Kirchheim. Im Jazz hat das Saxofon früh Fuß fassen und eine bis heute anhaltende Erfolgsstory schreiben können. Im klassischen Bereich hingegen genießt es eher einen Exotenstatus am Rande des Konzertbetriebs.
Völlig zu Unrecht. Denn es mangelt weder an anspruchsvollem Repertoire, noch an hervorragenden Interpreten. Einer davon ist Christian Segmehl, der auf Einladung des vhs-Kulturrings auf der Bühne der Kirchheimer Stadthalle die beeindruckende Bandbreite des klassischen Saxofons auffächerte.
Geradezu programmatisch stand Jules Demerssemans „Fantaisie sur un thème original“ zu Beginn des Konzerts. Diesem Paradestück für Saxofon, das der Komponist im Jahr 1860 auf Anregung seines Landsmanns Adolphe Sax dem noch jungen Instrument virtuos auf den Leib geschneidert hat, ließ Segmehl eine technisch beeindruckende, klangfarbig wie dynamisch hoch differenzierte Interpretation angedeihen. Mit Pianist Ingo Dannhorn hatte er zudem einen stets sensibel gestaltenden, auf Harmonie des Klangbilds bedachten Begleiter an der Seite.
Die „Fuzzy-Bird-Sonate“ von Takashi Yoshimatsu vollzog einen Sprung ins Japan des 20. Jahrhunderts. Musikalisches Erbe aus Ost und West inspirierten hier den Komponisten zu einer originellen und ausdrucksstarken Schöpfung, in der lautmalerische Eruptionen auf berückende Kantilenen treffen. Segmehl, der den Abend über mit seinem authentischen Charme durchs Programm führte, wies die Hörer zudem auf den hohen Stellenwert hin, den das klassische Saxofon im japanischen Kulturleben genießt, wo es mit Klavier und Violine auf gleicher Augenhöhe rangiert.
Darius Milhauds „Scaramouche“ gehört fraglos zum Kernrepertoire eines klassischen Saxofonisten. Vorrangig verdankt die 1936 entstandene Komposition ihre Popularität der abschließenden „Brazileira“ – von Segmehl und Dannhorn synkopisch-mitreißend dargeboten. Aber auch die beiden vorhergehenden Sätze
Bravouröser Solist trifft auf Ein-Mann-Band
„Vif“ und „Modéré“ kamen zu ihrem Recht und entpuppten sich als raffinierte Querschnitte der diversen Kompositionsstile Milhauds.
Dass die aus bekannten Werken Astor Piazzollas kunstvoll arrangierte Suite die einzige nicht-originale Komposition des Abends war, ließ sich leicht verschmerzen. Piazzollas Musik ist eher Glut als Feuer. Melancholische Leidenschaft und kultivierte Ekstase halten sich darin die Waage. Großartig verstanden es Segmehl und Dannhorn, aus einem Gleichgewicht solcher Extreme heraus den zeitlosen Reiz dieser Musik zu entfalten.
Hatte sich Ingo Dannhorn bereits zum Abschluss der ersten Programmhälfte mit Alfred Grünfelds „Soirée de Vienne“ als bravouröser Solist empfehlen können, verwandelte Segmehl in Barry Cockcrofts „Black & Blue“ sein Instrument zur veritablen Ein-Mann-Band. Die Erweiterung der spieltechnischen Palette unter Einbeziehung auch perkussiver Spielweisen ergab hier ein mehr als nur lautmalerisches Kunststück. Die virtuosen technischen Anforderungen ganz in den Dienst des Ausdrucks gestellt, brachte Segmehl den geistreichen Witz dieser Musik zur vollen Geltung.
Mit Pedro Itturaldes „Pequena Czarda“ und dem zugegebenen „Violon-Tango“ von Piazzolla verabschiedeten sich die beiden Künstler von ihrem zur Recht begeisterten Publikum.