Kreiskliniken wollen sich fit für die Zukunft machen – Vorarbeiten zu Vereinigung brachten Erkenntnisse
Auch ohne Fusion gut aufgestellt

Die Fusion der Kreiskliniken mit den Städtischen Kliniken Esslingen ist gescheitert, nachdem das Kartellamt sein Veto eingelegt hatte. Welche Folgen hat diese Entscheidung – vor allem für das Klinikum Nürtingen-Kirchheim? Klinikleiter Norbert Nadler sieht das Haus auf dem Säer gut aufgestellt. Dennoch gebe es noch viel zu tun, um das Haus zukunftsfest zu ­machen.

Kreis Esslingen. Das Ringen um die Fusion der Krankenhäuser im Landkreis, die helfen sollte, die wohnortnahe Krankenhausversorgung der Menschen langfristig zu sichern, ist gescheitert. Das Kartellamt hegte die Befürchtung, dass durch die Fusion der Kreiskliniken an den Standorten Nürtingen, Kirchheim und Ruit mit den Städtischen Kliniken in Esslingen ein Haus entstanden wäre, das eine marktbeherrschende Stellung innehaben würde.

Dennoch: Für Klinikleiter Norbert Nadler waren die Vorbereitungen und die geleistete Arbeit keine vergebliche Liebesmüh. Man habe „die anderen“ kennengelernt und in der rund ein Dreivierteljahr dauernden Projektarbeit gelernt, ihnen zu vertrauen. Rund 200 Mitarbeiter beider Seiten hätten in verschiedenen Projektgruppen zusammengearbeitet. Diese Erfahrungen nehme man mit in den anhaltenden Konsolidierungsprozess.

Man sei vor einigen Jahren aus einer schlechten wirtschaftlichen Situation gekommen, sagt Iris Weichsel, die Pressesprecherin der Kreiskliniken: „Wir waren unter Druck.“ Dann habe man alles beleuchtet. Auch im Prozess der Vorbereitung der Fusion. Deren Scheitern habe nun eigentlich nicht viel verändert. „Die Hausaufgaben sind dieselben geblieben“, betont die Pressesprecherin.

Das wirtschaftliche Ergebnis müsse verbessert werden. Und zwar so, erklärt Norbert Nadler, dass aus dem Ergebnis des laufenden Betriebs ein Gewinn erwirtschaftet werde, mit dem die Klinik neue Investitionen selbst tätigen könne. Die Kreiskliniken müssten dann aber noch lange keine so große Gewinnmarge einfahren wie private Kliniken, die auch noch Geld für Aktionäre erwirtschaften müssten. „Bei uns bleibt das Geld, das übrig ist, im Krankenhaus“, sagt Nadler.

Was ändert sich nun durch die Bemühungen um eine Fusion? „Wir sind zwar Wettbewerber“, unterstreicht Iris Weichsel. Aber: „Wir wollen schon mit den Städtischen Kliniken zusammenarbeiten, wo es möglich ist.“ Und natürlich wo es gesetzlich erlaubt ist. Zum Beispiel im Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie. Da wolle man mit Esslingen zusammen etwas Neues aufbauen. Esslinger werden dann Sprechstunden in Nürtingen abhalten, damit hier zum Beispiel vor Ort Besprechungen für die ganze Familie angeboten werden könnten. Auch Ruit und Esslingen sollen in diesem Bereich kooperieren.

Was hätte die Fusion gebracht? „Man hätte das Leistungsspektrum zwischen Ruit und Esslingen abgestimmt.“ Man hätte Schwerpunkte festgelegt. Die Zusammenführung der Kliniken in Kirchheim und Nürtingen wäre das Modell dafür gewesen. Es wären Doppelstrukturen abgebaut worden, wie die Krankenkassen das forderten. Vor allem in den Bereichen Service, Führung, Controlling oder Reinigung. Synergien hätte es zudem in der Apotheke, im Zentrallager, in der Küche gegeben. Nadler: „Das wären vor allem Einsparungen im sekundären Bereich gewesen.“

Daraus wird nun also nichts. Und so legt Nadler das Hauptaugenmerk auf das eigene Haus. Man müsse die Ärmel hochkrempeln, um das wirtschaftliche Ergebnis so zu gestalten, dass man Investitionen selbst schultern kann. Aber davor ist ihm nicht bange. „Die Bilanzen gestalten sich immer besser“, hebt Nadler hervor. Die Patientenzahlen haben sich deutlich erhöht. Da sind zum Beispiel die laparoskopischen Eingriffe, die schonenden, minimalinvasiven Eingriffe im Bauchraum. Chefarzt Dr. Klaus Kraft sei auf diesem Gebiet führend in Deutschland. Auch die Urologie in Ruit habe gewonnen.

Sehr gute Zahlen könne auch der Nürtinger Orthopäde Dr. Florian Bopp mit seinen Endoprothesen, also dem künstlichen Ersatz von Knie- und Hüftgelenken, vorweisen. Die lägen stellenweise über denen von Universitätskliniken. So müsse man nicht nur auf Kostensenkung setzen, sondern auch auf gezieltes Wachstum, sagt Iris Weichsel. Doch der positive wirtschaftliche Effekt sei nicht die einzige Folge steigender Fallzahlen. Sie bedeuteten für die Chirurgen mehr Erfahrung. Und dies bedeute wiederum mehr Qualität.

So spielt die Spezialisierung für die Kreiskliniken weiter eine große Rolle. Nadler verweist auf die Zentrumsbildungen und die Zertifizierungen. Da ist das Endozentrum. Oder aber auch das onkologische Zentrum mit den Chefärzten Kraft und Dr. Ulrich Römmele. Oder das Brustzentrum mit Dr. Andreas Funk und dem plastischen Chirurgen Dr. Michael Kaun. Hinzu kommen Pfunde wie die Neurologie und Kardiologie in Kirchheim, mit denen man wuchern könne, so Nadler. Oder auch die Stroke-Unit und die Chest-Pain-Unit für die Behandlung von Schlaganfall- und Herzpatienten, die im Herbst zertifiziert werden sollen. Da leiste man Qualität weit über das Mindestmaß hinaus, glaubt der Klinikleiter. Und er sagt: „Wir werden weiterhin auf medizinische Qualität setzen.“

Wo werden die Kreiskliniken und die Städtischen Kliniken künftig miteinander konkurrieren? Eigentlich, so Nadler, tue man sich aufgrund des großen Einzugbereichs für alle Kliniken im Landkreis mit Konkurrenz nicht so schwer. Insgesamt sei man für 500 000 Einwohner zuständig. Es gebe höchstens Gebietskonkurrenzen, denn das Kreisklinikum Nürtingen-Kirchheim decke ein Gebiet ab, das Ruiter Kreisklinikum und die Städtischen Kliniken Esslingen eben das andere. In Kirchheim und Nürtingen ist die bauliche Expansion abgeschlossen oder in vollem Gange. In Esslingen dagegen werde man sich schwertun mit Erweiterungen mitten in der Stadt.

Nadler setzt weiter auf Konzentration. Zum Beispiel mit dem Umzug der Wirbelsäulenchirurgie von Kirchheim nach Nürtingen. Die ergänzt dann das Traumazentrum, in dem Patienten nach schweren Unfällen in Nürtingen rundum gut versorgt seien, sagt Nadler. Für solch eine umfassende und hochqualitative Versorgung brauche es auch teure Geräte. Da sei man besser beraten, wenn man nicht streue, sondern konzentriere.

Weichsel verweist darauf, wie gut so eine Konzentration auch für den Einsatz von hoch qualifizierten Fachkräften sei. Klar: Wenn man vier Chirurgien unterhalten müsse, bleibe man ärztlich, pflegerisch und infrastrukturell unter Druck. „Schließlich ist auch der Grad der Spezialisierung sehr hoch geworden“, sagt Iris Weichsel. Chefarzt Kraft verweist darauf, dass es vier bis sechs Jahre daure, bis ein Arzt richtig gut endoskopisch operieren könne.

Sieht der Klinikleiter nun nach der gescheiterten Fusion direkte Gefahren für die Kreiskliniken oder die Städtischen Kliniken? Kleinere Kliniken mit 100 bis 150 Betten könnten aus der Kliniklandschaft verschwinden. Die Kliniken im Kreis hätten da keine Probleme.

Dennoch gibt es Herausforderungen für die Kreiskliniken. Um beispielsweise eine wohnortnahe Versorgung an drei Standorten zu gewährleisten, sei Flexibilität auch beim Personal gefragt. Das gilt gerade für spezialisierte OP-Teams. Schwierigkeiten könnte zukünftig der Fachkräftemangel bereiten. Nadler: „Wir müssen als Arbeitgeber für die Arbeitnehmer attraktiv bleiben.“ Die guten Möglichkeiten zur Fort- und Weiterbildung an den Kreiskliniken seien oft das Zünglein an der Waage. Trotz der Umzüge der Abteilungen schätzten die Mitarbeiter das Arbeitsklima. Die Größe des Hauses passe, sagt Nadler. Man arbeite in familiärer Atmosphäre und könne dennoch seine Karriere planen.

In Kirchheim und Nürtingen seien neue Räumlichkeiten dazugekommen, die Qualität der Versorgung steige und die Reduzierung der Standorte durch die Auflösung der Häuser in Plochingen und der Stuttgarter Straße in Nürtingen wirke sich positiv aus – das sieht Nadler als Erfolgsrezept für die Kreiskliniken. Auch in der Zukunft.

Klinikleiter Norbert Nadler – hier in der Eingangshalle der Klinik auf dem Säer – blickt optimistisch nach vorne.Foto: Holzwarth