Die Städtische Galerie im Kornhaus zeigt die Ausstellung „Schwarzes Korn“ von Martina Wegener und Frédéric Ehlers

Auf Klapprädern durch Rambouillet

Kirchheim. Die Ausstellung „Schwarzes Korn (Rambouillet #2)“ von Martina Wegener und Frédéric


Kai Bauer

Ehlers kann auf vielen Ebenen als Reise betrachtet werden. Zum einen ist im Ausstellungsraum ein Parcours aufgebaut, der den Betrachter mit einem kleinen Zimmerbrunnen zwischen zwei Nussbäumchen empfängt und ihn über eine Treppe mit Aussichtsplattform an zahlreichen Zeichnungen, Vitrinen, Fotos, Videomonitoren und Objekten vorbeiführt.

Zum zweiten sind die Ausstellungsstücke wie einzelne Szenen oder Situationen assoziativ aneinandergefügt und stellen damit eine Reise durch die künstlerische Welt der beiden Künstler, die von 2008 bis 2014 an der HbKsaar studierten, dar.

Zum dritten ist eine tatsächliche Reise Anlass dieser Ausstellung und Thema der meisten Ausstellungsstücke, nämlich eine Reise der beiden Künstler nach Rambouillet, der Partnerstadt von Kirchheim.

Heute noch wird die Vorstellung von Künstlerreisen durch August Macke, der mit befreundeten Künstlern zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch Nordafrika reiste, bestimmt. Die Gruppe junger Expressionisten versuchte damals, das ungewöhnliche Licht und die Farben dieser exotischen Welt in Aquarelle einzufangen.

Frédéric Ehlers thematisiert dieses historische Vorbild, in dem er es auf die Handlungsebene reduziert und dann in aktuelle, überraschende Materialien überführt. Ein Video zeigt ihn, wie er vor dem Schloss in Rambouillet seinen Rucksack abstellt, um den Blick auf das Gebäude in eine schwungvolle Graffitizeichnung auf eine am Boden ausliegende Folie auszuführen. Bereits vor einem Jahr befasste sich die Klasse für erweiterte Bildhauerei und Public Art von Professor Georg Winter an der HBKsaar aus Saarbrücken mit dem Rambouilletplatz in der Südstadt von Kirchheim, der bei seiner Fertigstellung in den 1960er-Jahren ein Symbol deutsch-französischer Freundschaft war.

Mit der aktuellen Ausstellung im Kornhaus nahmen Martina Wegener und Frédéric Ehlers als Absolventen und Meisterschüler dieser Klasse den Faden auf. Im Vorfeld der Ausstellung reisten sie selbst nach Rambouillet. Die zwei Klappfahrräder aus den 1970er-Jahren, die Wegener und Ehlers für ihre Erkundungen vor Ort in einen Kleinwagen verstauten, sind in den Schaufenstern der städtischen Galerie ausgestellt. Wie es sich für zeitgenössische Künstler gehört, wird die praktische Tätigkeit mit theoretischer Lektüre untermauert. In einem weiteren Schaufenster liegen Bücher aus, unter anderem von Roland Barth und Timothey Leary, die damit auch das Phänomen der Reiselektüre darstellen. Der amerikanische Autor Timothey Leary war bekannt dafür, dass er in den 1960er-Jahren den Konsum von Halluzinogenen, vor allem LSD, propagierte, dessen Grundstoff aus dem Pilz des Mutterkorns gewonnen wird. Somit ergab sich für Martina Wegener und Frédéric Ehlers das Thema „Korn“, das sie als künstlerische Botschafter des Kirchheimer Kornhauses vor Ort recherchieren wollten, als Titel und Thema des Projekts. Eine Vitrine zeigt das Mutterkorn, das sich in den Ähren von Roggen ansiedelt und dessen krampferzeugende Wirkung heute in seltenen Fällen beim Konsum von Biomüsli zurückkehrt.

Ein Schwerpunkt der künstlerischen Arbeit von Wegener und Ehlers liegt seit Kurzem auf agrarwirtschaftlichen und biosphärischen Themen, die auch den Einfluss kultureller Phänomene auf die Wahrnehmung von Landschaften berühren. Als Zeitpunkt ihrer Untersuchungen wählten sie daher die Blütezeit des Roggens, wenn er besonders anfällig für Pilzbefall ist und sich das sogenannte „schwarze Korn“ herausbildet. Die Ergebnisse ihrer Streifzüge durch die Landschaft der Île-de-France und ihres künstlerischen Forschens, werden als Zeichnung, Film und Fotografie in das ehemalige Kornhaus zurückgeführt und zu einer spannenden Ausstellung verschmolzen.