Seit 20 Jahren bringt der Mobile Bücherdienst Literatur zu Menschen, die ans Haus gebunden sind
Bücher als Fenster zur WeltKontakt

Hingabe zur Literatur und eine soziale Ader, das sind kurz zusammengefasst die Motoren, die den Mobilen Bücherdienst in Kirchheim seit 20 Jahren am Laufen halten. Toni Sauer und ihre Mitstreiterinnen bringen die Welt der Bücher zu Menschen in Kirchheim, die aufgrund von Krankheit oder Alter ans Haus gebunden sind.

Kirchheim. „Wir sind die Mobilen und gehen zu den Menschen, die nicht mehr so mobil sind, nach Hause“, fasste Toni Sauer zum Auftakt der Geburtstagsfeier in der Stadtbücherei die Tätigkeit des Mobilen Bücherdienstes zusammen. Zu den Aufgaben des achtköpfigen Mitarbeiterinnenteams gehören Besuche und Gespräche. Natürlich geht es dabei oft um Literatur, aber eben einfach auch um „Gott und die Welt“, wie man so schön sagt. Kooperationspartner der ehrenamtlichen „Leseratten“ vom Mobilen Bücherdienst ist neben dem Malteser Hilfsdienst natürlich seit der ersten Stunde die Stadtbücherei Kirchheim.

Hausherrin Ingrid Gaus begrüßte die Geburtstagsgäste und fasste ihre Freude über die effektive Zusammenarbeit mit dem Bücherdienst in Worte. Die ansprechende Feier wurde durch Gesangsdarbietungen der beiden preisgekrönten Kirchheimer Musikschülerinnen Lina Ellesser und Veronika Mannhardt eröffnet, die von Hans-Peter Weyhmüller mit der Gitarre begleitet wurden.

Den größten Teil der Feier nahm eine ausdrucksstarke Leseperformance ein: Die Schauspielerinnen Susanne Weckerle und Petra Weimer präsentierten anhand von Peter Härtlings Roman „Große, kleine Schwester“ das Leben der Schwestern Ruth und Lea von ihrer Kindheit in Mähren bis zum Tod in Nürtingen. Immer wieder sprangen sie zwischen Kindheit und Alter, zwischen erster und zweiter Heimat der Frauen hin und her. Die Vermischung von Politik und privatem Schicksal wurde deutlich. Zwei Weltkriege prägten den Lebensweg der 1907 und 1908 geborenen Schwestern. Dem Publikum in der Stadtbücherei kamen die Frauenschicksale von der behüteten Kindheit bis in die Einsamkeit des Alters mitunter sehr nahe. Bei aller Ernsthaftigkeit entbehrte die szenische Darbietung auch nicht der Komik, sodass die Anwesenden mitunter schmunzeln mussten und hier und da sogar laut auflachen konnten.

Auf die Historie des Bücherdienstes ging Irene Steiner ein. Sie hatte den Dienst quasi mit aus der Taufe gehoben in ihrer Funkton als Leiterin des Projekts „Solidarisch mit Angehörigen“, das vor 20 Jahren in auserwählten Modellstädten, darunter Kirchheim, für Furore sorgte. „Der Bücherdienst hatte die Idee, eine Art Fenster zur Welt aufzustoßen“, machte Steiner klar. Heute würde man sagen: „Der Bücherdienst ermöglicht Teilhabe.“

Steiner führte die Bedeutung der Einrichtung für alle aus, die vom Ausschluss aus dem Leben, aus dem Alltag bedroht sind. Abschließend lobte sie den besonderen Stellenwert bürgerschaftlichen Engagements in Kirchheim. Gruppen wie der Bücherdienst seien von Anfang an unterstütz und gewollt worden, und auch die Stadt sei „vor verrückten Ideen nicht zurückgeschreckt“. Aus diesen einst möglicherweise verrückten Ideen ist längst ein belastbares Netz unterstützender Angebote geworden.

Sozialamtsleiter Roland Böhringer hatte sich im Namen der Stadt unter die Geburtstagsgratulanten gemischt. Er würdigte die Weitsicht, mit der man schon vor zwei Jahrzehnten in Kirchheim die Thematik der alternden Gesellschaft angegangen sei. Nicht umsonst war Kirchheim eine der Modellstädte im Land. Beim Mobilen Bücherdienst wiederum verbinde sich die Liebe zur Literatur und das soziale Engagement in ganz besonderer Art und Weise. Der Bücherdienst verschaffe den Besuchten eine Art Tapetenwechsel im Kopf und stelle eine Brücke zum Leben dar.

Wer beim Mobilen Bücherdienst mitarbeiten möchte – egal ob Frau oder Mann – oder aber das Haus nicht verlassen kann und gern Besuch bekäme, ist beim Bürgerbüro richtig – montags bis freitags von 10 bis 12, Telefon 0 70 21/4 77 46.