Weilheim. Dicht an dicht saßen die Zuhörer beim Weihnachtskonzert mit Tracey Campbell in der fast voll besetzten Weilheimer Peterskirche.
Auf den Sitzen hielt es sie während des zweistündigen Konzerts aber nur teilweise, denn eine begeisternde Campbell machte aus sitzenden Zuhörern immer wieder stehende Mitsänger.
Die Aufforderung zum Stehen geschah gleich auf zwei Ebenen. Die erste Version war wiederholt ganz wörtlich gemeint. Die zweite war das ergreifende Trostlied „Stand“ von Donnie McClurkin. Was tun, wenn man alles getan hat, was man kann, und es reicht trotzdem nicht? Wenn einen die Freunde verlassen, wenn die Schuld der Vergangenheit drückt, das gebrochene Herz mit Schmerz gefüllt ist? Dann, sang Tracey Campbell, bleib einfach stehen. Bleib stehen und warte, dass Gott eingreift und dich durchbringt.
Es gibt Gospelgruppen, die Gospels rein um der guten Musik oder aber des Kommerzes willen interpretieren – denen aber die echte Gute Nachricht, „good spell“ or „God’s Spell“, fehlt. Und andere, bei denen die Texte kraftvoll gesungene Glaubensbekenntnisse sind. Die britische Sängerin Tracey Campbell gehört zu Letzteren. Einmal stoppte sie ihren Pianisten Andy Doncic, der schon das nächste Lied beginnen wollte, sie müsse noch etwas sagen. Ja, bekräftigte sie, Gott war und sei der Hüter ihres Herzens, ihr Friedensstifter – so wie es Campbell gerade im Lied „Peacemaker“ von Greg Ferguson gesungen hatte. Die Grenzen zwischen Lied, Kurzpredigt und persönlichem Zeugnis waren in der Gospeltradition immer wieder fließend.
Zuerst kamen nur der Pianist Andy Doncic und der Saxofonist Klaus Graf auf die Bühne. Nach deren vielversprechendem Einstieg kam die Sängerin Evie Sturm dazu. Als Maria fragte sie, warum Gott ausgerechnet sie für die Geburt Jesu ausgewählt hatte? Sie, die noch nichts Besonderes war. Würde ihr Verlobter Josef ihr diese unglaubliche Geschichte glauben? Er wollte Maria heimlich verlassen, doch ein Engel Gottes erklärte ihm das Geschehen. So konnten Josef und Maria ihr wunderschönes Duett singen.
Mit Tracey Campbell und Andreas Hildebrandt für die Percussions war die Besetzung komplett, fehlten nur noch die Zuhörer, die Campbell sogleich in ihrem „Halleluja“ und „Glory to God“ anleitete. Ein Tanz zur Ehre Gottes wäre auch erlaubt gewesen, aber okay, Weilheim liegt nun mal nicht in den Südstaaten. Nochmals gefragt waren die Zuhörer bei „Go Tell It on the Mountain“. Das erklang nicht in der harmlosen „Geh, ruf es von den Bergen“-Kinderkirchenversion, sondern mit richtigem Groove und einem klasse Saxofonsolo.
Auf ein ruhiges Lied über die göttliche Nacht folgte das schwungvolle „I Feel Like Praising Him“, diesmal sogar mit Bewegungen der Zuhörer. „Das Tolle am Lobpreis ist, man kann seinen ganzen Körper einsetzen“, sagte Campbell. Um Gott zu danken, brauche es keine großen Dinge. „Wir sehen vieles als selbstverständlich an. Manche haben das Jahr 2014 begonnen und nicht vollendet, doch wir sind hier.“ Das Konzert nicht vollendet hat eine von Campbells Kontaktlinsen, die sie verlor, aber singen kann man ja trotzdem, erst recht ohne Notenblatt.
Nach einem gemeinsamen „Oh Happy Day“ schloss das Konzert mit einem „Praise to the Lord“, zum Teil auch mit Joachim Neanders deutschem Originaltext „Lobet den Herren, den mächtigen König der Ehren“. Auch die weihnachtliche Zugabe „Oh Come Let Us Adore Him“ hat längst die Sprachgrenzen überwunden, ist bei uns als „Herbei, o ihr Gläub’gen“ bekannt.
Beim atmosphärisch dichten Konzert harmonierten die Musiker und Sängerinnen wunderbar, keiner drängte sich nach vorne, mehr als einmal forderte Campbell ihren Saxofonisten zu Höchstleistungen heraus. Das Konzert trägt dazu bei, dass die Gläubigen auch weiterhin in die von den Musikern bewunderte Peterskirche strömen können. Denn eingeladen hatte die Stiftung Peterskirche, ihr kommt der Erlös zugute.