Rund 50 Holzschnitte, Lithografien und Radierungen sind derzeit in der Volksbank Kirchheim zu sehen
Bedeutende Werke des Expressionismus

Kirchheim. Unter dem Motto „Deutsche Klassiker der Bildkunst“ lud die Volksbank Kirchheim-Nürtingen zur Ausstellungseröffnung in die Räumlichkeiten am Marktplatz in Kirchheim. Rund 50 Holzschnitte, Lithografien und Radierungen von 21 namhaften deutschen Expressionisten hat Brigitte Kuder-Bross aus der Galerie „Die Treppe“ in Reudern zur Verfügung gestellt und präsentiert damit eine nie dagewesene Fülle bedeutender Werke des Expressionismus in der Stadt.

Vorstand Harald Kuhn zeigte sich in seiner Begrüßung erfreut über die langjährige Partnerschaft, die die Volksbank mit der Galeristin pflegt. Besonders begrüßte er die beiden Cellisten Katharina Siegel und Johann Christoph Riepe von der Musikschule Kirchheim, die die Vernissage musikalisch bereicherten. Sie sind Preisträger bei „Jugend musiziert 2010“, aber auch beim „Musikpreis Kirchheim“, den die Volksbank zusammen mit der Musikschule erfunden hat.

Im Mittelpunkt der Vernissage stand die Kirchheimer Kunsthistorikerin Barbara Honecker. Vor knapp zwei Wochen, so begann sie, sorgten deutsche Expressionisten im MoMa in New York in einer großen Sonderausstellung für Aufsehen. „Nun, sehr verehrte Zuhörer, Sie müssen nicht nach New York reisen, Sie können sich Werke der deutschen Expressionisten auch hier anschauen“, hob die Kunsthistorikerin die Bedeutung der Ausstellung in der Volksbank hervor. In New York würden zwar fünf Mal so viele Werke gezeigt, aber die Anzahl von rund 50 Arbeiten sei sehr beeindruckend, wenn man beide Städte vergleiche. Brigitte Kuder-Bross habe Objekte ausgesucht, die als ein wichtiger Teil der deutschen Kunst betrachtet werden. Das Besondere an den Werken des Expressionismus sei der enge Zeitrahmen. Ihr Entstehen wird ab 1905 datiert und von neuen Entwicklungen nach dem Ersten Weltkrieg abgelöst. Gegen Ende des 19. Jahrhundert befand sich die bildende Kunst in einer, wie die Kunsthistorikerin findet, tiefen Krise und steckte in einer Historienmalerei, die seichte Ausmaße angenommen habe. „Ich bezeichne diese Art der Malerei sehr salopp als Öl-Schinken“, schmunzelte sie. Der sich in den 70er- Jahren in Frankreich entwickelnde Impressionismus stellte einen ersten Ansatz zum Ausstieg aus der Problematik dar.

Die beiden ältesten Künstler der Kirchheimer Ausstellung, Max Liebermann und Lovis Corinth, vollziehen im Laufe ihres Schaffens den Schritt in den Expressionismus, wusste Barbara Honecker zu berichten. Ein weiterer neuer Kunststil ließ sich in Frankreich, und mit Verspätung auch in Deutschland, beobachten, der Realismus. In Deutschland sind es vor allem Käthe Kollwitz und Ernst Barlach, die auch in der Ausstellung vertreten sind.

In ihrem Vortrag begab sich Barbara Honecker thematisch nach Dresden. Hier hatten sich 1905 vier junge Architekturstudenten zu einer Gruppe zusammengeschlossen, die radikal mit dem üblichen Malen brechen wollten. Sie lehnten eine akademische Ausbildung rigoros ab. „Das war der Anfang des Expressionismus und die Gruppe waren Freunde um Ernst Ludwig Kirchner, die sich Brücke nannten“, erzählte Honecker. Zwei der wichtigen Mitglieder dieser Vereinigung, Erich Heckel und Max Pechstein, können in der Volksbank entdeckt werden. Der Holzschnitt, skizzierte die Kunsthistorikerin, ist das erste drucktechnische Medium, das in der Vervielfältigungstechnik der künstlerischen Möglichkeiten entwickelt wurde. Für die Maler der Brücke war das Reizvolle an dieser Technik, dass beim Druck immer ein kleines Restrisiko der Unberechenbarkeit dabei war. Der Holzdruck wurde bevorzugtes Darstellungsmedium, zumal er besonders dazu geeignet war, Gefühle und Empfindungen in die Arbeiten zu bringen.

Fast gleichzeitig mit den Dresdner Malern habe sich in München die Kunstrichtung des Blauen Reiters entwickelt. Ihre These lautete, um Empfindungen auszudrücken, brauche man keinen Gegenstand, es genügen Farbflächen. Paul Klee sei spät zu dem Münchner Kreis dazugestoßen. In der Kirchheimer Ausstellung ist er mit einem späten Werk aus dem Jahr 1938 vertreten, zwei Jahre vor seinem Tod entstanden. „Zu dieser Zeit ließ ihn seine tödliche Krankheit Sklerodermie nur noch größere Werke schaffen“, sagte Barbara Honecker.

Paul Klee sei aber das Bindeglied der Ausstellung zu einer weiteren wichtigen künstlerischen Erscheinung, für die die deutsche Kunst weltberühmt geworden ist, das Bauhaus. Die Referentin machte klar, dass das Bauhaus, das meist mit klaren Farben und Formen, Kühle und Reduziertheit assoziiert werde, in einem sehr expressiven Stil begonnen habe. ­Lyonel Feininger, ebenfalls in Kirchheim zu sehen, schuf den berühmten Holzschnitt, den das Bauhaus-Manifest auf der Titelseite trägt. Er wurde von Gropius als Lehrer für Druckgrafik berufen und hat viel dazu beigetragen, dass diese Institution bis heute unvergessen ist.

In ihrer Eröffnungsrede leitete Kunsthistorikerin Honecker zur Schule der Neuen Sachlichkeit über. Otto Dix sei ein Hauptvertreter dieser Stilrichtung, die ihr Entstehen dem Ersten Weltkrieg und seinen grausamen Auswirkungen verdanke. Auch Max Beckmann sei durch den Ersten Weltkrieg geprägt worden, ebenso wie Oskar Kokoschka und Max Ackermann, der von 1912 – 1915 an der Stuttgarter Kunstakademie bei Adolf Hölzel studierte. Das 2. Obergeschoss ist ganz Holzschnitten des in Reutlingen tätig gewesenen HAP Grieshaber gewidmet. „Der Künstler ist einer der wenigen Grafiker der Nachkriegszeit, der die Tradition der Brücke-Maler weiterleben ließ, indem er sich fast ausschließlich mit dem Holzschnitt beschäftigte.“

 

Alle ausgestellten Grafiken, Lithografien und Holzdrucke sind käuflich zu erwerben. Die Ausstellung ist noch bis zum 12. Mai in der Volksbank zu deren Öffnungszeiten zu besichtigen.