Kirchheim. Sarah Wiener kennen die meisten als sympathische Fernsehköchin, Buchautorin und Unternehmerin. Aber die Deutsch-Österreicherin sitzt auch als Parteilose für die Fraktion der Grünen/EFA im Europäischen Parlament - und das aus Überzeugung. Denn die 58-Jährige ist leidenschaftliche Bio-Landwirtin und Hobby-Imkerin und kämpft mit Leidenschaft für eine bessere Qualität der Lebensmittel und bessere Bedingungen für ökologische Landwirtschaft und Viehhaltung. Sie hat einen eigenen Bio-Hof in der Uckermark, und von dort ist sie auch zugeschaltet für das einstündige Video-Interview mit dem Kirchheimer Landtagsabgeordneten Andreas Schwarz, der von Kirchheim zugeschaltet ist. „Dort kommst du vorbei, wenn du von Brüssel nach Wien fährst“, spricht er eine Einladung an Sarah Wiener aus.
Als Vizepräsidentin der Animal Welfare Intergroup setzt sie sich für bessere Haltung von Puten ein. „Deutschland ist einer von den schmutzigen Fünf“, sagt sie in Bezug auf die Bedingungen der industriellen Putenhaltung. Alle redeten von den „armen Schweinen“, aber die Pute werde vergessen. Wiener fordert hohe Standards wie in Österreich.
Die Ursachen sieht sie in einer Politik, die denen zugutekommt, die „von“ der Landwirtschaft verdienen, nicht „in“. „Landwirtschaftsmaschinen oder Saatguthersteller, da wird das Falsche subventioniert“, sagt sie. Als Vorbild, wie man es besser machen könnte, nennt die Köchin die südkoreanische Genossenschaft Hansalim mit ihren zwei Millionen Mitgliedern, in der regionale Bauern qualitativ hochwertige Produkte erzeugen und 70 bis 80 Prozent der Erlöse bekommen. „Die Bauern verbinden sich mit den Essenden“, sagt sie. Der Vorteil: Der in Europa so mächtige Handel ist außen vor und kann keine Marge abziehen. Nachhaltiger Anbau und Tierhaltung lohnen sich für die Produzenten dadurch wieder, auch ohne Subventionen. Andreas Schwarz ist begeistert: „Das werde ich mir anschauen.“
Wiener setzt sich für Biodiversität und Vielfalt im Ackerbau ein. „Die Spezialisierung auf ein Produkt für den Welthandel quält die Bauern. Sie wissen nicht, ob Tierfutter oder etwas anderes daraus wird. Das deprimiert doch, wer will so arbeiten?“
Wiener plädiert auch für mehr „Wahrheit“ auf den Etiketten von Lebensmitteln: „Das Tomatenmark aus Italien besteht zu 90 Prozent aus Tomaten aus China.“ Bei verarbeiteten Produkten besteht für viele Bestandteile keine Kennzeichnungspflicht, auch der „Nutri-Score“ sei eine Mogelpackung. Wieners Tipp lautet: „Esst nur das, was ihr im Zweifelsfall selbst kochen könnt.“ Auch deshalb engagiert sie sich mit der Initiative „ichkannkochen.de“ für Lebensmittelkunde und Kochkurse in Schulen. Thomas Zapp