Kirchheim. In Künstlerbiografien gibt es spannende Momente. Etwa, wenn vertraute Schaffenspfade verlassen oder lang gepflegte Ausdrucksweisen durch neue Mittel erweitert werden. Das Ausstellungsgeschehen realisiert solche
Florian Stegmaier
Weichenstellungen und Zäsuren oft erst spät, reflektiert sie teils aus beträchtlicher zeitlicher Distanz.
Anders bei der Werkschau von Monika Majer, die im ersten Obergeschoss der Städtischen Galerie im Kornhaus derzeit aktuelle Arbeiten unter dem Titel „annähernd“ ausstellt. Als gelernte Steinmetzin und Absolventin der Ulmer Akademie für Gestaltung im Handwerk kann Majer auf eine zwölfjährige Tätigkeit als freischaffende Steinbildhauerin in ihrem Ötlinger Atelier zurückblicken.
In diese Zeit fallen zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen, eine rege Dozententätigkeit und starkes Engagement im künstlerischen Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen. Kirchheim, Nürtingen und Reutlingen sind nur einige der Städte, in denen die Bildhauerin mit Werken im öffentlichen Raum vertreten ist. Hiesigen Kunstfreunden dürfte das Bildhauersymposium „Begegnung“ des Jahres 2005 in lebendiger Erinnerung sein, das Monika Majer angeregt und an dem sie sich mit vier Künstlerkollegen auf dem Kirchheimer Schlossplatz beteiligt hat.
Wie der Ausstellungsbesucher im Kornhaus rasch bemerkt, hat sich Majer nun keineswegs von der Skulptur distanziert. Steinbildhauerische Arbeiten – vorwiegend in freier, dem Dialog mit dem Material geschuldeter Formensprache gehalten – setzen schlaglichtartige Akzente im Galerieraum und konfrontieren den Betrachter mit elementaren, qualitativ zu empfindenden Gesten.
Sie stehen aber in direkter Korrespondenz mit zweidimensionalen Arbeiten, in denen die Künstlerin sich erst vor Kurzem ein gänzlich neues Terrain erobert hat. Neben einigen Monotypien und Lineargrafiken, die mittels einer selbst konstruierten seismografischen Vorrichtung beim Durchmessen bestimmter Wegstrecken entstanden, tritt hier vor allem die Werkreihe der „landscapes“ in Erscheinung.
Formal gesehen Mischtechniken im breiten Querformat, denen die Künstlerin den mehrdeutigen Begriff „Gekehrtes“ zuordnet, der zugleich Gattung und Technik zu bezeichnen scheint. Tatsächlich sind diese malerisch dichten Bilder mit ihrem fein austarierten, fast patiniert wirkenden Kolorit mit konkreten Orten verbunden.
Nicht ihrer motivischen Anklänge an Landschaft wegen, vielmehr ihrer Materialität, ihrer stofflich-malerischen Substanz nach. Die Exponatenliste nimmt es genau: Zu Nummer 11 der „landscapes“ verzeichnet sie „Sand, Algen und kleine Muscheln“, die aus dem italienischen Grado stammen. Nummer 15 enthält „Rosenblütenblätter, von Regen benetzt“ aus dem heimischen Garten und trockenen Waldboden vom Sattelbogen der Teck. Während Nummer 10 noch mit einer erlesenen Melange aus Möglinger Weinreben und Sand vom Lago di Bolsena daherkommt, weist sich Nummer 6 ganz prosaisch als „Gekehrtes“ aus: Eine „Straßenmischung/Stuttgarter Straße, Ötlingen“ ist es, die hier zu ungeahnter malerischer Entfaltung gehoben wird. Die Ausstellungssituation setzt die „landscapes“ paarweise oder als Bilderblock verdichtet in räumlichen Bezug zu skulpturalen Arbeiten. Eigenständig kann der Betrachter somit ein Feld aufspannen zwischen vollplastischer Form und den zwischen Stille und Intensität pendelnden Bildräumen.
Monika Majers Kunstprojekte waren stets mit der Absicht verbunden, Interaktionen anzuregen, das künstlerische Tun in sozialen Diskurs zu setzen. Diesem Ansatz sind auch die Rahmenveranstaltungen
Performance unter dem Motto „Alchemie der Elemente“
der Ausstellung verpflichtet. Am Dienstag und Mittwoch, 25. und 26. September, findet jeweils um 20 Uhr eine „BauLeib-Performance“ unter der künstlerischen Leitung von Eduardo Jenaro statt, die unter dem Motto „Alchemie der Elemente“ einen Brückenschlag zwischen Naturwissenschaft und Bewegungskunst vollzieht. Am Sonntag, 30. September, ist Monika Majer um 15 Uhr als Akteurin ihrer Performance „Annähernd die Mitte“ zu erleben.
Die Ausstellung „annähernd“ mit Arbeiten von Monika Majer im ersten Obergeschoss der Städtischen Galerie im Kirchheimer Kornhaus läuft bis einschließlich Sonntag, 14. Oktober.