne per E-Mail ans Finanzamt wenden. Aber das Finanzamt dürfe nichts mit vertraulichen Daten per E-Mail schicken. „Das ist wie eine Postkarte, da kann jeder mitlesen.“

Bleibt die spannende Frage: Wovon hängt es im ersten Schritt ab, ob eine Steuererklärung näher überprüft wird? Reichles Antwort überrascht: Er weiß es nicht. Denn über die bundesweit einheitlichen Parameter des elektronischen Risikomanagementsystems sind die Finanzämter nicht informiert. Sie bekommen auch nicht Bescheid, wenn die Software verändert wird. Reichle weiß also nicht, nach welchen Auffälligkeiten die Software sucht. Schlägt sie an, wenn jemand im Vorjahr 50 Kilometer zur Arbeit fuhr und nun plötzlich 500 Kilometer angibt? Vielleicht. Nicht nur, dass die Regeln unbekannt sind: „Ein Zufallsgenerator ist auch noch drin“, sagt Reichle.

Unterm Strich hatte das Finanzamt Nürtingen im Jahr 2013 ein steuerliches Aufkommen von 988 Millionen Euro, fünf Jahre zuvor waren es 899 Millionen gewesen. Die Milliarde scheint jetzt also in Sichtweite. Noch mehr Zahlen gefällig? Der Altersdurchschnitt aller im Finanzamt Beschäftigten liegt bei 49,9 Jahren, die Teilzeitquote bei 52 Prozent. „Der Staat ist familienfreundlich“, sagt Reichle. Er klingt, als ob ihm das wichtiger ist als die nahe Milliarde.