Als Magnet erwies sich die ICE-Baustelle zwischen Kirchheim und Dettingen. Die Massen strömten schon am Samstagmorgen bei stahlblauem Himmel. Auch eine noch so steife Brise konnte die Menschen nicht davon abhalten, sich in stoischer Ruhe in die Schlangen einzureihen, um die Tunnelvortriebsmaschinen aus nächster Nähe betrachten zu können. Der Blick von der Brücke auf die Riesenbohrer reichte vielen nicht aus, sie wollten das Gerät aus allernächster Nähe in Augenschein nehmen. In kleinen Gruppen bestand die Möglichkeit, die fahrbare und mehrstöckige Fabrik zu erkunden. Geduldig beantworteten die Ingenieure die Fragen, die die technikaffinen Gäste an sie richteten.
Aus der gesamten Region kamen die Menschen zur Baustelle. Ständig fuhren die Busse und entluden ihre Gäste, die sodann das Gelände erkundigten und jeden Winkel auskundschafteten. Das brachte ziemlich schnell den Sicherheitsdienst auf Trab, denn es galt, das Leck zu schließen, damit die Besucher nicht in ungebetenes Terrain vorstießen.
Es gab genug Attraktionen und Infostände, um die Besucher bei Laune zu halten. Wer mit dem Bus anreiste, fuhr von Dettingen kommend über die neu angelegte Straße in Richtung Tunnel. Vom einstigen Feldweg ist nicht mehr viel zu sehen. Er ist für den Schwerlastverkehr ausgebaut, damit das Erdmaterial, das die Bohrmaschinen Sibylle und Wanda tagtäglich zutage fördern, in Richtung Steinbrüche abtransportiert werden kann. Einzig die schmale Brücke über den Jauchertbach lässt den Feldweg noch erahnen. Nahezu an der höchsten Stelle konnten die Gäste aussteigen. Es ging am großen Zelt von der offiziellen Andreh-Feier vorbei, das genügend Platz bot, um sich an den Biertischen zu stärken.
Die erste kleine Warteschlange kam gleich dahinter in Sicht. Väter und Söhne waren im Glück: Ein richtiger Bagger stand da im Schotterfeld, auf dem man loslegen konnte - nicht so eine Miniausgabe im Sandkasten. „Den kann jeder bedienen“, erklärte der freundliche Bauarbeiter über jeden Zweifel erhaben. Und siehe da, nach kurzer Einweisung, wie welcher Hebel funktioniert, wurde der Kies vom einen Haufen zum nächsten geschaufelt - einfach so im Handumdrehen. Die Spielzeugvariante gab‘s dann tatsächlich auch ein paar Meter weiter. Auf dem Weg dorthin und Richtung Tunneltrog ging‘s für manches Kind jedoch zuerst hoch hinaus beim Bierkistenstapeln.
Reges Interesse bestand an Informationen rund um die Baustelle. An den Bauzäunen hingen viele Tafeln zu unterschiedlichen Themen, sei es zum Tunnel selbst, der Trassenführung oder zur Maschine. Ingenieure, Bauarbeiter oder Mineure gaben bereitwillig Auskunft und stellten sich sämtlichen Fragen. Aufmerksamer Zuhörer konnten sie sich gewiss sein, gleich in Grüppchen standen die Menschen um die in orangenen Sicherheitswesten bekleideten Akteure. Stuttgart hatte seine Juchtenkäfer, die für Bauverzögerung sorgten. Die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm kann mit Zauneidechsen punkten. Jedes einzelne Exemplar dieser geschützten Art wurde entweder „verbrämt“, also über lange Zeit vom angestammten Revier ferngehalten, bis es sich in der Nachbarschaft dauerhaft niederließ, oder aber abgesammelt und in eine neue Heimat umgesiedelt. Auch darüber konnten sich die Besucher informieren.
Derartige Feinheiten interessierten jedoch kaum noch all diejenigen, die die Vortriebsmaschinen besichtigt hatten. Sie waren beeindruckt von den Dimensionen dieser riesigen Maschinen und schwärmten von den Eindrücken, die sie erhalten hatten. Wer sich die langen Wartezeiten ersparte und einfach so über die Baustelle spazierte, der konnte sich auch so ein Bild von der Größe des Projekts machen. Der Blick von der Brücke in Richtung Bohrmaschinen und Tunnelanschlag sprach für sich.